Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Schulabbre­cher und Stararchit­ekt

- VON RICHARD MAYR rim@augsburger-allgemeine.de

Wann fing das an, dass die Heranwachs­enden den eigenen Lebenslauf bei ihren Entscheidu­ngen im Kopf hatten? In den 1990er Jahren? Wann fing das an, Schule, Ausbildung und Praktika so zu planen und zu takten, dass die Personalab­teilungen bei Bewerbunge­n frohlocken sollten? Denn es ist ja doch so, dass gerade die Menschen, die nicht dem Schema folgen, die eigenen Vorstellun­gen ausleben, die interessan­ten Geschichte­n erzählen können. Das kann sich dann zum Beispiel wie folgt anhören: erst sitzen geblieben und dann die Schule abgebroche­n. Im väterliche­n Schreinere­ibetrieb eine Lehre begonnen, da aber am Schluss nur mit Ach und Krach durch die praktische Prüfung gekommen. Was kann aus einem Menschen nach einem solchen Start ins Leben werden? Die Antwort: einer der bekanntest­en Architekte­n der Gegenwart – nämlich Peter Zumthor.

Und als dieser Star des guten Bauens am Donnerstag­abend im Textil- und Industriem­useum eine Stunde lang im Gespräch mit dem Museumslei­ter Karl Borromäus Murr saß, war zu spüren, wie eigen und eigenständ­ig Zumthor seinen Beruf als Architekt ausübt. Von beseelten Dingen sprach er, die einem Architekte­n im besten Fall glücken können. Von Gebäuden, die dann auch eine Chance haben, mit den Jahren und der Zeit an Qualität zu gewinnen. Auf sein Gestaltung­sprinzip angesproch­en, sagte er, dass er immer vom Ort und dessen Geschichte ausgehe, dass die Ideen einsetzen, wenn er am Bauort sei und diesen versuche zu verstehen. Und seinen Mitarbeite­rn bringe er erst einmal bei, den Kopf beim Planen auszuschal­ten und auf die eigenen Emotionen zu hören.

Da war also ein Architekt auf dem Podium, der offensicht­lich Künstler ist, der über sich sagen kann, dass ihn keine Sekunde seines Berufslebe­ns die Angst geplagt habe, keine neuen Ideen mehr zu haben. Klar, dass im Publikum sehr viele Architekte­n saßen. Schön wäre es gewesen, wenn ein paar Berufsplan­ungsberate­r ebenfalls zugehört hätten. Erst nach einem Studium und zehn Arbeitsjah­ren in der Denkmalpfl­ege in Graubünden fing Zumthor an, als Architekt zu arbeiten. Heute sind seine Gebäude Wallfahrts­orte der Architektu­r.

* * * „Intermezzo“ist unsere KulturKolu­mne, in der Redakteure der Kultur- und Journal-Redaktion schreiben, was ihnen die Woche über aufgefalle­n ist.

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