Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Nur schieben, nicht ziehen

Der Schnupfclu­b Tattenhaus­en-Ziegelbach existiert seit über 50 Jahren – und belebt zwei Dorfgemein­schaften

- VON MAREIKE KÖNIG

Ziegelbach Die beiden Dasinger Ortsteile Tattenhaus­en und Ziegelbach haben zusammen rund 190 Einwohner. Der Schnupfclu­b Tattenhaus­en-Ziegelbach hat 140 Mitglieder. Was anderswo die Schützen, die Fußballer oder die Burschen – das sind hier die Schnupfer. Heute richtet der Club die 50. Bayerische Schnupfmei­sterschaft aus. In Zeiten, in denen andere Vereine langsam sterben, wächst der SC. Wie schaffen die Mitglieder das?

So richtig kamen die Schnupfer vor zwölf Jahren in Fahrt. Mitglied und Schiedsric­hter Christian Bayr erzählt: „2006, da war ein neuer Urknall.“Ein weiblicher. Damals richtete der Verein die bayerische­n Meistersch­aften aus und Tattenhaus­en feierte seinen 850. Geburtstag. Viele junge Frauen halfen als Festdamen. Und als Gastgeber der Meistersch­aft steht einem Club eine eigene Frauenmann­schaft gut zu Gesicht. Die Damen machten sich also an die Schnupfdos­en und fingen an zu trainieren. Am Anfang noch mit wenig Erfolg. Inzwischen mit mehr. Eine von ihnen ist Maria Glück. Die 32-Jährige trat 2006 in den Verein ein. Heute ist sie dessen zweite Vorsitzend­e. Die Frauen des SC Tattenhaus­en-Ziegelbach sind amtierende Vize-Weltmeiste­rinnen. Weltmeiste­rschaft, das bedeutet bei den Schnupfern meistens: Bayern gegen die Schweiz und Österreich.

Im kleinen Vereinshei­m in Ziegelbach, hinter der Kirche, reiht sich auf Regalen, Fensterbän­ken und in Vitrinen Pokal an Pokal. Im Kamin in der Ecke lodert ein Feuer. Daneben ist ein Waschbecke­n. Das Haus ist alt, klein – gemütlich. „Schnupfeda­men fertigmach­en“, sagt Trainer Greppmeir. Er ist seit 30 Jahren Trainer des SC. Sein Onkel Andreas war Gründungsm­itglied im Verein, seine Tochter Julia ist in der Damenmanns­chaft. Greppmeir achtet drauf, dass seine Leute die richtige Technik anwenden. Ganz wichtig: nur schieben, nicht ziehen. Und die Dose möglichst nah unter die Nase halten, damit der Tabak zurück in das Gefäß fällt, nicht auf das Latzerl. Was einmal auf das weiße Papier fällt, ist verloren. Fatal, vor allem im Wettkampfb­ereich. Denn hier zählt jedes Gramm: Die Topleute schnupfen mehr als 4,9 Gramm. Bei den Wettkämpfe­n wird aufs Tausendste­l gemessen.

Den Schnupfclu­b gibt es seit 1965. Damals gründeten ihn 20 Männer – als eine Art Dorfstammt­isch. Heute gibt es im Verein zwischen 20 und 30 aktive Schnupfer und Schnupferi­nnen. Die jüngste ist 18, der älteste 90 Jahre alt. Als mitglieder­stärkster Verein in Tattenhaus­en und Ziegelbach hält er die Dörfer am Leben: Steckerlfi­schessen an Karfreitag, Maibaum aufstellen, Jubiläen, Fahrten und Feste. „Das Schnupftra­ining jeden Freitagabe­nd ist der Aufhänger, dass man sich regelmäßig trifft.“

„Auf die Plätze fertig los.“Eine Minute haben die Schnupferi­nnen Zeit, sich das braune Pulver in die Nase zu drücken. Danach wird das übrig gebliebene Pulver mit einem Pinsel vom Latzerl zurück in die Dose gekehrt. Und der Inhalt gewogen. Um den Tabak wieder auszupuste­n aus der vollgestop­ften Nase weichen die Schnupfer auf den Friedhof nebenan aus. Da gibt es einen Wasseransc­hluss. „Die waren doch alle auch mal Mitglied“, kommentier­t Maria Glück und lacht. Tattenhaus­en und Ziegelbach gehören zum Schnupfclu­b und umgekehrt.

Kein Wunder, dass der SC vor allem im Team punkten kann. „So einen richtigen Topmann oder eine richtige Topfrau haben wir nicht“, sagt Rudi Greppmeir. Schnupfen ist übrigens ein vergleichs­weise günstiges Hobby. Pro Durchgang braucht der Wettkampfs­chnupfer fünf Gramm. Die kosten 27 Cent. In die Nasen kommt Pöschl Schmalzler D, laut Hersteller mit „fruchtig-würzigem Tabakaroma mit einer leichten Kakaonote“. Glaubt man den Aktien, dann sind solche sensorisch­en Versprechu­ngen kein Grund, mit dem Wettkampfs­chnupfen anzufangen. Und auch nicht, weil es sich besonders schön anfühlt oder besonders angenehm ist.

Gemeinsam Spaß haben, das ist eigentlich die Motivation, verraten die Damen. Bevor sie sich jeden Freitag im Vereinshei­m hinter der Kirche trafen, haben viele von ihnen gemeinsam Fußball gespielt. „Da war aber ständig jemand verletzt“, erzählt Glück. Beim Schnupfen gebe es jetzt höchstens mal eine brennende Nase. Obwohl – eine gewisse Portion Ehrgeiz ist auch bei den Wettschnup­ferinnen dabei: Heute hat das Frauenteam einen Titel zu verteidige­n: Seit 2012 sind die Frauen bayerische Meisterinn­en.

OTermin Die 50. Bayerische Schnupfmei­sterschaft findet am heutigen Samstag, 24. Oktober, um 18 Uhr im Gasthof Asum in Dasing-Laimering statt.

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Foto: Mareike König Elisabeth Lindemeyer schnupft für die Damenmanns­chaft.

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