Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der Shootingstar aus der Region
Jetzt groß im Kino: Jonathan Berlin. Heißt der wirklich so? Und wie schaffte es der Schwabe in die erste Riege der deutschen Schauspieler?
Herr Berlin, Glückwunsch zum Künstlernamen – der lässt sich leicht merken. Danke, aber das ist gar kein Künstlername, auch wenn viele das glauben. Berlin lautet wirklich mein Familienname.
Ursprünglich wollten Sie Marionettenspieler werden. Weshalb ist es damit nichts geworden?
Vom Puppenspiel war ich schon immer fasziniert, als Siebenjähriger hatte ich mir eine eigene Marionette gebaut, aber ein Jahr später hat mich dann das Theater elektrisiert, konnte mich in Ulm am Stadttheater ausprobieren, wo eine ganz tolle Jugendarbeit stattfand. Na ja, und dann hab ich mit sechzehn naiverweise direkt mal an der ErnstBusch-Hochschule in Berlin vorgesprochen – aber da war ich den Dozenten eindeutig zu jung und wurde direkt aussortiert. Ein Jahr später hat es dann aber an der FalckenbergSchule in München geklappt.
Vom Schwäbisch ist bei Ihnen nicht mehr viel zu hören …
Ich habe mir das Schwäbische, schon als ich zwölf war, abgewöhnt. Das wurde mir aus der Branche heraus verständlicherweise nahegelegt, weil es für den Beruf natürlich elementar ist, ohne Dialekt sprechen zu können. Umso schöner, dass ich den dann für „Die Freibadclique“wieder rausholen durfte.
Das „Feierabendbier“wurde auf der Berlinale präsentiert. Wie waren die Erfahrungen?
Das war meine erste Berlinale, entsprechend aufgeregt bin ich gewesen. Es war schon beeindruckend zu erleben, welche Persönlichkeiten auftauchen und was hier so passiert. Auch kurios irgendwie, weil es so ein Ausnahmezustand ist.
Kontakte können Karrieren machen. Wie groß war Ihr Visitenkarten-Vorrat auf dem Festival?
Eigene Visitenkarten hatte ich gar keine, nur die von meiner Agentur. Mir sind inhaltliche Gespräche bei Begegnungen auf Festivals sowieso wichtiger als Smalltalk. Ich bin da relativ entspannt, weil ich keine große Lust habe, mich anzubiedern. Ich versuche immer, den Fokus auf die Arbeit im Spiel zu legen.
Wie groß empfinden Sie die Konkurrenz in Ihrem Alter?
Es gibt so viele tolle Kollegen, die ich extrem schätze. Natürlich gibt’s da auch, wenn man so will, eine gewisse Konkurrenz, die aber ja auch ein ganz normaler, sportlicher Ansporn ist. Ich denke, man muss sich auf die eigene Arbeit konzentrieren und darauf vertrauen, dass die richtigen Rollen und Projekte dann schon kommen, wenn man den eigenen, spezifischen Kern immer weiter herausschält und kontinuierlich an sich arbeitet.
Was ist das Faszinierende an dem Beruf? Was sind die drei wichtigsten Qualitäten für diesen Job?
Das Faszinierende: Spielen verbindet, durch Empathie, ganz universell. Es schafft gemeinsame Momente, die Zuschauer zusammen erleben können und es dann keiner Worte mehr bedarf. Ein Theaterregisseur nannte es mal „Erinnerung stiften“. Die drei wichtigsten Qualitäten? Spontan: Fleiß, Disziplin und Ehrlichkeit.
Wenn die „Lindenstraße“anruft und eine Rolle anbietet – würden Sie das überlegen oder wäre TV kein Berufsziel?
Das würde ich im Moment wohl nicht wirklich in Erwägung ziehen, obwohl ich vor dieser etwas schnelllebigeren Art zu arbeiten großen Respekt habe – ich könnte das nicht, dazu brauche ich zu viel Zeit. Ich selbst versuche gerade, sehr auf meinen Bauch zu hören. Welche Figuren, welche Geschichten will ich wirklich erzählen? Und dann hoffe ich, dass die Projekte kommen, die mir ein dementsprechendes Gefühl geben. Kino liebe ich als Medium, aber was gerade in der TV- und Streaming-Landschaft passiert, ist wahnsinnig spannend. Ich denke, da muss man sehr differenziert von Projekt zu Projekt sehen.
Muss es eine Schnittmenge zwischen Ihren Figuren geben?
Schnittmengen finde ich keine zwingende Voraussetzung. Manchmal kann das toll sein, aber genauso gut auch das Gegenteil: Wenn eine Figur sehr weit von einem entfernt ist, ist das eine große Herausforderung.
Sehen Sie sich gerne im Kino?
Das ist bei mir ziemlich tagesabhängig.
Auf keinen Fall. Dieser Beruf funktioniert nur gemeinsam, da darf es nicht darum gehen, wer nun die besseren Pointen bekommt. Nicht umsonst heißt es: Ein Schauspieler ist immer nur so gut wie sein Spielpartner. Ohnehin ist Christian ein wirklich toller Kollege, von dem man ganz viel Energie im Spiel bekommt.
Was bedeuten Ihnen Preise?
Das ist eine sehr schöne Anerkennung der eigenen Arbeit und es ist toll, in der Anfangsphase als Schauspieler, die ja auch von vielen Unsicherheiten geprägt ist, das Gefühl zu bekommen, dass man auf dem richtigen Weg ist. Es richtet den Blick auf die bisherigen Figuren und man fühlt sich gesehen – dafür bin ich dankbar, aber dann geht es ja auch schnell wieder an die Arbeit und man sucht wieder nach den neuen Farben für die nächsten Figuren.
Interview: Dieter Oßwald