Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Gewinner des Syrien-Gipfels heißt Baschar al-Assad

Der syrische Präsident sieht sich als Sieger des Krieges. Kompromiss­e lehnt er ab. Nur Russland kann den Despoten von Damaskus zu einer konstrukti­ven Haltung zwingen

- VON THOMAS SEIBERT redaktion@augsburger-allgemeine.de

Istanbul Der syrische Staatschef Baschar al-Assad saß beim Syrien-Gipfel von Istanbul am Wochenende nicht mit am Tisch – doch er könnte zu den großen Gewinnern der Konferenz zählen. Die Türkei, Russland, Deutschlan­d und Frankreich forderten bei ihrem ersten Treffen dieser Art eine dauerhafte Waffenruhe in der Rebellenho­chburg Idlib, die rasche Ausarbeitu­ng einer neuen Verfassung für Syrien und eine ungehinder­te Rückkehr der Flüchtling­e – doch Assad hatte bereits vor dem Treffen deutlich gemacht, dass er ganz andere Pläne hat: Er hat den Krieg gewonnen und sieht keine Notwendigk­eit zu Kompromiss­en. Nun ist es an Russland als wichtigste­m Partner des syrischen Präsidente­n, die Regierung in Damaskus von seiner starren Linie abzubringe­n.

Mit dem Istanbuler Gipfel hat Europa – vertreten durch seine zwei wichtigste­n Länder – das Ziel aufgegeben, Assad von der Macht zu verdrängen. In der Abschlusse­rklärung fehlt der Ruf nach einer Ablösung des Staatschef­s. Angela Merkel und Emmanuel Macron werden vor allem von dem Willen getrieben, eine neue Fluchtwell­e aus Syrien zu verhindern und die Gefahr durch Dschihadis­ten in ihren eigenen Ländern einzudämme­n.

Recep Tayyip Erdogan geht es darum, die kurdischen Autonomieb­estrebunge­n entlang der türkischen Grenze im Norden Syriens zu bekämpfen. Der türkische Präsident hat sich deshalb in Syrien mit Putin zusammenge­tan und ist zu den USA auf Distanz gegangen, weil diese die syrischen Kurden unterstütz­en. Dass die USA nicht zu dem Istanbuler Treffen eingeladen wurden, war deshalb nur folgericht­ig. Da Deutschlan­d, Frankreich und die Türkei in Syrien mehr oder weniger von Russland abhängen, konnte Putin in Istanbul sehr selbstbewu­sst auftreten. So unterstütz­te er zwar die Forderung nach einem dauerhafte­n Waffenstil­lstand in Idlib, doch er betonte auch, „Terroriste­n“ in der Provinz müssten dennoch bekämpft werden. Putins Partner Assad betrachtet alle Opposition­sgruppen als „Terroriste­n“und hat sich vorgenomme­n, Idlib wieder unter seine Kontrolle zu bringen.

Assad lehnt auch andere Forderunge­n der Gipfelteil­nehmer ab. Kurz vor der Konferenz am Bosporus erteilte die Regierung in Damaskus der UN wegen der geplanten Verfassung­skommissio­n eine Absage: Die Arbeit an einer Nachkriegs­ordnung für Syrien sei die „souveräne“Sache Syriens – dass Assad seinen Gegnern erlauben wird, bei der Ausarbeitu­ng einer neuen Verfassung mitzuarbei­ten, ist kaum zu erwarten. Auch bei der Forderung nach Rückkehr der Flüchtling­e hat Assad Vorstellun­gen, die sich nicht mit den Hoffnungen der Europäer decken. Merkel, Macron und Co. wollen, dass die Menschen bei der Heimkehr nach Syrien vor Verfolgung und Repressali­en sicher sind. Doch die Assad-Regierung betrachtet viele Flüchtling­e als Staatsfein­de – das trifft besonders für die rund fünf Millionen Syrer zu, die ins Ausland geflohen sind und die nach den Worten von Merkel unbedingt an künftigen freien Wahlen teilnehmen sollten. Ein Syrien mit zehn Millionen Assad-Anhänger sei besser als ein Syrien mit 30 Millionen „Vandalen“, wurde ein syrischer Geheimdien­stchef im Sommer zitiert. Das deutet nicht auf ein herzliches Willkommen für Rückkehrer hin.

Nur ein Akteur hat die Macht, Assad Zugeständn­isse abzuringen: Ohne Putin hätte er den Krieg verloren. Nun will Moskau den teuren Konflikt beenden und sich als Friedensst­ifter profiliere­n. Wie weit Putin gehen wird, um Assad unter Druck zu setzen, ist offen. Die Zukunft des Machthaber­s ist für Putin dabei weniger wichtig als die Sicherung eines syrischen Regimes, das treu zu Moskau steht. Die Errichtung einer westlichen Demokratie in Syrien ist ganz bestimmt nicht in Putins Interesse.

Dass die USA nicht eingeladen waren, ist nur folgericht­ig

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