Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Den Zug der Vögel stets im Blick
Robert Kugler beobachtet und dokumentiert mit den Ornithologen des Naturwissenschaftlichen Vereins für Schwaben schon seit Jahren Zugvögel. Warum der Augsburger Müllberg dafür ein guter Standort ist
Gersthofen Rund 276000 Zugvögel hat die Arbeitsgemeinschaft Ornithologie des Naturwissenschaftlichen Vereins für Schwaben im vergangenen Jahr allein auf dem Augsburger Müllberg dokumentiert. Robert Kugler, der Leiter der Arbeitsgemeinschaft, kennt die Vergleichszahlen der Vorjahre und weiß: Das ist eine deutliche Steigerung zum Jahr 2016 mit 55700 Zugvögeln oder zum Jahr 2015 mit 38 040 Zugvögeln. Mit einer Prognose für dieses Jahr hält sich der Ornithologe zwar zurück, wohl aber verrät er einige Trends, die er bereits ausmachen konnte.
So zeigt sich beispielsweise der Kernbeißer, der zu den Finken gehört, deutlich häufiger. Der Buntvogel hat einen Kegelschnabel und fliegt in großen Trupps. Auch der Fichtenkreuzschnabel, ebenfalls aus der Familie der Finken, war deutlich häufiger zu beobachten. Seinen scharfen „Gip-Gip-Gip-Gip“-Rufton ließ er heuer besonders oft von der Fichtenspitze herab ertönen. In puncto Zugrichtung orientiert sich der Fichtenkreuzschnabel an der Fichtenmast.
Warum sich Robert Kugler mit etwa 20 weiteren Vogelfreunden rund zwei dutzendmal im Jahr für die Zählungen auf dem Müllberg verabredet, erklärt der Ornithologe mit Blick auf die Vorzüge des Standorts. „Die Erhöhung, die der Berg liefert, lässt die Beobachter deutlich näher an die durchziehenden Vögel heranrücken“, sagt er.
Und so läuft eine der Zählungen ab: Hoch oben auf dem Berg positionieren sich Rebecca Müller, Gerdi Kailing, Helmut Saumweber, Robert Kugler sowie andere Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft mit ihrem Equipment. Ausgestattet mit Ferngläsern, Kameras, Zählern und einer Liste, um alles niederzuschreiben, was sie sehen, hören, rücken sie wieder einmal gegen 6.30 Uhr vor Sonnenaufgang an. Bis etwa 11 Uhr ist dann in puncto Vogelzug mächtig viel geboten. Meist bleibt die Gruppe bis mittags, manchmal auch länger. Dies hat den Grund, dass einige Vögel aufgrund der thermischen Bedingungen eher nachmittags fliegen. Auch der einzigartige Rundumblick und die Ruhe auf dem Berg spielen den Vogelbeobachtern an diesem Standort in die Karten.
„An guten Beobachtungstagen hat derjenige, der protokolliert, mächtig viel zu tun“, verrät die Truppe. Doch als eingespieltes Team wissen sie, worauf es an- Während die Gruppe beobachtet, bestimmt und zählt, dokumentiert ein Vogelkundler die Beobachtung in einer Liste. Ist der Himmel nebelverhangen, wie an diesen herbstlichen Tagen, müssen die Vogelbeobachter sich ganz auf ihr Gehör verlassen. Trotz des Lärms der nahen Autobahn ist das Gezwitscher der Wiesenpieper, Hausrotschwänze, Erlenzeisige, Singdrosseln und weiterer Vogelarten zu hören.
Viele Vögel lassen sich an ihrem typischen Ruf erkennen. Der Wie- senpieper beispielsweise erklingt mit einem feinen „Fiest-FiestFiest“-Ruf. Bei anderen Arten ist es sinnvoll, den Vogel durch das Fernglas blickend am Himmel auszumachen. Denn auch die Formation, in der die Vögel fliegen, kann ein Indiz sein, das bei der Bestimmung hilft. „Der Erlenzeisig beispielsweise fliegt in einer kompakten Formation und wirbelt auffallend hin und her“, erklärt Kugler. Der Buchfink hingegen bilde mit seinen Artgenossen einen lang gezogenen Trupp.
Rückblickend auf die letzten Bekommt. obachtungsjahre auf dem Müllberg gibt es für Robert Kugler zwei große Überraschungen. Zum einen waren die Vogelkundler überrascht, dass sich der Müllberg derart gut als Standort für die Beobachtungen eignet. „Zum anderen überraschte uns die Artenvielfalt, die auch Tiere wie den Schlangenadler, den Spornpieper, die Ringdrossel, den Tannenhäher und den nordischen Wanderfalken umfasste.“
Ebenfalls ungewöhnlich sei die Vielzahl an Meisen, die im vergangenen Jahr dokumentiert werden konnten: 1328 Kohlmeisen, 3354 Blaumeisen und 1178 Tannenmeisen – insgesamt also 5860 Meisen – liegen weit über der Anzahl der Vorjahre. Vor zwei Jahren waren es gerade einmal 690 Tiere aller drei Arten. „Gerade Meisen lassen sich übrigens nicht nur auf dem Augsburger Müllberg gut beobachten“, empfiehlt Kugler. Auch in Gärten oder vom Balkon aus, sei es gut möglich, Meisenverbände ziehen zu sehen – obgleich es sich dabei nicht immer um einheimische Meisen handeln muss.