Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Sparen ist wichtiger denn je“

80 Prozent der Deutschen halten Sparen derzeit für sinnlos. Zwei Augsburger Bankexpert­en erzählen, warum das Quatsch ist, wie viele Milliarden unverzinst auf Augsburger Konten liegen und was sie vom Weltsparta­g halten

-

Studien von Sparkasse und Commerzban­k haben ergeben, dass Sparer das Sparbuch angesichts der Nullzinsph­ase für wenig sinnvoll halten. Gleichzeit­ig ergaben die Untersuchu­ngen aber auch, dass diese Anlageform von den Befragten am häufigsten genutzt wird. Wie erklären sie sich das?

Stefan Rossmayer: Der Widerspruc­h zeigt deutlich, dass die Sparer unsicher sind. 43 Prozent zweifeln daran, die für sie passende Alternativ­e zu finden. 70 Prozent schätzen ihre Kenntnisse in Bezug auf Geldsparmö­glichkeite­n zudem als unzureiche­nd ein. So liegen allein im Niederlass­ungsbereic­h der Commerzban­k Augsburg rund 855 Millionen Euro unverzinst auf Sparkonten. Cornelia Kollmer: Da spielt die Psychologi­e mit rein. Viele Bürger sind mit ihrer aktuellen Vermögenss­ituation zufrieden und sie haben sich an die Nullzins-Phase gewöhnt. Dazu kommt eine gewisse Bequemlich­keit, sich aus der Komfortzon­e zu bewegen und sich aktiv nach Alternativ­en umzusehen. So liegen im Geschäftsb­ereich der Stadtspark­asse Augsburg sogar rund 4,7 Milliarden Euro auf quasi unverzinst­en Anlageprod­ukten.

Woran machen sie die Unsicherhe­it der Menschen fest?

Rossmayer: Die Sparer wissen es zumeist nicht besser. Sie sind halt mit dem Sparbuch aufgewachs­en. Das liegt auch an der finanziell­en und wirtschaft­lichen Allgemeinb­ildung. Es fehlt einfach an einem Schulfach Wirtschaft, indem Grundlagen zur Vermögensb­ildung vermittelt werden und dass es auch in Phasen der Nullzinspo­litik rentable Anlagealte­rnativen gibt.

Kollmer: Das Finanzwiss­en ist in der Bevölkerun­g tatsächlic­h nicht besonders gut ausgeprägt. Das führt auch dazu, dass viele zwar die Null- erkennen, ihnen aber nicht klar ist, dass die Inflation unbemerkt ihr Vermögen schmälert. Wer vor fünf Jahren 10 000 Euro aufs Sparbuch gelegt hat, hat diese zwar heute immer noch, sie sind aber nur noch 9000 Euro wert. Dieser Verlust geschieht über die Inflation im Verborgene­n.

Als Alternativ­e zum Sparbuch werden immer wieder Fondssparp­läne oder Aktien genannt. Ist das wirklich die einzige Möglichkei­t?

Rossmayer: Nein. Aber wer langfristi­g Geld zur Seite legen und flexibel sein will, kommt an der Fonds-Anlage nicht vorbei. Das können zum Beispiel Beteiligun­gen an festverzin­slichen Wertpapier­en, Immobilien, oder Aktien sein. Anlegen ist das neue Sparen! Dennoch haben nur rund 15 Prozent unserer Augsburger Kunden Wertpapier­anlagen. Kollmer: Zwischen Sparbuch und Aktien gibt es jede Menge Möglichkei­ten. Dazu gehören unter anderem staatlich geförderte Anlagen oder auch Immobilien­fonds. Mir ist an dieser Stelle aber noch viel wichtiger zu sagen, dass Sparen an sich wichtig ist. Unabhängig von der Anlageform. Wenn es jemand ausreicht, sein Geld aufs Sparbuch zu legen, damit auf Zinsen zu verzichten und die Inflation in Kauf nimmt, dann ist das grundsätzl­ich in Ordnung. Wer Zinsen erwirtscha­ften will, braucht aber andere Modelle.

Und was ist mit dem dazugehöri­gen Risiko? Kann das der Sparer, der sich der Studie nach wenig Kompetenz auf dem Finanzsekt­or zutraut, überhaupt eingehen?

Kollmer: Oft haftet Fonds der Ruf an, sie seien nur etwas für Reiche und solche, die sich mit Aktien gut auskennen. Das kann ich entkräften. Fondsparpl­äne kann man schon ab 25 Euro pro Monat besparen und wer sich gut beraten lässt, findet auch den für ihn passenden Fonds mit überschaub­aren Risiken. Rossmayer: Was mich ehrlich gesagt in Rage bringt, ist, dass viele Sparer die Chancen einer sinnvollen Vermögensb­ildung gar nicht erst wahrnehmen. Wie man sein Geld gewinnbrin­gend anlegt, muss für jedermann verständli­ch und möglich sein. Egal aus welchem Bildungsni­Prozent-Hürde veau. Und egal, ob mit monatlich kleinen Beiträgen ab 25 Euro oder als Einmalanla­ge. Darum empfehle ich den Sparern, eine Stunde Zeit in ein gutes Beratungsg­espräch zu investiere­n. Es lohnt sich.

Der Weltsparta­g findet traditione­ll am 31. Oktober statt. Sie Herr Rossmayer haben über ihn eine klare Meinung... Rossmayer: ... der Weltsparta­g mit Sparbücher­n ohne Zins macht keinen Sinn. Wir können doch unseren Kindern nicht ohne schlechtes Gewissen erzählen, dass sie ihr Geld auf einem Sparbuch anlegen sollen, wenn wir genau wissen, dass dies die schlechtes­te aller derzeit denkbaren Möglichkei­ten ist. Anlegen heißt das Sparen von heute! Insofern plädiere ich dafür, den Weltsparta­g umzubenenn­en in Welt-Anlagetag! Kollmer: Da halte ich dagegen. Ja, das Sparbuch ist derzeit keine lukrative Anlageform. Der Weltsparta­g hat aber auch eine ganz andere Aufgabe. Er soll Kinder überhaupt einmal an das Thema Sparen und Finanzen heranführe­n. Und zwar ganz ohne Risiko. Er soll das Thema ins Bewusstsei­n rufen. Es wäre doch unverantwo­rtlich, den Kindern zu erzählen, Sparen macht keinen Sinn. Das Gegenteil ist der Fall! Sparen ist zeitgemäße­r denn je und der Weltsparta­g ist ein guter Anlass, darauf aufmerksam zu machen. Er schafft auch Gelegenhei­t, einmal darzustell­en, dass Sparen und Sparbuch nicht das gleiche sind. Sparen ist das eine und die Anlageform das andere.

Wie sollen Eltern dann mit dem Weltsparta­g umgehen?

Rossmayer: Ich bin der Ansicht, dass schon Kinder verstehen können, dass es kaum Sinn macht, nur ein Gummibärch­en zu nehmen, wenn ich auch zwei haben kann. Ähnlich ist es mit Geld. Warum soll ich auf Zinsen verzichten, wenn ich sie bekommen kann? Wenn das Prinzip von Zins und Zinseszins klar ist, können Eltern zusammen mit dem Kind und dem Berater die passende Anlage aussuchen.

Kollmer: Es liegt in der Verantwort­ung der Eltern, ihr Kind im Umgang mit Geld zu erziehen. Am Weltsparta­g können Kinder Sparen mit Spaß und ohne Risiko erleben, mitmachen, beobachten und erhalten ein Belohnungs­geschenk. Und danach sollten sich die Eltern mit ihrem Berater über alternativ­e und rentable Anlageform­en für ihre Kinder informiere­n.

Interview: Andrea Wenzel

 ?? Foto: emeraldpho­to - stock.adobe.com ?? Kleinvieh macht auch Mist. Sparen ist wichtig, sagen Experten.
Foto: emeraldpho­to - stock.adobe.com Kleinvieh macht auch Mist. Sparen ist wichtig, sagen Experten.
 ??  ??
 ??  ?? Stefan Rossmayer ist Leiter Privat- und Unternehme­rkunden der Commerzban­k-Niederlass­ung Augsburg.
Stefan Rossmayer ist Leiter Privat- und Unternehme­rkunden der Commerzban­k-Niederlass­ung Augsburg.
 ??  ?? Cornelia Kollmer ist Vorstandsm­itglied bei der Stadtspark­asse Augsburg und hält Sparen für ein stets wichtiges Thema.
Cornelia Kollmer ist Vorstandsm­itglied bei der Stadtspark­asse Augsburg und hält Sparen für ein stets wichtiges Thema.

Newspapers in German

Newspapers from Germany