Augsburger Allgemeine (Land Nord)

So entstehen Artikel und Bilder in Wikipedia

Anlässlich eines Aktionstag­es ließen sich Autoren des Internet-Nachschlag­ewerks über die Schulter blicken. Mitmachen kann hier jeder, doch um fester Autor zu werden, bedarf es einiger Anstrengun­gen

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Wikipedia ist für viele Menschen eine unverzicht­bare Wissensque­lle geworden. Doch wie die Artikel und Bilder in der weltgrößte­n freien Enzyklopäd­ie im Internet entstehen, wissen nur die wenigsten. In elf deutschen Städten, darunter auch in Augsburg, haben die örtlichen Wikipedia-Gruppen deshalb am Sonntag zu einem Aktionstag eingeladen, bei dem man den Wiki-Machern bei der Arbeit zusehen und auch selbst mitmachen konnte.

Martin Maurer alias „Neitram“ist Wiki-Autor fast der ersten Stunde. Als er 2004 von dem Projekt eines Nachschlag­ewerks, an dem alle mitarbeite­n können, hörte, war er sofort Feuer und Flamme. An diesem Sonntag führt er das kleine Häuflein von Wikipedian­ern an, die mit ihren Kameras Bilder von bislang nicht erfassten Gebäuden und Kunstwerke­n für „Wikipedia-Commons“fotografie­ren wollen. „Commons“ist eine riesige Datenbank, in der frei zugänglich­e Bilder liegen. „Was hier hineingest­ellt wird, sollte eine gewisse ,Relevanz‘ haben“, erklärt Maurer. „Relevanz“ist überhaupt das Kriterium, das alle Einträge auf Wikipedia betrifft, so der Autor. „Jeder kann einen Eintrag erstellen“, erklärt er. Die Community reguliere sich selbst, uninteress­ante Beiträge fliegen wieder raus. „Ein Beitrag über irgend einen Bürger ist für Wikipedia nicht relevant, über einen Oberbürger­meister dagegen schon“, verdeutlic­ht er das Prinzip. Und was geschriebe­n wird, muss mit genügend Quellen hinterlegt werden, um vor den kritischen Augen der Community bestehen zu können.

In der katholisch­en HeiligKreu­z-Kirche öffnet sich anlässlich des Aktionstag­es sogar das Gitter zum Altarraum für die WikipediaF­otografen. Dominikane­rpater Paul Schäferskü­pper führt die wissbegier­igen Gäste durch die Kirche und weist sie auf besondere Schätze hin, darunter das Bild „Maria Himmelfahr­t“von Rubens und eine vergoldete gotische Madonna. Alles wird eifrig fotografie­rt. Damit die Bilder in der Datenbank zugeordnet werden können, müssen sie mit passenden Schlagwort­en versehen werden. Dazu kauft Maurer einen Kirchenfüh­rer. „Das Geld ist mir die Enzyklopäd­ie wert“, sagt er.

Rund zehn Wikipedian­er kommen regelmäßig zum Wiki-Stammtisch, der alle zwei Monate stattfinde­t. Wie viele tatsächlic­h in Augsburg mitarbeite­n, ist nicht bekannt, sagt Maurer. Denn ein Prinzip des Nachschlag­ewerkes sei die Anonymität. Jeder kann dort schreiben oder verbessern, ohne sich mit seinem Namen zu outen. Die festen Autoren haben allerdings ein Kürzel, unter dem sie sich gegenseiti­g kennen. Fester Autor kann man auch erst werden, nachdem mindestens 200 „Bearbeitun­gen“von anderen Autoren für gut befunden wurden. Wikipedia ist noch eine Männerdomä­ne. Nur zehn Prozent der Artikel stammen laut Maurer von Frauen.

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Foto: Klaus-Rainer Krieger Martin Maurer fotografie­rt im Rahmen des Wikipedia-Aktionstag­es in der katholisch­en Heilig-Kreuz-Kirche.

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