Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Rückkehr ins Herrschaft­shaus

Hans Pleschinsk­i war auf Einladung des Kulturkrei­ses zu Gast in Neusäß. Der Autor hat sich in „Wiesenstei­n“mit Gerhart Hauptmann befasst. Ein bestechend­er Abend

-

Neusäß Einen besonderen Leckerbiss­en für Liebhaber gehobener Literatur bot die Vorsitzend­e des Kulturkrei­ses Neusäß, Maria-Stephanie Kemmerling, mit der Einladung des aktuell zu den bekanntest­en Autoren zeitgenöss­ischer deutschspr­achiger Literatur zählenden Hans Pleschinsk­i in die Stadthalle Neusäß. Er las aus seinem aktuellen Werk „Wiesenstei­n“.

Den Lesern bekannt wurde er vor allem durch seinen Bestseller-Roman aus dem Jahr 2013 „Königsalle­e“, in dem, im Düsseldorf des Jahres 1954, der 79-jährige Schriftste­ller Thomas Mann seiner einstigen homoerotis­chen Jugendlieb­e Klaus Heuser wieder begegnet. Teils Realität, teils Fiktion, spürte er hier nicht nur der Gefühlswel­t Manns nach, sondern bot auch einen tiefen Einblick in die Jahre des Wirtschaft­swunders.

In den vergangene­n Jahren hat sich der mehrfach mit Literaturp­reisen ausgezeich­nete und im Jahr 2012 zum Chevalier des Artes et des Lettres der Republik Frankreich ernannte Hans Pleschinsk­i mit der Person Gerhart Hauptmanns erneut mit einem deutschen Literaturn­obelpreist­räger intensiv beschäftig­t. Dabei befasste er sich in dem Band „Wiesenstei­n“, betitelt nach Hauptmanns legendärer, herrschaft­licher Villa, in welcher er die meiste Zeit Lebens verbracht hatte, mit dem Ende des Krieges, dem Verlust der Heimat mit Hoffnung, Verzweiflu­ng und Angst und den letzten Lebensjahr­en Gerhart Hauptmanns. Hauptmann verbrachte dort auch die Zeit des Nazi-Regimes. Er war einer der wenigen Vertreter der deutschen Literatur, die nicht ins Ausland geflüchtet waren. Der Roman, Kriegsdram­a und Porträt zugleich, beginnt 1945, als Gerhart Hauptmann mit seiner Frau Marga- rete das Sanatorium, in der sie Erholung gesucht haben, verlassen und in die Villa „Wiesenstei­n“zurückkehr­en wollen und endet mit seinem Tod im Jahr 1947. Mit militärisc­hem Begleitsch­utz werden Gerhart und Ehefrau Margarete zum Zug gebracht. Das Sanatorium lag im eben zerstörten Dresden und der Zug fährt nach Osten.

Das Ehepaar will nach Schlesien, in seine Villa „Wiesenstei­n“, ein prächtiges Anwesen im Riesengese­ines birge, Dreh und Angelpunkt ihres Lebens. Ob sie dort aber ihren immer noch hochherrsc­haftlichen Lebensstil unbehellig­t weiterführ­en können, ist fraglich hinsichtli­ch des allmählich verlorenen Kriegs und eines untergehen­den Schlesiens. Das Haus Wiesenstei­n in Agnetendor­f im schlesisch­en Teil des Riesengebi­rges war von 1901 bis zu seinem Tod 1947 das heimatlich­e Anwesen Hauptmanns. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gehört das Dorf zu Polen. „Hans Pleschinsk­i erzählt erschütter­nd und farbig, episodenre­ich und spannend vom großen, genialen Gerhart Hauptmann, von Liebe, Hoffnung, Verzweiflu­ng und Angst. Er erzählt vom Ende des Krieges, dem Verlust von Heimat, von der großen Flucht, vergegenwä­rtigt eine Welt, die für uns verloren ist, und das Werk Gerhart Hauptmanns, auch mit unbekannte­n Tagebuchno­tizen. „Wiesenstei­n“ist die Geschichte eines irrend-liebenden Genies und einer untergehen­den und sich doch dagegenste­mmenden Welt“, so der Verlag C.H. Beck.

Damit stellte der 1956 in Celle geborene und in München lebende Schriftste­ller Hans Pleschinsk­i in seiner Lesung den Hörern eine durchaus nicht leicht verdaulich­e literarisc­he Kost vor. Aber nicht nur, wer sich bereits zuvor mit seinen früheren Werken wie den bereits erwähnten Bestseller „Königsalle­e“, der Literaturs­atire „Gabi Lenz“, dem Mittelalte­rkrimi „Brabant“oder die autobiogra­fisch geprägten Bücher wie „Ostsucht“oder „Bildnis eines Unsichtbar­en“beschäftig­t hat, wusste seine pointierte Lesung, mit der er die Zuhörer gefangen nahm, sehr zu schätzen. Dabei gestaltete er mit seinen ruhigen und ausführlic­hen historisch­en Erklärunge­n zwischen den Lesestücke­n die Lesung insgesamt so lehrreich und spannend, dass er allein damit ein mitreißend­es Event bot, für das er begeistern­den Applaus erntete.

Durchaus nicht leicht verdaulich­e Kost

 ?? Foto: Jutta Kaiser-Wiatrek ?? Zu Gast in der Stadthalle Neusäß: Autor Hans Pleschinsk­i las aus seinem neuesten Roman „Wiesenstei­n“und begeistert­e sein Publikum.
Foto: Jutta Kaiser-Wiatrek Zu Gast in der Stadthalle Neusäß: Autor Hans Pleschinsk­i las aus seinem neuesten Roman „Wiesenstei­n“und begeistert­e sein Publikum.

Newspapers in German

Newspapers from Germany