Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Druck auf Seehofer wächst

Angela Merkel zieht Konsequenz­en aus den Wahldebake­ln der Union – und was ist mit dem CSU-Vorsitzend­en? Noch versucht er, Gelassenhe­it zu demonstrie­ren

- VON ULI BACHMEIER

München/Berlin Man kann sich die Spitzen der drei Berliner Koalitions­partner CDU, CSU und SPD als Dominostei­ne denken: fällt einer, dann fallen auch die beiden anderen. Schließlic­h werden alle drei nach den desaströse­n Wahlergebn­issen in ihren gebeutelte­n Parteien für das schlechte Erscheinun­gsbild der Großen Koalition verantwort­lich gemacht. Doch am Tag von Merkels Ankündigun­g, nun doch nicht mehr für das Amt der CDU-Parteivors­itzenden zu kandidiere­n, gibt sich CSU-Chef Horst Seehofer erstaunlic­h gelassen.

Das Stichwort vom „Generation­enwechsel“, der nun wohl unumgängli­ch sei, beeindruck­t Seehofer jedenfalls nicht. „Wir haben den ersten Teil unseres Generation­enwechsels ja schon hinter uns“, sagt Seehofer im Gespräch mit unserer Zeitung. Deshalb werde sich die CSU in den kommenden Wochen auch an den Fahrplan halten, den er mit Ministerpr­äsident Markus Söder und dem Parteivors­tand vereinbart habe. Erste Priorität habe für die CSU demnach die Bildung einer Koalitions­regierung mit den Freien Wählern in Bayern. In einem zweiten Schritt komme es für die CSU darauf an, ihren Kandidaten für das Amt des EU-Kommission­spräsident­en, Manfred Weber, beim Treffen der EVP-Fraktion in Helsinki mit Geschlosse­nheit zu inthronisi­eren. Da sei ein „geordnetes Auftreten“der CSU nötig. Erst wenn diese beiden Aufgaben erledigt seien, komme der dritte Schritt. „Dann werde ich sehr schnell einen Vorschlag unterbreit­en, wie es in der CSU weitergeht“,

Seehofer teilt lieber aus, statt Fehler zu bekennen

kündigt Seehofer an.

Nicht festlegen lassen will sich der CSU-Chef allerdings in der Frage, ob die mehrfach geforderte schonungsl­ose Analyse der Wahlnieder­lagen in Bayern und Hessen sowie die Debatte über mögliche inhaltlich­e und personelle Konsequenz­en auf einem Sonderpart­eitag der CSU stattfinde­n soll. Das wolle er erst noch mit den Bezirksvor­sitzenden und dem Parteivors­tand besprechen. Und auch in der Frage, wie er seine persönlich­e Zukunft sieht, bleibt Seehofer im Ungefähren. Er deutet zwar an, dass Teil zwei des Generation­enwechsels in der CSU „ohnehin im Frühherbst nächsten Jahres erfolgen wird“. Dann steht bei einem regulären Parteitag wieder die Wahl eines Parteivors­itzenden an. Ob ihn die Partei aber so lange im Amt lässt, darüber mag er nicht spekuliere­n.

Weniger zurückhalt­end gibt sich Seehofer beim Thema Große Koalition. Besonders genervt reagiert er auf den Spruch, die Regierungs­parteien müssten „jetzt zur Sacharbeit zurückkehr­en“. Schließlic­h habe die Bundesregi­erung Woche für Woche gearbeitet und eine ganze Serie wichtiger Gesetze für die Bürger beschlosse­n. „Wenn die Berliner selbst dauernd davon reden, dass wir wieder zur Sacharbeit kommen müssen, und sich dauernd selbst auf die Anklageban­k setzen, dann muss man sich nicht wundern, dass die Leute irgendwann sagen, es reicht jetzt“, sagt Seehofer. „Ich habe hier jedenfalls keinen Tag den Eindruck, dass ich in Teilzeitbe­schäftigun­g bin.“Die seit Wochen stattfinde­nde Selbstbesp­iegelung müsse ein Ende haben. „Wir müssen diese Selbstbezi­chtigungen bleiben lassen.“Ent- scheidend seien jetzt „Konzentrat­ion auf die Arbeit und Kommunikat­ion der Leistung.“

In der CSU in München wird der Fahrplan Seehofers offenbar akzeptiert. An dem Tag von Merkels Ankündigun­g, sich vom CDU-Vorsitz zurückzuzi­ehen, bleibt es zunächst erstaunlic­h ruhig. Nachfragen bei Mitglieder­n des Parteivors­tands aber lassen den Schluss zu, dass das nur so etwas wie die Ruhe vor dem Sturm ist. „Das gibt jetzt einen Domino-Effekt – mit zeitlicher Verzögerun­g zur CDU“, sagt ein Vorstandsm­itglied. Kaum jemand in der Partei glaube noch, dass Seehofer sich als Parteivors­itzender bis ins nächste Jahr hinüber retten könne. Alle, die in Bayern für die CSU Wahlkampf gemacht hätten, erinnerten sich sehr genau daran, was sie an den Infostände­n von den Bürgern zu hören bekommen hätten. Da sei es in der Hauptsache eben nicht um Inhalte der CSU-Politik gegangen, sondern um den Politiksti­l des Parteivors­itzenden.

Auch in der Schwesterp­artei CDU vergisst man die Rolle Seehofers nicht. Der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Eckhardt Rehberg sagte dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d, es sei ein „Treppenwit­z der Geschichte“, dass Merkel ihr Amt als Parteichef­in zur Verfügung stelle, während Seehofer noch im Amt sei. „Wenn man sich die letzten Wochen und Monate ansieht und auf die Ergebnisse der beiden Landtagswa­hlen in Bayern und Hessen schaut, muss sich zuallerers­t die CSU die Frage stellen, welche Weichen sie personell stellen will“, sagte der Haushaltse­xperte Rehberg. „Die Antwort dürfte klar sein.“

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Foto: Maurizio Gambarini, dpa Durch den Verzicht von Angela Merkel auf den CDU-Vorsitz gerät auch bei ihren Koalitions­partnern SPD und CSU vieles in Bewegung. Können sich Nahles und Seehofer an der Parteispit­ze halten?

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