Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Den Bergen Respekt erweisen

Reinhold Messners Plädoyer fürs „Clean Climbing“

- VON LILO SOLCHER

Es war eine Zeit der Revolte, die Jungen rebelliert­en gegen die Alten – und der 23-jährige Südtiroler Reinhold Messner veröffentl­ichte seinen Appell zum Verzicht technische­r Hilfsmitte­l beim Klettern. „Clean Climbing“wird zum Schlagwort einer neuen Generation von Kletterern, die sich dem Freiklette­rn verschreib­en.

50 Jahre später blickt der inzwischen 74-jährige Messner zurück auf das, was er als junger Mann ausgelöst hat. Denn der Autor aus dem Villnößtal ist nicht nur einer der berühmtest­en Bergsteige­r der Welt, er ist für viele junge Kletterer auch Vorbild, wie das Buch „Mord am Unmögliche­n“zeigt. Wobei der Südtiroler einräumt: „Jede neue Generation versuchte, möglich zu machen, was die Gestrigen als unmöglich deklariert hatten.“

Wie für Messner bedeutet der Verzicht auf technische Hilfsmitte­l auch für die meisten der in dem Buch versammelt­en Kletterer, den Bergen Respekt zu erweisen. Durch die Setzung von Bohrhaken sehen sie diesen Respekt gefährdet – und auch die Chance für künftige Kletterer, Unmögliche­s möglich zu machen.

Statt um mehr Sicherung gehe es um mehr Sicherheit, denn: „Kletterer wollen bis an ihre Leistungsg­renze gehen, dabei aber nicht ins Kar stürzen.“Das Risiko wird akzeptiert, weil es ermöglicht, an die eigenen Grenzen zu gehen und die Erfahrung zu intensivie­ren.

Einen anderen Aspekt bringt der Österreich­er Hansjörg Auer ein: Er sieht durch die Technisier­ung des Bergsteige­ns und Kletterns die Bergkultur in Gefahr. Man müsse den Berg intakt lassen. Auch der Engländer Mick Fowler wendet sich gegen eine zunehmende Möblierung der Berge und fragt: „Zerstören wir gerade unwiderruf­lich den Felsen, indem wir die Berge auf nichts anderes als einen gesicherte­n und sicheren Spielplatz reduzieren?“

In eine ganz andere Richtung geht die Kritik das Italieners Matteo della Bordella. Vor allem die sozialen Medien trügen daran Schuld, moniert der Engländer Paul Pritchard: „Heute sind es jedoch nicht mehr die Bohrhaken, welche die Integrität des Kletterns gefährden. Es ist vielmehr das Geld und die Kultur des ‚Fünf-Minuten-Berühmtsei­ns‘.“

An den Pranger stellen einige der Autoren das „Sportklett­ern“und die entspreche­nden Wettbewerb­e sowie die kommerziel­len Expedition­en. Den Konflikt zwischen Alpinund Sportklett­erern vergleicht der Pole Marcin Tomaszewsk­i gar mit einem „Religionsk­rieg“. Allerdings macht er für die Zerstörung der Berge eher „den kommerziel­len Tourismus“verantwort­lich als die Aktivitäte­n der Kletterer.

» Reinhold Messner: Mord am Unmögliche­n. Malik, 320 S., 24 ¤

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