Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Bis zum nächsten Abschiedskonzert
The Sweet lassen im Spectrum die Wände wackeln und den Boden vibrieren. Für den Briten Andy Scott und seine Band stehen die Fans eine Stunde vorher schon an
Wenn sich vor dem Einlass des Augsburger Spectrum eine Stunde vor Konzertbeginn eine 100 Meter lange Schlange bildet, wenn dann ab 20 Uhr in der Location die Wände wackeln und der Boden vibriert, dann sind The Sweet in der Stadt. Mittlerweile alte und lieb gewordene Bekannte. Das liegt auch daran, dass Andy Scott und seine Combo immer gerne im Rahmen ihrer Abschiedstournee mal in Augsburg vorbeischauen. Und seit gefühlten zehn Jahren nehmen die Engländer Abschied von den Bühnen dieser Welt.
Dabei will eigentlich gar niemand, dass sie aufhören, denn The Sweet muss man bei ihren Auftritten einfach mögen. Der mittlerweile 69-jährige Andy Scott ist der Einzige, der noch übrig geblieben ist von den Glam-Rockern, die vor allen in den 1970er Jahren endlose Trium- phe feierten. Der ehemalige Sänger Brian Connolly starb bereits im Jahr 1997 an Drogen und Alkohol. Mick Tucker folgte ihm im Jahr 2002, und Steve Priest ist ausgewandert nach Amerika und lebt mit seiner Frau in Kalifornien. Doch der Gitarrist Andy Scott hat es dennoch geschafft, die Band über Jahre am Leben zu erhalten. Mit feinen Musikern.
Wie dem etwas übergewichtigen, aber sehr guten Drummer Bruce Bisland. Dem charismatischen BassGitarristen und Sänger Peter Lincoln oder dem hervorragenden Keyboarder Tony O’Hora. Bei diesem Quartett bekommt man auch nicht das Gefühl, dass dort oben auf der Bühne ältere Absahner stehen, die sich noch ein paar Euro dazu verdienen wollen. The Sweet machen vor allem Spaß und Laune.
Im Spectrum heizen sie zunächst mit „Action“ein. Zum festen Repertoire gehört auch „New York Groove“. In den 1970er Jahren ein Hit von „Hello“, einer Konkurrenzband von The Sweet. Mit diesen beiden Titeln stimmen The Sweet auf den Abend ein. Und man soll es nicht glauben, es sind auch jüngere Menschen im Lokal. Natürlich sind die alten „Bonny und Clydes“von früher in der Überzahl, aber anscheinend sind auch einige jüngere Jungs und Mädels vom Sweet-Fieber der Eltern infiziert worden.
Dabei wurde die Band, als sie die Hitparaden stürmten, nicht nur geliebt. Mit ihren Songs wie „Funny Funny“, „Co-Co“oder „Poppa Joe“wurden sie von Rockfans, die damals schon ein bisschen intellektueller und geschmackssicherer waren, eher verspottet und belächelt. Auch diese Songs spielen Sweet immer noch, allerdings in einer völlig neuen Verkleidung. Scott, Lincoln und O‘Hara machen aus diesen drei Titeln eine tolle Unplugged-Version.
Ansonsten fliegen im Spectrum einem die Hits nur so um die Ohren. „Hell Raiser“, „Teenage Rampage“, „The Six Teens“, „Lost Angels“oder „Fox on the Run.“Wenn dann Andy Scott seine Gitarre mit einer Blechdose bespielt, zeigt er, dass er nichts verlernt hat. Als sich dann das Quartett verabschieden will, dämmert es einem: „ Aber hallo, da fehlt doch noch was.“Natürlich kommt auch auch in diesem Fall das Beste zum Schluss.
Ohne Zugaben lassen die Fans The Sweet auch nicht von der Bühne. Und dann kommt auch schon mit ohrenbetäubendem Lärm die Sirene, die ihren Mega-Song einleitet: „Blockbuster“. Schließlich gibt es obendrauf noch „Ballroom Blitz.“Danach greift Andy Scott zum Handtuch. Der Schweiß rinnt ihm in Strömen vom Körper. Schön war’s wieder – bis dann – zum nächsten Abschiedskonzert.