Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Weiterleben mit der Hiobsbotschaft
Das angekündigte Aus wirft Fragen auf, die die Standortverantwortliche Vera Schneevoigt nicht sofort beantworten kann. Auch andere Firmen sind betroffen. Was passiert künftig mit dem Werksgelände?
Es war eine Hiobsbotschaft, die da am Freitag verkündet wurde: Der Computerhersteller Fujitsu zieht sich vom Standort Augsburg zurück. Wohl bis Herbst 2020 wird das Werk an der Bürgermeister-UlrichStraße geschlossen. Fassungslosigkeit machte sich nicht nur unter Mitarbeitern breit. Wie soll es weitergehen? Am Montag herrschte im Werk Alltag. Die Produktion läuft wie gehabt weiter. Und daran soll sich in den nächsten Monaten nichts ändern. Fujitsu will nach eigenen Angaben seinen Kunden weiterhin beste Qualität liefern – made in Augsburg. Dass die 1850 Mitarbeiter inklusive Leiharbeiter am Standort wegen der aktuellen Entwicklung tief verunsichert und besorgt sind, liegt jedoch auf der Hand.
Schnelle Antworten, wie die Dinge bei Fujitsu laufen werden, wird es definitiv nicht geben. „Dazu ist es zu früh“, sagte Vera Schneevoigt, die Standortverantwortliche des Unternehmens, am Montag gegenüber unserer Zeitung. Eines betont sie: „Ein zentraler Punkt ist die soziale Verantwortung des Unternehmens gegenüber den Mitarbeitern.“Hier wisse sie, dass die Japaner nach einer Lösung suchen, die allen Vertragspartnern gerecht werde. Mit Betriebsrat und Gewerkschaft werde nun über einen Sozialplan zu verhandeln sein. Derzeit über Inhalte zu sprechen, käme bei allen Beteiligten falsch an. Einen Zeitpunkt, wann der Sozialplan vorliegt, will Vera Schneevoigt nicht nennen: „Auch dafür ist es viel zu früh.“Sie gibt etwas über ihr Seelenleben preis: „Freitag war der tragischste Tag in meinem Berufsleben.“Ihr sei es extrem wichtig gewesen, alle Mitarbeiter persönlich zu informieren: „Deshalb gab es an diesem Tag wegen der unterschiedlichen Schichten drei Betriebsversammlungen.“
Das Aus des Produktionsstandorts sei wohl unabwendbar, sagen Insider. Es handelt sich um eine Konzernentscheidung, die auf meh- reren Faktoren beruht. Aussagen von Teilen der Politik, dass auf die Unternehmensführung wegen der angekündigten Werksschließung Druck ausgeübt werden müsse, will Schneevoigt nicht kommentieren.
Für Beobachter steht außerdem noch nicht fest, dass das Aus am Standort in der Bürgermeister-Ulrich-Straße den generellen Rückzug von Fujitsu aus der Region bedeutet. Ein innovatives und auf Technik spezialisiertes Unternehmen im Wettbewerb agiert schließlich keineswegs allein auf dem Markt, lautet das Argument.
Fujitsu ist im nicht weit vom Werksgelände entfernten Innovationspark Augsburg engagiert. Mit dem Roboterhersteller Kuka läuft hier eine enge Kooperation, die in einem gemeinsamen Projekt Mensch und Roboter zusammenführen soll. „Auch hier kann ich gegenwärtig nicht sagen, wie es dauerhaft weitergeht“, sagt Vera Schnee- voigt. Bis September 2020 wolle man bleiben, heißt es.
Augsburgs Wirtschaftsreferentin Eva Weber (CSU) spielte am Montag auf exakt diese Verbindung direkt an: „Fujitsu hat sich im Innovationspark eingemietet. Das Unternehmen war einer der ersten Mieter.“Sie könne sich insofern vorstellen, dass die Bedeutung dieses Wirtschaftsförderungsprojekts nach wie vor erkannt werde. Weber betonte, dass es jetzt darum gehen müsse, „dass für die Fujitsu-Mitarbeiter zufriedenstellende Lösungen gefunden werden“. Hier sei der Konzern gefordert. Zugleich komme von Politik, Gewerkschaft, Agentur für Arbeit und Wirtschaftskammern die Unterstützung in schwierigen Zeiten. Die sogenannte „Augsburger Allianz für Arbeit“, ein Zusammenschluss der aufgeführten Gremien, hat bereits am Montag getagt. Man wolle eng mit dem Unternehmen kooperieren. Dies tut im Übrigen auch die bayerische Staatsregierung. Am Dienstag findet in München ein Treffen statt, an dem unter anderem Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer und Sozialministerin Kerstin Schreyer teilnehmen werden. Mit in dieser Runde wird dann auch Vera Schneevoigt sitzen.
Der Rückzug vom Standort nahe der B17 soll bis September 2020 vollzogen sein. Das 36 000 Quadratmeter große Gelände gehört Fujitsu. Es klingt bereits jetzt durch, dass es wohl veräußert werden soll. Mit den großen Produktionshallen, die hier stehen, sei perspektivisch für andere Firmen wenig zu entwickeln. Ein Abriss der Hallen auf dem Areal in verkehrsgünstiger Lage könnte dagegen neue Möglichkeiten bieten. Wäre hier auch Wohnungsbau möglich? Wirtschaftsreferentin Weber hält diese Überlegungen für verfrüht: „Darum geht es jetzt nicht.“Andererseits sei aus wirtschaftlicher Sicht die Nähe zum Innovationspark ein interessanter Aspekt. Hier könnte dem Freistaat eine wichtige Rolle zukommen, sagt Weber. Das attraktive Gelände könnte bei einem Verkauf Millionen erzielen, so behauptet ein Insider – ein finanzieller Baustein in den anstehenden Verhandlungen über den Sozialplan.
Dass das Aus von Fujitsu auch für andere Firmen Folgen hat, klang am Montagvormittag ebenfalls durch. So ist das Unternehmen Andreas Schmid Logistik AG im Auftrag des Computerherstellers als Dienstleister unterwegs. Über die aktuelle Entwicklung bei Fujitsu gab es bereits einen ersten Austausch zwischen Vera Schneevoigt und Inhaber Alfred Kolb.
»Weitere Berichte Ein Interview mit Augsburgs Fujitsu-Chefin Vera Schneevoigt lesen Sie auf » Seite 11. Was Augsburgs Wirtschaftsreferentin über die wirtschaftliche Situation in der Stadt denkt, steht auf » Seite 38.