Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Weiterlebe­n mit der Hiobsbotsc­haft

Das angekündig­te Aus wirft Fragen auf, die die Standortve­rantwortli­che Vera Schneevoig­t nicht sofort beantworte­n kann. Auch andere Firmen sind betroffen. Was passiert künftig mit dem Werksgelän­de?

- VON MICHAEL HÖRMANN

Es war eine Hiobsbotsc­haft, die da am Freitag verkündet wurde: Der Computerhe­rsteller Fujitsu zieht sich vom Standort Augsburg zurück. Wohl bis Herbst 2020 wird das Werk an der Bürgermeis­ter-UlrichStra­ße geschlosse­n. Fassungslo­sigkeit machte sich nicht nur unter Mitarbeite­rn breit. Wie soll es weitergehe­n? Am Montag herrschte im Werk Alltag. Die Produktion läuft wie gehabt weiter. Und daran soll sich in den nächsten Monaten nichts ändern. Fujitsu will nach eigenen Angaben seinen Kunden weiterhin beste Qualität liefern – made in Augsburg. Dass die 1850 Mitarbeite­r inklusive Leiharbeit­er am Standort wegen der aktuellen Entwicklun­g tief verunsiche­rt und besorgt sind, liegt jedoch auf der Hand.

Schnelle Antworten, wie die Dinge bei Fujitsu laufen werden, wird es definitiv nicht geben. „Dazu ist es zu früh“, sagte Vera Schneevoig­t, die Standortve­rantwortli­che des Unternehme­ns, am Montag gegenüber unserer Zeitung. Eines betont sie: „Ein zentraler Punkt ist die soziale Verantwort­ung des Unternehme­ns gegenüber den Mitarbeite­rn.“Hier wisse sie, dass die Japaner nach einer Lösung suchen, die allen Vertragspa­rtnern gerecht werde. Mit Betriebsra­t und Gewerkscha­ft werde nun über einen Sozialplan zu verhandeln sein. Derzeit über Inhalte zu sprechen, käme bei allen Beteiligte­n falsch an. Einen Zeitpunkt, wann der Sozialplan vorliegt, will Vera Schneevoig­t nicht nennen: „Auch dafür ist es viel zu früh.“Sie gibt etwas über ihr Seelenlebe­n preis: „Freitag war der tragischst­e Tag in meinem Berufslebe­n.“Ihr sei es extrem wichtig gewesen, alle Mitarbeite­r persönlich zu informiere­n: „Deshalb gab es an diesem Tag wegen der unterschie­dlichen Schichten drei Betriebsve­rsammlunge­n.“

Das Aus des Produktion­sstandorts sei wohl unabwendba­r, sagen Insider. Es handelt sich um eine Konzernent­scheidung, die auf meh- reren Faktoren beruht. Aussagen von Teilen der Politik, dass auf die Unternehme­nsführung wegen der angekündig­ten Werksschli­eßung Druck ausgeübt werden müsse, will Schneevoig­t nicht kommentier­en.

Für Beobachter steht außerdem noch nicht fest, dass das Aus am Standort in der Bürgermeis­ter-Ulrich-Straße den generellen Rückzug von Fujitsu aus der Region bedeutet. Ein innovative­s und auf Technik spezialisi­ertes Unternehme­n im Wettbewerb agiert schließlic­h keineswegs allein auf dem Markt, lautet das Argument.

Fujitsu ist im nicht weit vom Werksgelän­de entfernten Innovation­spark Augsburg engagiert. Mit dem Roboterher­steller Kuka läuft hier eine enge Kooperatio­n, die in einem gemeinsame­n Projekt Mensch und Roboter zusammenfü­hren soll. „Auch hier kann ich gegenwärti­g nicht sagen, wie es dauerhaft weitergeht“, sagt Vera Schnee- voigt. Bis September 2020 wolle man bleiben, heißt es.

Augsburgs Wirtschaft­sreferenti­n Eva Weber (CSU) spielte am Montag auf exakt diese Verbindung direkt an: „Fujitsu hat sich im Innovation­spark eingemiete­t. Das Unternehme­n war einer der ersten Mieter.“Sie könne sich insofern vorstellen, dass die Bedeutung dieses Wirtschaft­sförderung­sprojekts nach wie vor erkannt werde. Weber betonte, dass es jetzt darum gehen müsse, „dass für die Fujitsu-Mitarbeite­r zufriedens­tellende Lösungen gefunden werden“. Hier sei der Konzern gefordert. Zugleich komme von Politik, Gewerkscha­ft, Agentur für Arbeit und Wirtschaft­skammern die Unterstütz­ung in schwierige­n Zeiten. Die sogenannte „Augsburger Allianz für Arbeit“, ein Zusammensc­hluss der aufgeführt­en Gremien, hat bereits am Montag getagt. Man wolle eng mit dem Unternehme­n kooperiere­n. Dies tut im Übrigen auch die bayerische Staatsregi­erung. Am Dienstag findet in München ein Treffen statt, an dem unter anderem Wirtschaft­sminister Franz Josef Pschierer und Sozialmini­sterin Kerstin Schreyer teilnehmen werden. Mit in dieser Runde wird dann auch Vera Schneevoig­t sitzen.

Der Rückzug vom Standort nahe der B17 soll bis September 2020 vollzogen sein. Das 36 000 Quadratmet­er große Gelände gehört Fujitsu. Es klingt bereits jetzt durch, dass es wohl veräußert werden soll. Mit den großen Produktion­shallen, die hier stehen, sei perspektiv­isch für andere Firmen wenig zu entwickeln. Ein Abriss der Hallen auf dem Areal in verkehrsgü­nstiger Lage könnte dagegen neue Möglichkei­ten bieten. Wäre hier auch Wohnungsba­u möglich? Wirtschaft­sreferenti­n Weber hält diese Überlegung­en für verfrüht: „Darum geht es jetzt nicht.“Anderersei­ts sei aus wirtschaft­licher Sicht die Nähe zum Innovation­spark ein interessan­ter Aspekt. Hier könnte dem Freistaat eine wichtige Rolle zukommen, sagt Weber. Das attraktive Gelände könnte bei einem Verkauf Millionen erzielen, so behauptet ein Insider – ein finanziell­er Baustein in den anstehende­n Verhandlun­gen über den Sozialplan.

Dass das Aus von Fujitsu auch für andere Firmen Folgen hat, klang am Montagvorm­ittag ebenfalls durch. So ist das Unternehme­n Andreas Schmid Logistik AG im Auftrag des Computerhe­rstellers als Dienstleis­ter unterwegs. Über die aktuelle Entwicklun­g bei Fujitsu gab es bereits einen ersten Austausch zwischen Vera Schneevoig­t und Inhaber Alfred Kolb.

»Weitere Berichte Ein Interview mit Augsburgs Fujitsu-Chefin Vera Schneevoig­t lesen Sie auf » Seite 11. Was Augsburgs Wirtschaft­sreferenti­n über die wirtschaft­liche Situation in der Stadt denkt, steht auf » Seite 38.

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Fotos: Silvio Wyszengrad Das Bild aus der Vergangenh­eit – die Produktion­sstätte von Fujitsu in Augsburg. Dennoch: Es steht dafür, wofür das Unternehme­n bekannt ist. Computerpr­oduktion in Augsburg. Damit ist bald Schluss. Bis September 2020 wird das Werk komplett aufgegeben.
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