Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Immer gut für Überraschungen
Die Malerin Johanna Schreiner zeigt im Moritzpunkt, zu welchen Kapriolen der Mensch fähig ist
So ist er, der Mensch: immer gut für Überraschungen, immer ein bisschen verrückt, immer in Bewegung. Denn sonst wäre er erstarrt und tot. Also malt die Künstlerin Johanna Schreiner die Menschen in absurden Verrenkungen und Maskierungen. Ihr Modell ist vorzugsweise ein befreundeter Tänzer, der in einer Performance seine sprühende Fantasie in ihrem Atelier ausleben darf. Und sie malt – ohne Unterbrechung, ohne die Rohrfeder oder den Stift abzusetzen und ohne einen Zensor im Bewusstsein („ich darf an nichts hängen bleiben“).
Diese Arbeitsweise ergibt hingeworfene Skizzen mit einer hohen Dynamik. Nicht schön im üblichen Sinne, aber spontan und voll Feuer. „Ich weiß nie, welche Geschichte er erzählen wird und welche Kostüme er anzieht“, sagt sie über ihren Tänzer. Er sei ständig in Bewegung und verwandelt sich andauernd, mal in einen bestimmten Menschentypen und mal in ein Tier. Als Malerin muss sie bei dieser Performance gerade schauen, dass ihre Bildschöpfungen dem Modell folgen können. „Überall liegen am Ende Blätter herum. Erst hernach suche ich aus, was ich weiter bearbeiten will.“Und manchmal schaue sie ihm nur zu …
Im Moritzpunkt der katholischen Cityseelsorge in der Maximilianstraße stellt sie eine Reihe ihrer Blätter aus. „Schau, der Mensch“lautet der Titel. Mag er auch nach dem EcceHomo-Wort des Pilatus klingen, hat er doch wenig mit dem Schmerzensmann zu tun, wohl aber mit einer (künstlerischen) Passion für den Menschen. Die Ausstellung gehört zum Festprogramm „ein jahr tausend“. Sie wurde speziell juriert auf das Thema hin: Der Mensch in Begegnung zueinander, erklärt Kunstreferent Michael Grau.
Tatsächlich springen dem Betrachter die Figurinen der Künstlerin entgegen, sie stellen sich zur Schau, sie entäußern und verwandeln sich. Es bildet sich in diesen spontanen Schöpfungen mehr ab als die Person; auch die Stimmung im Raum, der Rhythmus des Tanzes sind in der Linienführung wiederzuerkennen. Johanna Schreiner erzeugt darin eine hohe Präsenz. Spärlich akzentuiert sie nachträglich die Bewegungen und Konstellationen mit einer Aquarell-Kolorierung.
Sie kann aber auch großflächig in Farbe malen, wovon ein Acrylbild im Moritzpunkt zeugt. Eine tiefe, innere Beziehung zweier Menschen wird darin sichtbar, Trost und Zuflucht, Verständnis und Annahme. Eine nackte Gestalt birgt sich in der herabgebeugten, offenen Haltung einer anderen. Johanna Schreiner stellt die intime Szene unter einen türkisblauen Himmel: eine ortlose, kühle Welt, womit die warmen Rosa- und Ocker-Töne der Menschen kontrastieren.
Ihre künstlerische Formung hat Johanna Schreiner bei Rainer Kaiser und Markus Lüpertz erfahren. Sogar in seine „Meisterklasse“nahm sie Lüpertz auf, was derzeit eine Kollektivausstellung bei der Regierung von Oberbayern in München (bis 16. Januar) dokumentiert. Moritzpunkt, Maximilianstr. 28, Laufzeit bis 25. Januar 2019, Mo. bis Fr. 11– 18 Uhr, Sa. 11–15 Uhr. Im Rahmen der Offenen Ateliers im Kulturpark West (Sommestraße) ist am 10./11. November auch Johanna Schreiners Atelier zu besuchen (Sa. 14–20 Uhr, So. 12–18 Uhr). Internet: http://johanna-schreiner.de