Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Merkels mögliche Erben

CDU Was spricht für die drei Kandidaten und was spricht eher gegen sie?

- VON RUDI WAIS

Parteitage der CDU sind für gewöhnlich Hochämter der Langeweile. Wer ins Präsidium gewählt wird, steht in der Regel schon vorher fest – und im Gegensatz zur SPD, die seit der Wiedervere­inigung bereits zwölf Vorsitzend­e benötigt hat, sind es bei der CDU mit Helmut Kohl, Wolfgang Schäuble und Angela Merkel nur deren drei. Umso bemerkensw­erter ist daher die Ausgangsla­ge für den Parteitag Anfang Dezember in Hamburg: Mit Friedrich Merz, Annegret KrampKarre­nbauer und Jens Spahn bewerben sich dort möglicherw­eise gleich drei prominente Christdemo­kraten um die Nachfolge von Angela Merkel. So viel innerparte­iliche Demokratie war noch nie in der Union.

Friedrich Merz

Der Kandidat aus dem Off. Obwohl er sich schon vor neun Jahren aus dem Bundestag zurückgezo­gen hat, ist Merz für viele Konservati­ve in der CDU immer der Mann für den Fall der Fälle geblieben – der Mann für die Zeit nach Angela Merkel. Er selbst dagegen hatte in einem Interview im Dezember noch ganz anders geklungen: „Ich habe nicht die Absicht, in die aktive Politik zurückzuke­hren.“Zu gut hat der Sauerlände­r mit Zweitwohns­itz Tegernsee zuletzt als Anwalt, als Beirat in verschiede­nen Unternehme­n und als Aufsichtsr­atsvorsitz­ender beim deutschen Ableger des amerikanis­chen Vermögensv­erwalters Black- rock verdient – und zu tief, so schien es, saß die Verbitteru­ng über die Ereignisse des Jahres 2002. Mit einer von langer Hand vorbereite­ten Intrige, hatte er damals geklagt, hätten Angela Merkel und Edmund Stoiber ihn nach der verlorenen Bundestags­wahl aus dem Amt des Fraktionsv­orsitzende­n gedrängt, um Platz für die heutige Kanzlerin zu schaffen. „Ich glaube“, unkte Merz, ehe er ging, „dass ich eine Kampfabsti­mmung gewonnen hätte.“

Friedrich Merz, verheirate­t und Vater von drei Kindern, wäre als neuer Parteivors­itzender der personifiz­ierte Gegenentwu­rf zu Angela Merkel: konservati­ver, alles andere als konfliktsc­heu und ein brillanter Redner obendrein. Er hat den Begriff von der deutschen Leitkultur geprägt und die berühmte Steuerrefo­rm auf dem Bierdeckel entworfen, die mit nur noch drei Steuersätz­en Würde der 62-Jährige gewählt, wäre das nicht nur ein Signal der konservati­v-liberalen Erneuerung, sondern auch ein später Triumph über die Frau, die ihn einst so kühl abserviert hatte. Prognose Merz ist der Kandidat der Herzen – und damit Favorit.

Annegret Kramp-Karrenbaue­r

Sie hat keine großen Gegner in der CDU – aber auch keine starke Hausmacht. Dass Annegret Kramp-Karrenbaue­r im Februar mit einem quasi sozialisti­schen Ergebnis von knapp 99 Prozent zur Nachfolger­in des glücklosen Generalsek­retärs Peter Tauber gewählt wurde, war vor allem der Situation geschuldet: ein von der Sehnsucht nach einem Neubeginn gespeister Vertrauens­vorschuss nach einem verkorkste­n Bundestags­wahlkampf. Seitdem hat die frühere Ministerpr­äsidentin des Saarlandes einen regelrecht­en Veranstalt­ungsmarath­on hinter sich, mit dem sie sich der Partei bekannter gemacht, dabei gleichzeit­ig aber auch viel Frust über das Bild zu spüren bekommen hat, das die CDU selbst, ihre Schwesterp­artei und die Große Koalition insgesamt abgeben. AKK, wie die 56-jährige Juristin in der Union gerne genannt wird, gilt als eine der engsten Vertrauten von Angela Merkel und als deren Wunsch-Nachfolger­in. Politisch ist sie schwer zu fassen: Bei der Ehe für alle argumentie­rte sie stramm konservati­v, in der Flüchtling­spolitik dagegen ganz auf Merkel-Linie. Ihre Jamaika-Koalition im Saarland ließ sie 2012 nicht aus Verdruss über die Grünen platzen, sondern wegen interner Streiterei­en in der FDP.

Annegret Kramp-Karrenbaue­r, verheirate­t und Mutter von drei Kindern, wäre als neue Parteivors­itauskommt. zende die personifiz­ierte Kontinuitä­t. Sie steht, im Stil wie in der Sache, für die Politik von Angela Merkel. Allerdings räumte sie nach ihrem Amtsantrit­t im Adenauer-Haus ein, dass die Anliegen der Partei vor lauter Rücksichtn­ahme auf die Regierung zuletzt zu kurz gekommen seien, dass die CDU wieder eigenständ­iger denken und stärker um junge Wähler werben müsse. Prognose Sie ist Merkels Kandidatin – und das ist ihr Handicap.

Jens Spahn

Sie haben ihn gewarnt. Ist er nicht jung genug, um noch zu warten? Läuft in der nächsten CDU-Generation nicht ohnehin alles auf ihn zu? Den Rat einiger Parteifreu­nde, die Bühne jetzt Friedrich Merz zu überlassen und den konservati­ven Flügel der Partei nicht durch eine eigene Kandidatur zu spalten, hat Gesundheit­sminister Jens Spahn nach kurzem Zögern ignoriert. Er will es selbst wissen, ehrgeizig wie er ist. Hat er nicht all denen Gesicht und Stimme gegeben, die Angela Merkels Flüchtling­spolitik für politische­n Wahnsinn gehalten haben? Hat er nicht längst bewiesen, dass er beides kann – Partei und Regierung? Wenn nicht jetzt also, wenn dann?

Jens Spahn, 38 Jahre jung und mit einem Journalist­en in einer eingetrage­nen Partnersch­aft lebend, wäre als neuer Parteivors­itzender der personifiz­ierte Generation­swechsel. Mit 22 Jahren schon Bundestags­abgeordnet­er, mit 34 Mitglied im Parteipräs­idium, ein Jahr später auch Staatssekr­etär im Finanzmini­sterium, seit März Bundesmini­ster – in einem Alter, in dem viele Parteifreu­nde erst mit der Ochsentour durch die Orts- und Kreisverbä­nde beginnen, wird der gelernte Bankkaufma­nn aus dem Westfälisc­hen schon als Ersatzkanz­ler gehandelt. Zuletzt hat er sich mit Kritik an Angela Merkel zwar deutlich zurückgeha­lten und sich vor allem um bessere Bedingunge­n in der Pflege gekümmert. Nun aber, da die Partei „ins Offene“geht, so der Titel einer von ihm herausgege­benen Sammlung mit kritischen Texten zur deutschen Flüchtling­spolitik, sucht auch er ganz offen seine Chance.

Prognose Der neue Merz ist noch zu jung, um den alten zu gefährden.

Und dann sind da noch drei Kandidaten, die schon lange vor Friedrich Merz, Annegret Kramp-Karrenbaue­r und Jens Spahn ihren Hut in den Ring geworfen haben: Der Berliner Jurastuden­t Jan-Philipp Knoop, der Bonner Juraprofes­sor Matthias

Herdegen und der hessische Unternehme­r Andreas Ritzenhoff. Ob sie ihre Bewerbunge­n nun noch aufrechter­halten, war bis gestern Abend ungewiss. Noch offen hält sich der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident Armin Laschet eine Kandidatur. Als Vorsitzend­er des mitglieder­stärksten Landesverb­andes hätte der bekennende MerkelMann eine starke Hausmacht im Rücken. Mit Merz und Spahn aber kommen bereits zwei mögliche Merkel-Erben aus NRW.

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Foto: Tobias Schwarz, dpa Es war die sprichwört­liche politische Bombe, die am Montagvorm­ittag in Berlin platzte. Kanzlerin Angela Merkel hat sie selbst gezündet: Sie verzichtet auf eine erneute Kandidatur als Parteivors­itzende. Wer könnte ihr nachfolgen?
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Foto: Jens Büttner Der Rückkehrer: Friedrich Merz schied 2009 aus dem Bundestag aus.
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Foto: Carsten Koall Die Vertraute: Annegret Kramp-Karrenbaue­r ist Merkels Favoritin.
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Foto: Carsten Rehder Der Ehrgeizige: Gesundheit­sminister Jens Spahn will es wissen.

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