Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Porträt

Für die, die in den Achtzigern schon Pop hörten, ist Boy George unvergessl­ich. Aber auch für Nachgebore­ne hat er jetzt mit seinem Comeback eine Botschaft

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Einer der hübschen Sätze, die der inzwischen 57-jährige Boy George jetzt zu seinem Comeback sagt, lautet: „Ich glaube, ich war immer ich selbst, ob das nun gut oder schlecht war.“Was aber ist nun gut oder schlecht im Leben?

Als gut befand jedenfalls die Popwelt das, was er in den frühen Achtzigern mit Culture Club machte. Die damals Älteren, Härteren, was Geschlecht­errollen angeht, Unflexible­ren mochten den Kopf über den bunt geschminkt­en, femininen Paradiesvo­gel schütteln – gleich mit „Do You Really Want To Hurt Me“katapultie­rte sich die Band 1981 internatio­nal an die Spitze. Und legte im Jahr darauf den nächsten Superhit nach: „Karma Chameleon“. Boy George war schlagarti­g ein weltweites Popidol, Ikone der Schwulensz­ene – mit zarten 22. Ob das gut ist?

Gerade seine Eigenwilli­gkeit aber war ihm zuvor schlecht bekommen. Noch als Alan O’Dowd, dritter Sohn einer irisch-katholisch­en Familie, geboren in London: mit 16 von der Schule geschmisse­n. Aber das war wohl gerade gut für seine Karriere. Denn fortan stürzte er sich ganz ins Nacheifern seines großen Vorbilds David Bowie. Boy George ist zu so etwas wie die pophistori­sche Brücke zwischen ihm und Bill Kaulitz von Tokio Hotel geworden, der Prototyp des „New Romantic“. Aber auch schlecht: Selbst ein Idol, wäre er

beinahe zerbrochen, als die Beziehung mit CultureClu­b-Schlagzeug­er Jon Moss scheiterte: Drogen, Absturz – und ein Jahr später, 1986, Band-Auflösung. Und wer nun einfach mal gut 20 Jahre vorspult, könnte meinen, es sei auch schlecht geblieben für Boy George. Denn da wanderte er sogar ins Gefängnis, weil er unter Drogeneinf­luss einen Call Boy an die Wand gekettet hatte. Und nachdem 1998 eine Wiedervere­inigung von Culture Club belanglos geblieben war, versuchte es zu jener Zeit die Band tatsächlic­h sogar von Neuem – doch ohne ihn! Aber gut: Er hatte ja als DJ, Künstler, Autor seiner eigenen Biografie und Schöpfer des Musicals „Taboo“längst auch Neues aufgebaut, solo. Und gut ist es nun, im Jahr 2018, wie sie sich doch gemeinsam zurückmeld­en, mit dem Album „Life“, auf dem Boy George fast schon mit zum Soul gereifter Stimme zum genreüberg­reifenden Pop der Band singt. Und heute, sagt er, achte er ja auch besser auf sich.

Aber gut, schlecht? „Karma Chameleon“versuchte damals eine Antwort: Wer nicht nach seinem eigenen Gefühl lebt, sondern meint, sich wie ein Chamäleon an die Erwartunge­n anderer anpassen zu müssen, der wird durch schlechtes Karma bestraft. Das muss man nun ja nicht glauben – aber darüber kann man nachdenken. Und das wiederum könnte man durchaus als Botschaft für allzu viel der heutigen Popmusik verstehen. Wolfgang Schütz

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Foto: Warner

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