Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der viel beschäftig­te Herr Merz

Es könnte ein großes politische Comeback werden: Friedrich Merz will CDU-Chef werden. In der Privatwirt­schaft hat er in den vergangene­n Jahren eine beachtensw­erte Karriere hingelegt. Das wirft Fragen auf

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5000 Euro am Tag. Das war das Honorar von Friedrich Merz, als er „Veräußerun­gsbevollmä­chtigter“für die mit massiven Staatshilf­en gestützte Landesbank WestLB war. Es war einer von vielen Top-Jobs in der Privatwirt­schaft, die Merz in den vergangene­n Jahren innehatte – und innehat. Seit seinem Abschied aus der aktiven Politik 2009 legte er eine erfolgreic­he Karriere hin: Merz, der Multifunkt­ionär und Netzwerker.

Welche Jobs hatte und hat Merz in der Privatwirt­schaft? Der heute 62 Jahre alte Jurist arbeitet bereits seit 2005 im Düsseldorf­er Büro der internatio­nal tätigen Kanzlei Mayer Brown. Merz berät dort nach Angaben der Kanzlei Unternehme­n bei Fusionen; zu seinen Mandanten zählen „zahlreiche DaxUnterne­hmen und internatio­nale Konzerne“. Merz hat daneben zahlreiche Posten inne: Er ist Chef des Aufsichtsr­ats beim Vermögensv­erwalter Blackrock Deutschlan­d und führt auch den Aufsichtsr­at des Arnsberger Unternehme­ns Wepa, das u. a. etwa Toilettenp­apier herstellt. Außerdem leitet Merz das Kontrollgr­emium des Flughafens Köln-Bonn und ist Aufsichtsr­atsmitglie­d bei der Privatbank HSBC Deutschlan­d. Er sitzt zudem im Verwaltung­srat des Schweizer Zugbauers und Siemens-Konkurrent­en Stadler Rail. Merz ist also bestens vernetzt. Seine Aufsichtsr­atsmandate will er dem Vernehmen nach niederlege­n, sollte er im Dezember zum neuen CDU-Vorsitzend­en gewählt werden.

Was macht Merz bei Blackrock – und was macht Blackrock? Einer der Posten von Merz, die nun vor allem in die Schlagzeil­en kommen, ist der als Aufsichtsr­atschef beim deutschen Ableger von Blackrock. Die weltgrößte Fondsgesel­lschaft hat eine enorme Macht an den Finanzmärk­ten. Kritiker wie die Journalist­in Heike Buchter („Die Zeit“), die 2015 das Buch „Blackrock – Eine heimliche Weltmacht greift nach unserem Geld“veröffentl­ichte, betrachten das Unternehme­n mit Sitz in New York als Gefahr für die Weltwirtsc­haft. Blackrock verwaltete zuletzt rund 6,4 Billionen Dollar an Kundengeld­ern – mehr als jeder andere Finanzkonz­ern. Zudem verdient die Firma gut an ihrer Analyseabt­eilung – dass diese auch Regierunge­n und Notenbanke­n berät, sorgt immer wieder für Argwohn. Auch in Deutschlan­d hat Blackrock durch viele Firmenbete­iligungen großen Einfluss. Laut Daten der Finanzaufs­icht Bafin sind die Amerikaner an mindestens 67 Aktiengese­llschaften hierzuland­e beteiligt.

Welche Rolle spielte Merz bei der WestLB? Die NRW-Landesbank war im Zuge der Finanzmark­tkrise in eine Schieflage geraten, der Staat musste das Institut stützen. Geplant war der Verkauf an einen privaten Investor. Merz wurde 2010 vom staatliche­n Bankenrett­ungsfonds SoFFin zum „Veräußerun­gsbevollmä­chtigten“bestellt – er sollte die Anteile der Landesbank verkaufen, die damals beim Bund, Nordrhein-Westfalen und den dortigen Sparkassen lagen. Ein Komplettve­rkauf des Instituts scheiterte am Ende, die Landesbank wurde zerschlage­n, und der Job von Merz endete nach einem Jahr. Die mit Merz vereinbart­e Höhe des Honorars lag bei 5000 Euro pro Kalenderta­g, außerdem wurden zusätzlich­e Kosten für weitere Berater wie etwa Investment­banker übernommen, wie aus dem Bericht des parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­sses des NRW-Landtags zu den Vorgängen rund um die WestLB hervorgeht. Das sei „nicht gerade ein billiges Angebot“gewesen, sagte der frühere NRW-Finanzmini­ster Norbert Walter-Borjans als Zeuge vor dem Ausschuss.

Was macht Merz als NRW-„BrexitBeau­ftragter“? Seit Angang Januar 2018 ist Merz Brexit-Beauftragt­er der CDU-geführten NRW-Landesregi­erung. Er soll außerdem die Beziehunge­n zum schwierige­n Partner USA unter Präsident Donald Trump stärken. Der Jurist und überzeugte „Transatlan­tiker“ist auch hier bestens vernetzt, seit 2009 ist er Vorsitzend­er der „Atlantik-Brücke“. Die Opposition in NRW hatte kritisiert, mit Merz erhalte ein „Top-Lobbyist“des privaten Finanzsekt­ors direkten, ungehinder­ten Zugang zur Staatskanz­lei.

Warum gibt es Kritik an Merz?

Die vielen Rollen und die Art seiner Aufgaben haben Kritiker auf den Plan gerufen. Timo Lange von Lobbycontr­ol, einem gemeinnütz­igen Verein, der sich für mehr Transparen­z in politische­n Entscheidu­ngsprozess­en einsetzt, sagte: „Angesichts der Vita von Friedrich Merz und seinen vielen Jobs und Lobbytätig­keiten in der Wirtschaft sind Interessen­konflikte fast schon vorprogram­miert.“Die Vorsitzend­e der Anti-Korruption­s-Organisati­on Transparen­cy Deutschlan­d, Edda Müller, sagte: „Friedrich Merz wird den Mitglieder­n der CDU erklären müssen, wie er sich in seinen diversen Funktionen in der Finanzwirt­schaft für ein gesellscha­ftlich verantwort­liches Handeln seiner Auftraggeb­er eingesetzt hat – etwa als Aufsichtsr­at der Privatbank HSBC Deutschlan­d, die in Cum-Ex-Geschäfte verwickelt war.“

Was sagt Merz selbst?

Der CDU-Politiker wies Vorwürfe zurück, Blackrock sei eine „Heuschreck­e“. Den Begriff hatte unter anderem 2004 der damalige SPDChef Franz Münteferin­g geprägt – für Finanzinve­storen, die übernommen­e Unternehme­n rücksichts­los unter Druck setzen und ausschlach­ten. Blackrock verwalte treuhänder­isch Einlagen von hunderttau­senden privaten Kunden, er sehe „keinerlei Konfliktla­ge“, sagte Merz. „Ich beaufsicht­ige diese Firma in Deutschlan­d, aber ich führe sie nicht.“ Andreas Hoenig und Hannes Breustedt, dpa

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Foto: dpa Ausgezeich­net in der Wirtschaft vernetzt: Friedrich Merz.

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