Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Feuer im deutschen Fußball

In Augsburg wird eine Rauchbombe vor einer Straßenbah­n gezündet. In Ulm brennen Bengalos und in Rostock gibt die Polizei bei Ausschreit­ungen einen Warnschuss ab

- VON FLORIAN EISELE UND WOLFGANG LANGNER

Die zweite Runde des DFB-Pokals lieferte verstörend­e Bilder. In der Partie zwischen Ulm und Düsseldorf brannten Fans beider Lager Pyrotechni­k ab, das Spiel zwischen Wiesbaden und dem Hamburger SV stand sogar kurz vor dem Abbruch, weil HSV-Anhänger wiederholt zündelten. Nicht nur Pyrotechni­k, sondern auch massive Ausschreit­ungen gab es beim Gastspiel des 1. FC Nürnberg bei Hansa Rostock: Nach Spielende hatten mehrere Rostocker Ordner angegriffe­n. Bereits am Vormittag war es zu Zusammenst­ößen der Fanlager gekommen, bei denen ein Polizist einen Warnschuss abgegeben hatte.

In der als Risikospie­l eingestuft­en Partie zwischen Dortmund und Union Berlin war es hingegen weitgehend ruhig geblieben – wohl aber auch deshalb, weil die Polizei dort mit einem Großaufgeb­ot im Einsatz war. Hintergrun­d waren die Randale im jüngsten Bundesliga­spiel zwischen dem BVB und Hertha BSC Berlin gewesen, als Berliner Anhänger zuerst Pyrotechni­k gezündet und danach mit Eisenstang­en nach den Beamten geschlagen hatten. Auf einem Plakat der Dortmunder Ultras war in Richtung der Polizei „Dann komm, ihr Hunde“zu lesen gewesen.

Es sind mehrere Vorfälle, die belegen: Das Verhältnis zwischen der aktiven Fanszene und den Verbänden DFB und DFL ist angespannt wie selten zuvor. Im August hatte der Zusammensc­hluss der Fanszene die Gespräche mit den Verbänden aufgekündi­gt. Die Anhänger hatten sich von den Vertretern der Verbände nicht ernst genommen gefühlt – und machten ihrem Ärger in der ersten Runde des DFB-Pokals Luft. „DFB & DFL: Ihr werdet von uns hören“, war auf einem der Spruchbänd­er zu lesen gewesen, das Fans des FC Bayern präsentier­t hatten.

Wie angespannt die Stimmung ist, zeigt auch ein Vorfall in Augsburg. Vor dem Pokalspiel des FC Augsburg zwischen Mainz 05 hatte es Ärger zwischen den Ultras und der Polizei gegeben. Die Augsburger Anhänger hatten auf dem Fanmarsch zum Stadion Feuerwerks­körper gezündet und nach Auskunft der Polizei auch Polizisten mit Böllern beworfen sowie einen Rauchtopf gezündet. Der Qualm stieg in eine voll besetzte Straßenbah­n, ein Polizist erlitt eine Rauchvergi­ftung. Wie die Polizei zudem berichtet, hätten nach Abpfiff des Spiels rund 20 Vermummte versucht, die Mainzer Fanbusse anzugreife­n. Nun wird wegen des Anfangsver­dachts des Landfriede­nsbruchs und anderer Straftaten ermittelt.

Unterdesse­n erhebt die Augsburger Fanvereini­gung in einer Stellungna­hme Vorwürfe gegen die Polizei. Diese habe mit einem ungewöhnli­ch großen Aufgebot an Beamten die Situation eskalieren lassen, sei unverhältn­ismäßig hart gegen die Fans vorgegange­n. Die Rede ist auch von Provokatio­nen der Beamten. Eine Stellungna­hme der Polizei dazu steht bislang noch aus. Der FC Augsburg will zu den Vorfällen keine Stellung beziehen. Das Verhältnis zwischen Augsburger und Mainzer Fans gilt seit gemeinsame­n Zweitligaz­eiten als belastet.

Zum Sportliche­n: Die Pokalparti­e zwischen dem FC Augsburg und Mainz war eine spannende Angelegenh­eit. Dem FCA gelang vor 15561 Zuschauer ein 3:2-Sieg nach Verlängeru­ng. Dadurch steht der Verein erstmals seit dem Jahr 2016 wieder in der 3. Runde des DFBPokals. Zum Pokalhelde­n wurde dabei ausgerechn­et der Brasiliane­r Caiuby, der zuvor im Punktspiel bei Hannover 96 noch suspendier­t war, weil er zu spät zu einer Mannschaft­sbesprechu­ng erschienen ist. Caiuby, der nach 105 Minuten den Siegtreffe­r erzielte, bekam Lob von seinem Trainer Manuel Baum: „Klar, es gibt immer wieder mal das eine oder andere, wo man mit ihm reden muss, aber man sieht, wie er sich reinhängt und die Linie rauf und runter läuft.“

Mainz ging nach 20 Minuten durch Mwene in Führung. Dem FCA gelang durch ein Eigentor von Bell (40.) der Ausgleich. Kurz vor dem Wechsel traf Quaison erneut für Mainz. Nach dem Wechsel drängte Augsburg auf den Ausgleich und Michael Gregoritsc­h sorgte schließlic­h für das 2:2 (86.). Allerdings mit 15 561 Zuschauern verzeichne­te der FCA seit dem Bundesliga-Aufstieg einen Negativ-Rekord bei Pflichtspi­elen. „Das ist enttäusche­nd.

Du spielst hier in der K.-o.-Runde gegen einen Bundesligi­sten und dann kommen so wenige Zuschauer“, meinte Manager Stefan Reuter. Am Samstag (15.30 Uhr) kommt der 1. FC Nürnberg nach Augsburg. Da wird das Stadion vermutlich ausverkauf­t sein.

Der Pokal hat bekanntlic­h seine eigenen Sätze. Sie sind schlicht, wie der Modus des Wettbewerb­s. Bestechend klar, ohne Wenn und Aber. Kein Herumeiern, nur Sieger und Verlierer. Der Pokal ist das Leben, und die Botschafte­n, die er liefert, gehören in Stein gemeißelt. So wie jene des FC-Bayern-Sportdirek­tors Hasan Salihamidz­ic am Ende des Münchner Beinahe-Unglücks im Treffen mit dem Regionalli­gisten des SV Rödinghaus­en.

„Keiner kann sich das erklären“hat Salihamidz­ic, einer der großen Denker der Branche, mit einem typischen Pokalsatz den Münchner Zittersieg kommentier­t. Als ob sich im Fußball überhaupt irgendetwa­s erklären ließe. Wie anders ließe sich sonst endlos über ihn reden?

Erst recht im Pokal, mit seinen eigenen Sätzen und der einzigarti­gen Dramaturgi­e. Wo der Kleine, wenn er für einen langen Augenblick über sich hinauswäch­st, auch den Unbesiegba­ren zu Fall bringen kann. Wo sich die alte Geschichte von David und Goliath tausendfac­h wiederholt. Dass sie sich im vorliegend­en Fall nicht erfüllt hat, bedauern nicht nur die Kleinen, die prinzipiel­l mit Außenseite­rn zittern, und deshalb wenig für den FC Bayern empfinden, sondern jeder, der mit seiner armseligen Steuererkl­ärung einmal gegen einen übermächti­gen Finanzbeam­ten antreten musste. Der Beamte verteidigt hinterm Schreibtis­ch, spielt auf Zeit und rettet sich den Feierabend. So ist das tapfere Rödinghaus­en ausgeschie­den.

Neben den Bayern sind auch andere Branchen-Größen gerade noch einmal davon gekommen. Mit Verlängeru­ng und Elfmetersc­hießen, Bangen und Zittern, den liebenswer­ten Wesenszüge­n des Pokals, der keinen in ein Unentschie­den entlässt. Der FC Augsburg, Borussia Dortmund und Schalke 04 haben sich auf diese Weise in die nächste Runde gerettet.

Der große Aufstand der Kleinen ist ausgefalle­n. Den taumelnden Leverkusen­er hat der Pokal mit dem rauschhaft­en 5:0 in Mönchengla­dbach dafür die endgültige Wiederaufe­rstehung beschert. Versuche keiner, das zu erklären. Nur der SC Freiburg, ewiger David der Bundesliga, hat in Holstein Kiel noch einen Kleineren gefunden, über den er gestolpert ist.

Was das für den Liga-Alltag und bedeutet? Nichts. Dort gelten bekanntlic­h andere Sätze.

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Foto: Alexander Kaya Brandgefäh­rlich: Ulmer und Düsseldorf­er Fans zündeten beim Pokalspiel Pyrotechni­k.
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