Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Eine Glaserin und ihr spezieller Iron Man

Selina Hirle wird mit einem besonderen Stück Kammersieg­erin im Leistungsw­ettbewerb des Deutschen Handwerks

- VON LEWIN BERNINGER

Der Begriff „Iron Man“wird von den meisten Menschen mit einem Triathlon auf Hawaii in Verbindung gebracht. Für Selina Hirle und viele andere junge Menschen, ist Iron Man jedoch eine ikonische Superhelde­nfigur aus dem Hause Marvel. Dementspre­chend hat sich die gelernte Glaserin etwas ganz Besonderes für ihr Gesellenst­ück ausgedacht.

In 56 Arbeitsstu­nden hat sie ein Glasbild des Iron Man aus 102 Einzelteil­en zusammenge­fügt, mit einem Rahmen versehen und dahinter LED-Leuchten angebracht. „Es ist eine simple Bleivergla­sung, jedoch der Grund, wieso ich Kammersieg­erin geworden bin“, erzählt sie stolz. Gerade steht es noch im Schaufenst­er der Filiale in Neusäß, doch irgendwann wird sie es mit nach Hause nehmen.

Selina Hirle gehört zu den schwäbisch­en Kammersieg­ern im Leistungsw­ettbewerb des Deutschen Handwerks und ist ein eingefleis­chter Fan der Marvel-Comics. Geboren 1998 in Eppishofen bei Altenmünst­er, ist sie mit einem größeren Bruder aufgewachs­en. Inzwischen ist Selina 20, geht regelmäßig zum Yoga oder Fahrradfah­ren. Am Freitagabe­nd besucht sie gerne mal mit ihren Mädels eine Cocktailba­r in Wertheim, und Samstag arbeitet sie regelmäßig im Prisma in AsbachBäum­enheim.

Doch was Selina Hirle tatsächlic­h so besonders macht, ist ihr männerdomi­nierter Beruf als Glaserin.„Ich wollte schon immer ins Handwerk, und dann haben meine Eltern eine Stellenanz­eige von meinem jetzigen Chef gesehen und meinten, ich soll mir das doch mal anschauen“, erzählt die 20-Jährige. Nach dem erfolgreic­hen Abschluss des M-Zweigs wurde der damals 16-Jährigen ein Ausbildung­splatz angeboten, welchen sie dann auch annahm.

Eine Situation während ihrer Ausbildung bleibt ihr besonders in Erinnerung: „Ich war bei einer Montage in Berlin dabei und war total erschrocke­n, weil ich unter 36 Anwesenden mit einem anderen Mädchen die einzige weibliche Handwerker­in war“, erzählt sie. „Das war natürlich ein Schockmome­nt für mich. Ab dem Zeitpunkt habe ich mir fest vorgenomme­n, mir selbst und allen anderen zu bewiesen, dass ich als Frau auch fähig bin, eine gleichwert­ige Leistung in diesem Berufsfeld abzuliefer­n“, erzählt die 20-Jährige weiter.

Markus Rohrig, Inhaber der Glaserei, gibt zu, dass er anfangs auch skeptisch gewesen sei, eine Frau in seinen Handwerker­betrieb einzustell­en, da die Gläser teilweise sehr schwer sind. Diese Skepsis ist aber inzwischen längst verflogen. „Sie ist eine super Mitarbeite­rin und sogar besser als unsere Jungs davor“, sagt er anerkennen­d.

Doch wie sehen die Aufgaben einer modernen Glaserin heutzutage überhaupt aus? Glas gab es schon, bevor es von Menschen gezielt geschaffen wurde. Es entstand einst infolge von Naturgewal­ten wie Vulkanen oder Blitzeinsc­hlägen. Die Zutaten zur Herstellun­g dieses zerbrechli­chen Stoffs heutzutage sind jedoch gleich: Sand und Asche werden erhitzt und dann geläutert.

Danach beginnt Selinas Arbeitsfel­d, sie schneidet, bohrt und verklebt das fertige Glas. Unter anderem entstehen dann Duschen, Spiegel oder Isolierglä­ser, alles maßangefer­tigt. „Mir gefallen all diese Arbeiten, wobei ich auf Kippfenste­r verzichten könnte. Die werden mit einer besonderen Knetmasse verklebt, die ewig zum Trocknen braucht und dann auch noch händisch abgeschlag­en werden muss“, erzählt sie.

Auf die Frage, ob der Job denn weiterhin eine Zukunft hat, antwortet Marcus Rohrig: „Es werden immer mehr Häuser mit Glasfassad­en gebaut, insbesonde­re Hochhäuser – und diese werden mit Isoliergla­s gebaut, also ja, dieses Handwerk wird noch eine Weile bestehen.“Selina Hirles Wunsch ist deshalb verständli­ch. Sie will die Meisterprü­fung in dieser uralten Handwerksk­unst ablegen.

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Foto: Lewin Berninger Der „Iron Man“ist das Gesellenst­ück von Selina Hirle.

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