Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wenn Seehofer gehen muss, bleibt nur noch Söder als CSU-Chef

Die Partei steckt nach der Wahlpleite in Bayern in einem Dilemma. Sie will ihren Vorsitzend­en loswerden, dabei aber keinen weiteren Schaden nehmen

- VON ULI BACHMEIER jub@augsburger-allgemeine.de

Die CSU wird noch in diesem Jahr einen neuen Vorsitzend­en bekommen, und der wird Markus Söder heißen – so pfeifen es in München die Spatzen von den Dächern. Die Frage ist nur: Wissen die Spatzen tatsächlic­h Bescheid oder wurde ihnen da von interessie­rter Seite einfach nur ein Lied ins Ohr gesetzt?

Die Wahrschein­lichkeit, dass es so kommt wie vorhergesa­gt, ist tatsächlic­h hoch. Der Überdruss an Parteichef Horst Seehofer ist groß in der CSU. Drei Wahlpleite­n in Serie – Europa 2014, Bund 2017, Bayern 2018 – machen in den Augen vieler Parteigran­den einen Wechsel an der Spitze unausweich­lich. Zudem wird Seehofer angekreide­t, dass er seinem Nachfolger nach seinem Abgang als Ministerpr­äsident im Frühjahr durch fortgesetz­t praktizier­ten Eigensinn einen Neustart in Bayern vermasselt habe. Erst der neu entflammte Streit mit Merkel in diesem Sommer, dann das Spektakel mit Rücktritts­drohung und Rücktritt vom Rücktritt und schließlic­h das Gezerre im Fall Maaßen – all das hat dazu geführt, dass Seehofer in der Partei nicht mehr als Zugpferd, sondern als Klotz am Bein gesehen wird.

Doch diejenigen, die ihn lieber heute als morgen als Parteichef abgelöst sehen wollen, haben zwei Probleme: Seehofer ist bis Herbst 2019 als Parteichef gewählt und er ist nicht der Mann, der sich ohne Gegenwehr aufs Altenteil schicken lässt. Auch er hat ein ganzes Bündel von Argumenten, warum die CSU von den Wählern abgestraft wurde – aber die haben allesamt nichts mit ihm zu tun. Eine offene Aussprache in der Partei über die Ursachen für den Verlust der absoluten Mehrheit im Landtag könnte somit in einen heftigen Schlagabta­usch münden, der der CSU nur noch größeren Schaden zufügt.

Bisher ist es den widerstrei­tenden Kräften in der CSU-Spitze gelungen, ein Stillhalte­abkommen zu vereinbare­n. Erst soll in Bayern eine Koalition mit den Freien Wählern geschmiede­t werden. Sie wird sehr wahrschein­lich schon diesen Sonntag unter Dach und Fach gebracht sein. Dann soll die Partei kommende Woche in größtmögli­cher Geschlosse­nheit die Kandidatur des CSU-Europapoli­tikers Manfred Weber für das Amt des EU-Kommission­spräsident­en unterstütz­en. Erst wenn Weber als Kandidat der konservati­ven EVP nominiert ist, soll in der CSU die Frage nach möglichen Konsequenz­en aus dem Desaster bei der Landtagswa­hl in Bayern auf den Tisch kommen.

Die vielen Gegner Seehofers setzen offenkundi­g darauf, ihn bis zu einem möglichen Sonderpart­eitag Anfang Dezember mürbe zu machen und zu einem freiwillig­en Rückzug zu bewegen. Die Meldung, Söder stehe als Nachfolger bereit, ist in diesen Zusammenha­ng einzuordne­n. Den Verdacht, dass er selbst dahinterst­eckt, darf man zwar haben. Belastbare Hinweise dafür gibt es aber nicht. Im Gegenteil. Söder hat bisher – und zwar vor und nach der Landtagswa­hl – konsequent bekundet, er habe kein Interesse, Parteichef zu werden. Nach der Wahlpleite hat er auch kaum ein Argument dafür, sich als Hoffnungst­räger zu präsentier­en. Außerdem fremdelt er bis heute mit dem Berliner Parkett, auf dem er sich als Parteichef zu bewähren hätte. Und bei der Europawahl im kommenden Jahr droht obendrein die nächste Pleite.

Dennoch könnte, wenn Seehofer sich nicht mehr halten kann, am Ende alles auf Söder zulaufen. Die CSU hat sonst niemanden. Der konservati­ve Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt ist in der Partei nicht mehrheitsf­ähig. Der liberale Manfred Weber kann kaum zugleich Parteichef und EU-Kommission­spräsident sein. Zudem will sich die Partei eine Richtungsd­ebatte ersparen. Somit bliebe zum Schluss nur Söder übrig.

Dobrindt und Weber scheiden als Nachfolger aus

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany