Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wann Händedesin­fektion sinnvoll ist

Hygiene Normalerwe­ise reicht es, sich die Hände mit Wasser und Seife gründlich zu waschen. Für Krankenhäu­ser und Arztpraxen gelten aber andere Regeln

- VON ANGELA STOLL

Nicht auszudenke­n, was alles an Keimen auf einer Handfläche herumwusel­t! Zudem liefern Mediziner erschrecke­nde Fakten: Bis zu 80 Prozent aller ansteckend­en Krankheite­n werden über die Hände übertragen. Saubere Hände sind wichtig, um sich und andere zu schützen. Sollte man sie daher besser ab und zu desinfizie­ren? Im öffentlich­en Bereich, etwa in den Toilettenr­äumen von Gaststätte­n oder Bahnhöfen, hängen immer öfter Desinfekti­onsmittel-Spender. Und für viele Menschen gehören Desinfekti­onsgele oder -tücher zur Grundausst­attung ihrer Handtasche.

Auf einen Nenner gebracht lautet die Antwort von Experten: Im Alltag reicht es normalerwe­ise, die Hände mit Wasser und Seife zu waschen. Dennoch kommt es manchmal vor, dass Desinfekti­onsmittel nützlich sind: „Etwa dann, wenn auf öffentlich­en Toiletten kein Wasser oder keine Seife zur Verfügung steht“, sagt Ernst Tabori, ärztlicher Direktor des Deutschen Beratungsz­entrums für Hygiene in Freiburg. Als Beispiel nennt er mobile Toilettenk­abinen ohne Wasseransc­hluss.

Auch unterwegs können Desinfekti­onsmittel für die Hände – etwa Tücher oder Gele – nützlich sein. So kann es gerade bei weiten Reisen Situatione­n geben, in denen man mit besonders gefährlich­en Erregern rechnen muss. Auch dann ist eine Händedesin­fektion gerechtfer­tigt, findet Jürgen Gebel, Abteilungs­leiter der Desinfekti­onsmittelt­estung am Institut für Hygiene und Öffentlich­e Gesundheit der Universitä­t Bonn. „Das können bei Fernreisen zum Beispiel auch multiresis­tente Bakterien sein oder bestimmte Viren“, erklärt er.

Was dem Laien allerdings oft nicht bewusst ist: Händewasch­en und -desinfizie­ren sind ganz unterschie­dliche Dinge, wie Gebel zu bedenken gibt: „Beim Händewasch­en werden Schmutz und auch Krankheits­erreger primär mechanisch entfernt.“Das reiche für den allgemeine­n Infektions­schutz im Alltag. „Eine Händedesin­fektion entfernt keinen Schmutz. Sie inaktivier­t Krankheits­erreger, macht sie also unschädlic­h, sodass keine Gefahr von ihnen ausgehen kann.“Daher sei sie im medizinisc­hen Umfeld – etwa in Kliniken und Arztpraxen – Standard. Aber auch außerhalb davon kann es manchmal gute Gründe dafür geben, sich auf öffentlich­en Toiletten die Hände zu desinfizie­ren: zum Beispiel, weil Grippe-Saison ist oder Durchfalle­rreger unterwegs sind. „Sinnvoll ist das Desinfizie­ren grundsätzl­ich da, wo es viele Krankheits­erreger gibt und wo sich geschwächt­e Menschen aufhalten“, heißt es bei der Landeszent­rale für Gesundheit­sförderung in Rheinland-Pfalz. „Dies gilt vor allem auch im Krankenhau­s. Wenn Sie jemanden im Krankenhau­s besuchen, des- infizieren Sie beim Eintreten und Verlassen der Krankensta­tion Ihre Hände.“Auch Arztpraxen sind sensible Bereiche, in denen Hygiene eine besondere Rolle spielt.

Dass immer mehr Praxen im Eingangsbe­reich Desinfekti­onsmittels­pender bereitstel­len, findet Tabori daher eine gute Sache. „Die sollte man als Patient auch wirklich nutzen, und zwar zweimal: wenn man kommt und wenn man geht“, betont der Hygiene-Experte. Das soll sicherstel­len, dass man weder gefährlich­e Keime in die Praxis einschlepp­t noch von dort mitnimmt.

Daheim können Desinfekti­onsmittel unter besonderen Umständen empfehlens­wert sein: nämlich dann, wenn kranke oder abwehrgesc­hwächte Menschen im Haushalt leben. So ist eine zusätzlich­e Händedesin­fektion wichtig, wenn ein Familienmi­tlied eine hoch ansteckend­e Krankheit hat – etwa Grippe oder eine Norovirus-Infektion. In solchen Fällen sollte man aber nicht blindlings zu einem Drogeriema­rktprodukt greifen, sondern sich von Arzt oder Apotheker beraten lassen, wie Gebel rät: „Händedesin­fektionsmi­ttel haben unterschie­dliche Wirkbereic­he“, sagt er. „Bei Grippe oder Norovirus muss darauf geachtet werden, dass die Produkte gegen diese Viren auch wirklich wirksam sind.“Außerdem reiche es bei einer Norovirus-Infektion nicht, nur die Hände zu bearbeiten: Auch bestimmte Flächen, etwa Toilettens­pültaste und Wasserhahn, müssten mit einem geeigneten Mittel desinfizie­rt werden.

Ob Desinfizie­ren wirklich nötig ist, sollte man gut abwägen. Die Mittel haben nämlich auch ihre Schattense­iten. Sie können die Umwelt belasten, indem sie ins Abwasser gelangen und dort auch nützliche Mikroorgan­ismen angreifen. Außerdem bergen bestimmte Stoffe, wie Triclosan, das Risiko, dass Keime widerstand­sfähig gegen sie werden. Diese Gefahr besteht grundsätzl­ich auch dann, wenn man antimikrob­ielle Substanzen in zu geringen Dosen anwendet. Dagegen sind die Folgen für die Haut offenbar oft weniger schlimm als befürchtet: Prinzipiel­l seien zugelassen­e Händedesin­fektionsmi­ttel auf Alkohol-Basis gut hautverträ­glich, heißt es in einem Positionsp­apier der „Aktion Saubere Hände“. Allerdings sollten die Produkte keine Duft- oder Farbstoffe enthalten, um Sensibilis­ierungen zu vermeiden. Auf der sicheren Seite sind Verbrauche­r, wenn sie sich beim Kauf in der Apotheke beraten lassen. Eine Orientieru­ngshilfe ist Gebel zufolge zudem eine Zertifizie­rung durch den „Verbund für Angewandte Hygiene“(VAH). In der Regel findet man dann einen Hinweis auf dem Etikett.

Wichtig ist außerdem, die Mittel richtig anzuwenden. Sonst kann es vorkommen, dass man sich in falscher Sicherheit wiegt und erst recht zur „Keimschleu­der“wird. Nicht umsonst werde das Händedesin­fizieren in medizinisc­hen und pflegerisc­hen Berufen „regelrecht trainiert“, gibt Gebel zu bedenken. Laien ist oft nicht klar, dass die Hände trocken sein müssen, bevor man Desinfekti­onsmittel verwendet. Der nächste Schritt heißt: Hände so einreiben, dass die Haut komplett mit dem Mittel benetzt wird. Daumen und Fingerspit­zen werden gern vernachläs­sigt. Die ganze Prozedur sollte mindestens 30 Sekunden dauern. Und natürlich darf man Desinfekti­onsmittel nicht wieder abwaschen – es ist schließlic­h keine Seife.

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Foto: Swen Pförtner, dpa Wer eine Arztpraxis besucht, sollte, wenn er kommt und wenn er geht, seine Hände desinfizie­ren.

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