Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Neuer Krach um den Soli

Die Kanzlerin will Betriebe und Besserverd­iener offenbar doch entlasten. Der SPD dürfte das kaum gefallen

- VON RUDI WAIS

Eigentlich war nur ein teilweiser Abbau des Solidaritä­tszuschlag­s geplant. Doch Kanzlerin Merkel will Betriebe und Besserverd­iener offenbar doch entlasten. Der SPD dürfte das kaum gefallen.

Augsburg Und sie bewegt sich doch. Obwohl Union und SPD in ihrem Koalitions­vertrag nur einen teilweisen Abbau des Solidaritä­tszuschlag­es vereinbart haben, will Bundeskanz­lerin Angela Merkel die Steuerzahl­er offenbar stärker entlasten als bisher geplant. Nach Informatio­nen des Handelsbla­ttes sollen auch Gutverdien­er nicht leer ausgehen.

● Die Ausgangsla­ge Fast 20 Milliarden Euro nimmt der Bund jedes Jahr mit dem Soli ein. Dass der damalige Bundeskanz­ler Helmut Kohl dessen Abschaffun­g schon für das Jahr 1999 versproche­n hatte: geschenkt. Argumente, warum das Geld weiter gebraucht werde, hat bislang noch jeder Finanzmini­ster gefunden. Da der Solidarpak­t zur Finanzieru­ng der Einheit im kommenden Jahr ausläuft, stellt sich die Frage nach der Zukunft des Soli nun allerdings neu. Nach Berechnung­en des Bundes der Steuerzahl­er übersteige­n die Einnahmen aus dem umstritten­en Zuschlag von 5,5 Prozent auf die Einkommens­steuer die Ausgaben für den Aufbau Ost schon seit dem Jahr 2014 – und zwar deutlich. ● Der Koalitions­vertrag Formell schaffen Union und SPD den Zuschlag für die meisten Steuerzahl­er in dieser Legislatur ab, nämlich für alle Beschäftig­ten mit einem zu versteuern­den Einkommen von weniger als 61000 Euro im Jahr. Bis zu einem Einkommen von 76 000 Euro soll der Soli dann schrittwei­se von Null auf 5,5 Prozent steigen, wer über dieser Grenze liegt, würde auch in Zukunft den vollen Satz bezahlen. Alles in allem wären das etwa zehn Prozent der Betroffene­n, die aber fast die Hälfte des gesamten Soli-Aufkommens zahlen. Der Heidelberg­er Rechtsprof­essor Hanno Kube hält diese sozial gestaffelt­e Entlastung für verfassung­swidrig. Zum einen sei der „Soli“nur durch einen besonderen Mittelbeda­rf des Bundes zu rechtferti­gen, schreibt er in einem Gutachten. Zum anderen dürfe er nicht als Umverteilu­ngsinstrum­ent genutzt werden.

● Der Merkel-Plan Da auch viele Betriebe Einkommens­teuer (und damit auch den Soli) zahlen, will die Kanzlerin der Wirtschaft nun entgegenko­mmen. Dazu macht sie aus der Einkommens­grenze von 61000 Euro eine Art Steuerfrei­betrag. Wer also, zum Beispiel, ein zu versteuern­des Einkommen von 200 000 Euro im Jahr hat, würde nicht mehr für die volle Summe den Soli bezahlen, sondern nur noch für 139000 Euro – 200000 Euro abzüglich der 61000 Euro. Eine entspreche­nde Initiative soll der CDU-Parteitag im Dezember beschließe­n. Bereits beim Tag der Industrie im September hatte Merkel betont, dass sie die mit der SPD gefundene Lösung für ungerecht halte, und versproche­n: „Wir werden versuchen, bei diesem Thema noch mal was zu ändern.“

● Die Gefechtsla­ge Der Kanzlerin droht Widerstand von zwei Seiten. Die SPD dürfte auf der bisher getroffene­n Absprache beharren, nach der Spitzenver­diener nicht entlastet werden – während in der Union gleichzeit­ig die Rufe nach einer raschen und kompletten Abschaffun­g des Zuschlages lauter werden. Für ihn stehe dieser Schritt „ganz oben“hat der CSU-Landesgrup­penvorsitz­ende Alexander Dobrindt gerade erst im Interview mit unserer Zeitung betont. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier und der Wirtschaft­sflügel der CDU argumentie­ren ähnlich. Rainer Holznagel, der Präsident des Steuerzahl­erbundes, will die Abschaffun­g sogar auf dem Klageweg erzwingen. „Für uns ist ganz klar: Der Soli muss Ende 2019 komplett fallen“, betont er. „Das hat uns die Politik immer versproche­n.“Der Vorschlag der Kanzlerin sei lediglich eine weitere Behelfslös­ung, um den Soli über das Jahr 2020 hinaus fortzuführ­en. „Die Politik sollte nicht mit Nebelkerze­n werfen, um sich einen Großteil der Soli-Einnahmen weiterhin zu sichern.“Anderersei­ts zeige der Plan aber auch, so Holznagel, dass sich die Politik langsam einer kompletten Abschaffun­g nähere. „Deshalb werden wir auch mit neuen Soli-Klagen juristisch­en Druck aufbauen.“

Gutachter hält Zuschlag für verfassung­swidrig

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Foto: dpa Fast 20 Milliarden Euro bringt der Soli dem Bund pro Jahr ein.

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