Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Bayern investiert zu wenig in seine Zukunft

Der Koalitions­vertrag zwischen CSU und Freien Wählern hält nicht, was er verspricht. Es fehlt an Nachhaltig­keit in der Wirtschaft­s- und Umweltpoli­tik

- VON ULI BACHMEIER jub@augsburger-allgemeine.de

Es gibt einen giftigen Witz, der die Befürchtun­gen, die mit der Regierungs­beteiligun­g der Freien Wähler verbunden sind, auf einen schönen Punkt bringt: Früher galt in Bayern das Motto „Laptop und Lederhose“, künftig wird die Politik der Staatsregi­erung der Devise folgen „Unser Dorf soll schöner werden“.

Tatsächlic­h sind die Freien unter ihrem Chef Hubert Aiwanger eine Truppe, die sich bisher weniger mit zukunftsge­richteten Ideen beschäftig­t hat denn mit der Lösung praktische­r Probleme: Straßenaus­baubeiträg­e, Hebammen, Verwaltung­srichter, Polizeiuni­formen.

Das ist zunächst einmal nicht verkehrt. Im Gegenteil: In der Opposition waren die Freien in manchen dieser kleinen Dinge so beharrlich, dass die CSU irgendwann einlenken musste. Aber reicht es aus, dass der künftige Wirtschaft­sminister Aiwanger die Probleme von Metzgern und Bäckern, Handwerker­n und Landwirten kennt?

Bayern ist ein internatio­nal erfolgreic­her Industrie- und Hochtechno­logiestand­ort, der vor gewaltigen Herausford­erungen steht. Ohne das Geld, das in der Automobil-, Metall- und Elektroind­ustrie verdient wird, ginge gar nix im Freistaat. Nur mit mutigen Investitio­nen in Forschung und Entwicklun­g, mit durchdacht­en Konzepten für die fortschrei­tende Digitalisi­erung, mit einer echten Bildungsof­fensive und mit einer zielgerich­teten Weiterentw­icklung der Infrastruk­tur wird Bayern seinen Wohlstand auch in Zukunft halten können.

Bekenntnis­se dazu finden sich zwar im Koalitions­vertrag. Und ein künftig eigenständ­iges Digitalisi­erungsmini­sterium ist zumindest ein politische­s Signal. Das große Geld aber fließt anderswohi­n – zum Beispiel in Sozialausg­aben, die bei genauerem Hinsehen gar nicht so sozial sind. Das gilt insbesonde­re in der Familienpo­litik. Der Einstieg in die gebührenfr­eie Kinderbetr­euung ist zwar ein Fortschrit­t. Es gibt dafür eine Reihe guter Argumente. Den Schwächste­n in der Gesellscha­ft aber hilft das ebenso wenig wie das Familienge­ld. Hartz-IV-Familien haben darauf keinen Anspruch und von den Kita-Gebühren sind sie ohnehin befreit. Weil CSU und Freie Wähler sich nicht darauf einigen konnten, das eine oder das andere zu tun, gibt es jetzt eben beides. Ein teurer Luxus, der auf kurzfristi­ge Effekte beim Wähler zielt.

Die Probleme, die es in Bayern anzupacken gilt, sind aber langfristi­ger Natur. Das gilt für die wirtschaft­liche Entwicklun­g, das gilt aber auch für den Staatshaus­halt. Noch brummt die Konjunktur, noch sprudeln die Steuereinn­ahmen, noch kann die Regierung aus dem Vollen schöpfen. Doch der schönste Aufschwung hat einmal ein Ende. Erste Anzeichen dafür gibt es. Schlüssige Antworten darauf finden sich in dem Koalitions­vertrag nicht. Bayern konsumiert zu viel und investiert zu wenig.

Dieser Mangel an Nachhaltig­keit zeigt sich auch auf einem ganz anderen Feld: der Umweltpoli­tik. Sicher ist es schön, dass der Alpenplan in seiner alten Form wieder in Kraft gesetzt wird. Der groteske Streit ums Riedberger Horn wird damit endgültig beendet. Es ist auch anzuerkenn­en, dass es Absichtser­klärungen zum Artenschut­z und zu einer Reduzierun­g des Flächenver­brauchs gibt. Aber es sind eben nur Absichtser­klärungen. Ein echter Kurswechse­l hin zu einer Neuausrich­tung des Verhältnis­ses von Ökologie und Ökonomie ist nicht erkennbar.

Das neue Regierungs­bündnis wird mit Recht als „Weiter-soKoalitio­n“kritisiert. Doch ganz treffend ist das nicht. Die CSU macht weiter so und gibt mehr Geld aus. Früher hat sie immer gesagt: Wer nicht besser wird, der hört auf gut zu sein. Das ist etwas anderes.

Wer nicht besser wird, der hört auf gut zu sein

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