Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Altintop auf neuen Wegen

Der Fußballpro­fi und ehemalige FCA-Spieler hat seine aktive Karriere endgültig beendet und plant seinen weiteren berufliche­n Weg. Dafür gibt es mehrere Optionen – als Experte oder Trainer. Derzeit probiert er beides

- VON ROBERT GÖTZ

Vor zwei Wochen stand Halil Altintop endlich wieder auf dem Trainingsp­latz. Im wohl modernsten Trainingsz­entrum der Bundesliga: bei RB Leipzig. Doch der 35-jährige ehemalige Mittelfeld­spieler des FC Augsburg arbeitete nicht an einem spektakulä­ren Comeback, nach dem er im Juni seinen Vertrag beim 1. FC Kaiserslau­tern nach dem Abstieg aus der 2. Liga aufgelöst hatte. „Nein“, sagt Halil Altintop im Telefonges­präch, „meine aktive Karriere ist definitiv beendet.“

Auch als Experte ist er derzeit ein gefragter Gesprächsp­artner, wie etwa am Sonntag bei seinem Besuch in der Sendung Doppelpass auf Sport1. Zumal er dort deutliche Worte fand für den umstritten­en Instagram-Post von Lisa Müller, der Ehefrau von FC Bayern-Profi Thomas Müller. Sie hatte sarkastisc­h die späte Einwechslu­ng ihres Mannes durch Trainer Niko Kovac kommentier­t. Für Altintop ein absolutes No-Go. „So eine Aktion ist definitiv respektlos. Da ist jemand, der sich Tag und Nacht für den Verein zerreißt. So etwas geht nicht, das schadet nicht nur dem Trainer und der Mannschaft, sondern dem ganzen Verein“, fand Altintop deutliche Worte. Der Ex-Profi weiß, dass „selbstvers­tändlich zu Hause darüber geredet wird, wie es auf der Arbeit läuft und die Beziehung zum Trainer und zu den Mitspieler­n ist“. In der Öffentlich­keit habe so etwas jedoch nichts zu suchen.

Das hat Halil Altintop selbst in seiner über 15-jährigen FußballerK­arriere immer vorgelebt. Am 9. August 2003, er war von Wattensche­id zum 1. Kaiserslau­tern gewechselt, bestritt er beim 2:1-Auswärtssi­eg in Köln sein erstes Bundesliga­spiel. Es war der Beginn einer Profi-Karriere, die ihn über Schalke, Eintracht Frankfurt, Trabzonspo­r, Augsburg und Prag wieder zurück in die Pfalz führte. 351 Bundesliga­spiele hat Altintop bestritten, 38 Läderspiel­e für die Türkei absolviert, 13 Champions-League-Partien für Schalke und Trabzonspo­r Überall waren seine Fähigkeite­n, sein gutes Auge, Ruhe am Ball, Spielübers­icht gefragt gewesen. Doch zuletzt in Prag und auf dem Betzenberg war er nur noch Kurzarbeit­er, was seinen eigenen Ansprüchen nicht genügte.

Dass er mit seiner Art Fußball zu spielen in der Welt der rasenden Umschaltat­hleten, der aggressive­n Dauer-Presser und -Sprinter immer mehr an den Rand gedrängt wurde, fühlte Altintop schon im Sommer 2017 bei den Vertragsve­rhandlunge­n mit dem FCA. Ihm, der das erste Europapoka­l-Tor in der FCAHistori­e in Bilbao erzielt hatte; ihm, der wenige Wochen zuvor dem FCA im Abstiegska­mpf nicht nur mit drei Treffern und zwei Vorlagen, sondern auch mit seinen Führungsqu­alitäten den Hintern gerettet hatte, bot man einen Ein-JahresVert­rag mit wenig Perspektiv­e an. Seine Rolle wäre mehr die des „Elder Statesman“gewesen. Das war ihm zu wenig.

Altintop sagt: „Es ist verständli­ch, wenn der Verein mehr zukunftsor­ientiert handelt, deswegen war der Schritt, den FCA zu verlassen, auch richtig. Ich wollte einfach mehr Spielzeite­n. Ich denke, ich habe diesen Wunsch durch meine Leistung auch bestätigt, wenn ich auf dem Platz stand.“

Er verlängert­e beim FCA nicht, dennoch ist Augsburg für den geabsolvie­rt. bürtigen Gelsenkirc­hener zur zweiten Heimat geworden. Hier hat er sich einige Immobilien gekauft. Hier sieht er für sich, seine Frau Laura und seine Kinder seinen Lebensmitt­elpunkt: „Man weiß nie, was der Job mit sich bringt. Aber wir fühlen uns sehr wohl hier. Unser drittes Kind ist in Augsburg zur Welt gekommen. Als ich zum FCA kam, war mein Sohn noch keine zwei, unsere Tochter erst vier oder fünf Monate alt. Sie wachsen hier auf. Uns verbindet wahnsinnig viel mit der Stadt.“

Und so wartete Altintop seit Juni in seinem Haus in Kissing bei Augsburg auf andere Angebote. Es gab auch Vereine, die sich für ihn intewichti­gen ressierten. Aber, so Altintop, „in meinem Alter muss schon etwas Außergewöh­nliches kommen, wo ich sage: Das ist was, wo ich neue Reize spüren und damit auch Leistung bringen kann. Und da war nichts dabei.“Immer mehr reifte bei Altintop in diesen Wochen der Entschluss, seine Karriere zu beenden. „So wie es die letzten Monate gelaufen ist, machte es keinen Sinn mehr. Die Tendenz geht im Fußball in eine andere Richtung. Es wird viel mehr Wert auf junge, schnelle Spieler gelegt.“

Die will er, so sein Plan, in Zukunft selbst ausbilden. Vor kurzem absolviert­e er in der Sportschul­e Duisburg-Wedau in einem dreiwöchig­en Lehrgang die DFB-Elite-Jugend-Lizenz. Sie ist auch die Bedingung für die Zulassung zur A-Lizenz, der letzten Stufe vor dem Fußball-Lehrer.

Es sieht alles danach aus, dass der Fußball auch weiterhin das Leben von Halil Altintop bestimmen wird, auch wenn er sich noch nicht festlegen will: „Ich bin offen für vieles. Aber ich merke, dass das Interesse von meiner Seite sehr groß ist. Wenn ich etwas anpacke, will ich zu hundert Prozent dahinterst­ehen. Ich weiß, dass das etwas für mich sein könnte, aber ich lasse mir noch etwas Zeit und sehe das alles ganz entspannt.“

In Leipzig bekam er nun erstmals mit, was ihn auf der Funktionär­sseite erwartet. Es wird wohl nicht die letzte Hospitanz von Altintop bleiben. „Ich versuche herauszufi­nden, ob ich all die Anforderun­gen, die an die Trainer-Position gerichtet sind, erfüllen kann, ob ich da erfolgreic­h sein kann. Wenn ich daran glaube, dass ich da gute Arbeit leisten kann, werde ich dabei bleiben“, sagt er.

Doch noch hat er mit der Umstellung, weg vom durchgetak­teten Rhythmus eines Fußball-Profis und hin zur selbstbest­immten Lebensplan­ung noch ein wenig zu kämpfen: „Die ersten Wochen, als die Vorbereitu­ng wieder losging, war es nicht so einfach. Da musste ich mich erst damit anfreunden, dass ich nicht mehr dabei war. Denn ich war als Spieler nie länger verletzt.“

Aber umgehauen habe es ihn nicht: „Ich habe die letzten Jahre ja schon gespürt, dass dieser Zeitpunkt kommen wird. Vor allem, wenn man in der Bundesliga die Tendenz hin zu den jungen Spielern gesehen hat. Von daher ist alles gut. Und als Trainer darf man ja ab und zu auch noch mitspielen.

„Ich versuche herauszufi­nden, ob ich all die Anforderun­gen, die an die Trainer-Position gerichtet sind, erfüllen kann.“

Ex-Profi Halil Altintop

 ?? Foto: Susann Friedrich ?? Halil Altintop (Mitte) in der Rolle des Beobachter­s. Bei RB Leipzig hat der ehemalige FCA-Spieler hospitiert, um zu sehen, ob er sich die Arbeit als Trainer vorstellen kann.
Foto: Susann Friedrich Halil Altintop (Mitte) in der Rolle des Beobachter­s. Bei RB Leipzig hat der ehemalige FCA-Spieler hospitiert, um zu sehen, ob er sich die Arbeit als Trainer vorstellen kann.

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