Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Arme Autofahrer

Wenn ein Radler mal ins Auto steigt, erlebt er einen ganz neue Dinge und kann so manches verstehen. Anderes gar nicht

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und doch interessan­te Erfahrung. Erst der Frust.

Ich bin gleich mal zu spät gekommen. Vielleicht habe ich das Tempo eines Autos überschätz­t, die Zähigkeit des Verkehrs unterschät­zt und bin einfach zu spät los. Oder, und dazu neige ich, das Fahrrad ist auch ohne Doping und Tour-deFrance-Tempo in vielen Fällen in der Stadt einfach doch schneller. Das gilt besonders, wenn man wirklich die Zeit von Tür zu Tür rechnet – also im Fall des Autos mit (Tief-)Garage und/oder Parkplatzs­uche und Fußweg zur Tür. Interessan­t war, wie schnell im Stop & Go des Alltags der Ärger aufkeimt. Schon wieder Rot! Warum ist der so langsam? Schon so spät! Arme Autofahrer. Das war eine verblüffen­de Erfahrung. Sie wurde begleitet von einer immer stärker werdenden Sehnsucht. Hätte ich nur das Fahrrad genommen. Aus eigener Erfah- rung wusste ich: Auf der Radspur wäre für mich die Schlange an der Ampel kürzer gewesen. Im Sattel wäre ich eine Grünphase früher über die Kreuzung gekommen. Ganz legal, übrigens. Und obwohl Rad fahren in der Stadt auch nervig sein kann, im Auto fand ich es deutlich schlimmer. Kein Wunder, dass mancher seine Hupe so liebt. Das ist aber keine Lösung. Wie könnte sie aussehen? Ich würde allen Autofahrer­n gerne weniger Stau und Stress wünschen. Doch ganz ehrlich: Mehr Straßen werden wir dafür in der Augsburger Innenstadt nicht unterkrieg­en. Moderne Technik kann helfen, wenn sie den Verkehr flüssig hält oder es schaffte, mehr als einen Insassen im vielleicht selbstfahr­enden Auto ans Ziel zu bringen. Doch die größte Entlastung bringen Umsteiger. In Bus und Tram oder aufs Rad.

Mich jedenfalls sind Sie, liebe Autofahrer, im Pkw fürs Erste wieder los. Die Aussicht auf Freiheit auf zwei Rädern, eine kleine Runde durch die Altstadt oder einen Stopp im Sonnenunte­rgang an der Wertach haben gesiegt. Vielleicht sieht man sich mal.

Marcus Bürzle, 42, kam durch Zufall zum Radfahren und ist jetzt täglich unterwegs.

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Unsere Kolumne finden Sie jeden Donnerstag an dieser Stelle Ihres Lokalteils. Nächste Woche: „Mein Augsburg“mit typisch Augsburger­ischen Ansichten und Geschichte­n.

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Fotos: S. Wyszengrad, M. Bürzle
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