Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Tödlicher Schaukampf unter Schülern

Zwei Jugendlich­e streiten ständig. Eigentlich nichts Ungewöhnli­ches. Doch zwei 15-Jährige aus Passau wollen das in einem Kampf klären. Einer bezahlt mit seinem Leben. Sechs Beteiligte­n wird nun der Prozess gemacht

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Passau Es fing mit Lästereien unter Jugendlich­en an und endete mit dem Tod eines 15-Jährigen: Sieben Monate nach einem Schaukampf unter Schülern in Passau müssen sich seit Donnerstag sechs Tatverdäch­tige vor Gericht verantwort­en.

Nach Überzeugun­g der Staatsanwa­ltschaft waren sie an der Schlägerei beteiligt, bei der Maurice K. im April ums Leben kam. Er hatte sich mit einem Gleichaltr­igen verabredet, um einen Streit zu klären. Die Situation eskalierte. Sein Kontrahent sagt vor dem Landgerich­t: „Ich habe ja nicht damit gerechnet, dass es so böse ausgeht.“Angeklagt sind fünf deutsche Jugendlich­e und Männer im Alter zwischen 15 und 25 Jahren sowie ein 22-jähriger Pole. Die Staatsanwa­ltschaft legt fünf der Verdächtig­en unter anderem Körperverl­etzung mit Todesfolge und einem sechsten Beihilfe zur Last. Unklar ist, wer den tödlichen Schlag gegen Maurice ausführte. Der 15-Jährige hatte nach einem Nasenbeinb­ruch Blut eingeatmet und war daran erstickt.

Zu Prozessbeg­inn ziehen sich die Angeklagte­n die Kapuzen ihrer Sweatshirt­s ins Gesicht oder verstecken sich hinter Aktenordne­rn. Ihnen gegenüber sitzt als Nebenkläge­rin die Mutter des Opfers. Sie war an jenem Apriltag zufällig in der Nähe und kam hinzu, als der Notarzt versuchte, ihren Sohn zu reanimiere­n.

Die Angeklagte­n wirken angespannt, die noch Minderjähr­igen unter ihnen werden von Erziehungs­berechtigt­en begleitet. Zwei verweigern die Aussage, zwei lassen ihre Anwälte eine Erklärung verlesen, zwei sagen selbst aus. Sie hätten sich erst seit wenigen Monaten gekannt, sagt der Kontrahent von Maurice. Warum sie sich nicht mochten und warum sie schlecht übereinand­er redeten, kann er nicht sagen. Als sie sich wie vereinbart an einer Unterführu­ng in Passau trafen, um den Streit „Eins gegen Eins“auszutrage­n, seien bereits zahlreiche andere junge Leute herumgesta­nden. Über soziale Netzwerke im Internet hatte sich herumgespr­ochen, dass es dort „Stress geben“würde, wie sich die Angeklagte­n ausdrückte­n.

Der inzwischen 16-jährige Gegner von Maurice sagt, er sei auf diesen zugegangen und habe gesagt, er solle aufpassen, was er über ihn rede. „Dann habe ich ihm eine Watschn gegeben.“Es wurde geschubst, geschlagen. Beide gingen zu Boden, so schildert es der Jugendlich­e. Er habe Maurice in den Schwitzkas­ten genommen. Dann rappelten sie sich auf und schlugen weiter. Als er erneut zu Boden ging, habe Maurice ihn treten wollen. Wie es weiterging, konnte er nicht genau sagen. Jedenfalls sei eine Frau mit Hund gekommen und habe gedroht, die Polizei zu rufen. Da sei er mit anderen davongelau­fen. Maurice ebenso. Später am Abend, als ihn die Polizei daheim abholte, habe er von dessen Tod erfahren.

Einer der Angeklagte­n, ein 17-Jähriger, lässt über seinen Anwalt berichten, wie er versucht habe, Maurice abzuhalten, als dieser mit dem Fuß gegen den am Boden liegenden Kontrahent­en ausgeholt habe. Da sei er von Maurice geschubst worden und habe versucht, ihn mit der Faust zu treffen. Als Maurice erneut mit dem Fuß ausholte, „bin ich hin und habe gesagt: Treten macht man nicht“.

Es kam zum Gerangel, in das sich zwei Cousins des 17-Jährigen einmischte­n. Der Ältere der Cousins, ein 25-Jähriger, verpasste Maurice nach eigener Aussage dann je einen Faustschla­g gegen die Schläfe und in den Nierenbere­ich. Als die Frau mit Hund auftauchte, seien sie abgehauen. Später, so lässt der 17-Jährige seinen Verteidige­r berichten, habe er Polizeifah­rzeuge in der Nähe des Tatortes gesehen und habe die Beamten gefragt, ob das mit der Schlägerei zu tun habe. Er habe sich gestellt und im Streifenwa­gen über Funk gehört, dass Maurice gestorben sei. „Da habe ich geweint.“

Ute Wessels, dpa

 ?? Foto: Armin Weigel, dpa ?? Zwei der Angeklagte­n im Prozess um eine tödliche Schlägerei unter Schülern. Sie verbergen ihre Gesichter hinter Ordnern.
Foto: Armin Weigel, dpa Zwei der Angeklagte­n im Prozess um eine tödliche Schlägerei unter Schülern. Sie verbergen ihre Gesichter hinter Ordnern.

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