Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Sängerrund­e sagt endgültig Servus

Der Chor der Naturfreun­de Gersthofen hört wegen Nachwuchsm­angel auf und erfreut ein allerletzt­es Mal seine Zuhörer. Was das Ende für die teils über 80-jährigen Sänger bedeutet

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Der Chor der Naturfreun­de Gersthofen hört wegen Nachwuchsm­angels auf und erfreut ein allerletzt­es Mal seine Zuhörer. Was das Ende für die teils über 80-jährigen Sänger bedeutet und warum es so schwer ist, Nachwuchss­änger zu finden, lesen Sie auf

Gersthofen Schon Martin Luther wusste: „Musik ist ein Geschenk und eine Gabe Gottes, sie macht die Leute fröhlich“, sagte er. Dass die Musik der Sängerrund­e der Naturfreun­de die Leute fröhlich machte, weiß Leiter Norbert Kraus. „Der Zuspruch für unsere Lieder und den Chor war immer sehr groß“, sagt er, „aber aktiv wollte niemand mitmachen.“Deshalb löst sich der Chor nun nach 35 Jahren auf.

„Es ist unmöglich geworden, Nachwuchs zu finden. Das geht jedem Kegelverei­n so, zum Teil auch Sportverei­nen. Alle haben das gleiche Problem“, sagt der Chorleiter. Doch warum? Kraus meint: „Wir denken, dass es an den zahlreiche­n Alternativ­en liegt.“Er glaubt, dass die Menschen sich in ihrer Freizeit nicht mehr verpflicht­en wollen. Regelmäßig zu den Proben kommen das schrecke viele ab.

Und nun? Chorleiter Norbert Kraus, mit 58 Jahren bei Weitem das jüngste Mitglied, weiß von seinen Sängern: „Ein paar sagen, sie wollen in keinem anderen Chor singen. Und manche sind so alt, dass sie sich nicht mehr umgewöhnen können. Für die ist das Ende des Chors ganz, ganz furchtbar.“

Mit einem Festabend zum 35-jährigen Bestehen feierte die Sängerrund­e nun gleichzeit­ig Jubiläum und Abschied. Mit „Wir sind Freunde in dieser Runde“eröffnete der Chor den Abend. Der Grund für den Abschied war deutlich: Von ehemals über 20 Sängern standen nun nur noch neun auf der Bühne.

Der Männerchor singt seine Lie- vierstimmi­g, mit einem 1. und 2. Tenor sowie einem 1. und 2. Bass. „Alle Noten sind darauf ausgericht­et. Wenn Sie eine Stimme weglassen, funktionie­rt die Harmonie nicht mehr, das klingt dann einfach nicht mehr“, erklärt Chorleiter Kraus.

Lange versuchte Kraus, den Chor trotz Nachwuchsm­angels weiter bestehen zu lassen. Doch im April fiel die endgültige Entscheidu­ng.„Es ist langsam bergab gegangen, nachdem mehrere Sänger ausgefalle­n oder gestorben sind“, erinnert sich Kraus. „Wir sind immer weniger geworden, eine Stimme konnte ich nicht mehr besetzen. Ich habe versucht, die Lieder umzubauen, aber die Sänger sind teilweise schon weit über 80. Die sind nicht mehr so flexibel und haben sich so schwer getan mit dem Umlernen.“

Für Kraus bedeutet das Ende nicht nur einen persönlich­en Verlust, sondern auch einen kulturelle­n: „Diese speziellen Männerchor-Lieder gehen verloren, wenn das Liedgut nicht mehr gepflegt wird. “

Im mehr als 200 Stücke umfassende­n Repertoire der Sängerrund­e: klassische Opernchöre wie „Nabucco“, Ohrwürmer wie das „ChiantiLie­d“, „Mein kleiner grüner Kaktus“und Lieder des Trientiner Bergsteige­rchors wie „La Montanara“.

Beim Abschiedsk­onzert würdigte Dieter Ortner, Vorsitzend­er der Naturfreun­de, die Sänger für bis zu 35 Jahre Treue und Dirigenten Norbert Kraus für 22 Jahre Leitung. Von den Sängern erhielt Kraus beim Festabend als Dankeschön einen goldenen Taktstock. Neben Urkunden für die vier Gründungsm­itglieder sprach Kraus zum Abschied jedem einzelnen Mitglied Dank für den Gemeinscha­ftsgeist bei Aktivitäte­n aus, dader runter sechs große Konzerte, drei Jubiläumsf­eiern, 21 eigene Weihnachts­konzerte. Sechs Mal war die Sängerrund­e Gastgeber bei Bundeschor­treffen der Banater Schwaben und wirkte beim Werbespot „Aktive Senioren“des Gesundheit­sministeri­ums mit, der 2017 täglich auf Augsburg-TV zu sehen war.

Beim Abschiedsk­onzert folgten „La Montanara“, in dem Kurt Herzner als Solist glänzte. Heini Kraus und Fritz Peter sangen „Weiß-blau is boarisch“und „Die Gamserl schwarz und braun“. Mit der „Sonntagsru­h“ging der Abend – und damit auch das Bestehen der Sängerrund­e – zu Ende.

Einen von ihnen, so sagt Kraus, trifft das Aus ganz besonders: „Unser 91-Jähriger hat immer gesagt ‚Dienstag ist der schönste Tag der Woche, da ist Chorprobe. Das verlängert mir das Leben.’“

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Foto: Sängerrund­e Naturfreun­de Gersthofen Nach 35 Jahren trat die Sängerrund­e der Gersthofer NaturFreun­de zum letzten Mal auf. Es hatten sich einfach keine Nachwuchss­änger mehr gefunden.

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