Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wertingen ist eine besonders faire Stadt
Zum vierten Mal in Folge bekommt sie das offizielle Siegel als „faire Stadt“verliehen. Doch was verbirgt sich hinter der abstrakten Bezeichnung? Eine „Steuerungsgruppe“spielt eine besondere Rolle
Wertingen Geht es nach Kurt Göpfrich, ist Wertingen ein leuchtendes Beispiel für andere Städte in der Region. Denn in Sachen „Fairer Handel“und der Weiterverbreitung dieses Gedankens ist die Zusamstadt den meisten Städten im Landkreis und auch darüber hinaus um einiges voraus.
Zum vierten Mal in Folge wurde Wertingen das Siegel „Faire Stadt“vom Verein „Transfair“verliehen. Was einigermaßen dröge klingt, ist in Wahrheit ein beeindruckender Erfolg für eine Kleinstadt mit nicht einmal 10 000 Einwohnern. Denn Wertingen ist nicht nur seit 2012 als faire Stadt ausgezeichnet, sondern beherbergt auch ganze vier „faire Schulen“. Im ganzen restlichen Landkreis gibt es nur noch eine weitere solche Einrichtung, die Fachakademie für Sozialpädagogik in Dillingen. Die Donaustadt ist auch selbst FairtradeStadt. Ansonsten gibt es keine Kommune oder Einrichtung im Kreis, welche das renommierte Siegel für sich beanspruchen darf.
Um Fairtrade-Stadt zu werden, galt es, fünf Anforderungen zu erfüllen: Der Bürgermeister und der Stadtrat trinken fair gehandelten Kaffee und halten die Unterstützung des fairen Handels in einem Ratsbeschluss fest. In Geschäften und gastronomischen Betrieben werden Produkte aus fairem Handel angeboten, die Zivilgesellschaft leistet Bildungsarbeit und die lokalen Medien werden mittels Pressearbeit über die Aktivitäten vor Ort informiert, um bei Interesse darüber zu berichten. Außerdem gibt es eine „Steuerungs- gruppe“, die alle Aktivitäten koordiniert, die mit fairem Handel zusammenhängen. „Fairer“Handel heißt dabei, dass die Erzeugung der Produkte, wie Kaffee, Wein oder Textilien, ohne Ausbeutung geschieht und die Produzenten angemessene Löhne erhalten können. Damit diese Produkte und der dahinter stehende Gedanke in Wertingen noch populärer werden, trifft sich in Wertingen ungefähr vier Mal im Jahr die Steuerungsgruppe. Dieser gehören Mitglieder des Stadtrates, der Schulen, der Kirchen sowie der freien Wirt- schaft an. Der Sprecher dieser Steuerungsgruppe ist Kurt Göpfrich, der in Wertingen auch den Weltladen leitet und Mitglied beim Verband „Solidarität für eine Welt“ist. Über die erneute Auszeichnung freut er sich sehr. „Wir verstehen die bestätigte Auszeichnung als Motivation und Aufforderung für weiterführendes Engagement“, sagt er.
Das Engagement in Wertingen sei vielfältig: Als Beispiele nennt er das alljährliche faire Frühstück im Mai und im September, die Beteiligung an der Wertinger Nacht und an der Schlossweihnacht. Jährlich würden Angebote wie Konzerte, Theaterstücke oder Vorträge verwirklicht. Außerdem würden intern die rund 30 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen regelmäßig geschult. Die vier Fairtrade-Schulen seien besonders bemerkenswert für eine kleine Stadt wie Wertingen. „Da sind wir sicherlich führend“, sagt Göpfrich. Die Auszeichnung der Schule hat formal nichts mit der Auszeichnung der Stadt zu tun, doch geht in der Praxis das Engagement ineinander über. In Wertingen sind die Mittelschule, die Realschule, das Gymnasium sowie als jüngster Neuzugang die Montessori-Schule von dem Verband Transfair ausgezeichnet worden. Das bedeutet in der Praxis, dass dort zumindest einige fair gehandelte Produkte für die Schüler angeboten werden und ein Arbeitskreis von Schülern und Lehrern eingerichtet worden ist. Das findet auch der Stadtrat Anton Stegmair (Freie Wähler), der sich für die Belange des Fairen Handels stark macht. Es sei auch das Ziel, die Grundschulen zu fairen Schulen zu machen. Doch hier stoße die Anforderung eines Arbeitskreises mit Schülern und Lehrern auf praktische Probleme. Hier überlegt man sich in der Steuerungsgruppe noch Lösungen.
Auch Bürgermeister Willy Lehmeier äußerte sich freudevoll über die Auszeichnung für das „Städtle“und die Arbeit der Steuerungsgruppe: „Lokale Akteure aus Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft arbeiten hier eng für das gemeinsame Ziel zusammen“, sagte Lehmeier. Er sei stolz, dass Wertingen Teil eines globalen Netzwerks des fairen Handels sei und seinen Beitrag leiste.
Kurt Göpfrich will das Engagement in Wertingen noch weiter fördern. Man leiste hier einen wichtigen Beitrag in globalen Zusammenhängen. Er sieht in Wertingen auch den politischen Willen dafür gegeben. Denn der faire Handel erstreckt sich in der Zusamstadt sogar bis hin auf den Friedhof: Seit einem Stadtratsbeschluss von 2016 sollen dort nämlich keine Grabmale mehr aufgestellt werden, deren Steine unter ausbeuterischen Bedingungen gefördert wurden.