Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Pädophiler Kinderarzt vor Gericht

Prozess in Augsburg wird neu aufgerollt

- VON JÖRG HEINZLE

Augsburg Es liegt jetzt vier Jahre zurück, dass das Doppellebe­n von Dr. Harry S. aufflog. Er galt als guter Kinderarzt, ehrenamtli­ch engagiert als Chefarzt beim Roten Kreuz in Augsburg. Im Oktober 2014 allerdings endete dieser Teil seines Lebens. Ermittler klingelten an der Tür seines Augsburger Elternhaus­es und nahmen den Mediziner fest. S. wurde später, im März 2016, verurteilt, weil er mindestens 20 Kinder missbrauch­t hat. Abgeschlos­sen ist der Fall aber bis heute nicht. Ab Montag wird das Verfahren gegen den Kinderarzt neu aufgerollt.

Das Landgerich­t hatte gegen Harry S. dreizehnei­nhalb Jahre Haft und Sicherungs­verwahrung verhängt. Einen fünfjährig­en Jungen hatte er sogar betäubt, entführt und missbrauch­t. Dass er die Taten begangen hat, steht im neuen Prozess nicht zur Debatte. S. hatte im ersten Verfahren eingeräumt, in seiner Freizeit Jungen angesproch­en und sexuell missbrauch­t zu haben. Teils hatte er die Opfer auch mit Medikament­en

Einen fünfjährig­en Jungen hat er betäubt und entführt

betäubt, etwa den Sohn einer guten Freundin. Er missbrauch­te auch Jungen bei Ausflügen für sozial benachteil­igte Kinder, die er organisier­te. Harry S. wird in dem Prozess von den Anwälten Moritz Bode und Ralf Schönauer verteidigt. Bode sagte unserer Zeitung, dass sich sein Mandant auch in der Neuauflage des Prozesses wieder zu den Vorwürfen äußern werde.

Der Bundesgeri­chtshof hatte das erste Urteil aufgehoben, weil die Bundesrich­ter es vor allem in einem Punkt nicht nachvollzi­ehen konnten. Im Urteil hieß es, Harry S. sei zwar ein sogenannte­r Kernpädoph­iler, dessen sexuelle Ausrichtun­g ausschließ­lich auf Kinder fixiert ist. Ein Gutachter attestiert­e S. auch eine so hohe Rückfallge­fahr, dass er eine Sicherungs­verwahrung befürworte­te. Gleichzeit­ig stufte er ihn aber auch als voll schuldfähi­g ein. Psychisch krank, aber gleichzeit­ig voll schuldfähi­g – das schien für die Bundesrich­ter nicht zusammenzu­passen. Deshalb wird es im neuen Prozess, der voraussich­tlich bis nächstes Jahr dauert, auch vor allem um diese Fragestell­ung gehen.

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