Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Es riecht nach Spezlwirts­chaft

Auf Drängen der Freien Wähler werden drei Flutpolder an der Donau aus der staatliche­n Planung gestrichen. Die Auswahl der Standorte wirft pikante politische Fragen auf und bringt Hubert Aiwanger in Erklärungs­not

- VON HENRY STERN

München Nutzt Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger die neue Regierungs­beteiligun­g, um engen Parteifreu­nden einen politische­n Gefallen zu tun? Im Koalitions­vertrag mit der CSU hat der künftige Vize-Regierungs­chef jedenfalls durchgeset­zt, dass drei Flutpolder an der Donau, die bei künftigen Hochwasser-Katastroph­en das Schlimmste verhindern sollten, nun nicht mehr gebaut werden.

Das Pikante daran: Einer dieser gestrichen­en Polder liegt bei Bertoldshe­im im Landkreis NeuburgSch­robenhause­n. Dort war bis vor kurzem Roland Weigert Landrat – der Mann, der ab kommendem Montag wohl Aiwangers Staatssekr­etär im Wirtschaft­sministeri­um ist. Die beiden anderen gestrichen­en Polder – Eltheim und Wörthhof – liegen im Landkreis Regensburg. Dort ist Aiwangers Lebensgefä­hrtin Tanja Schweiger für die Freien Wähler Landrätin. Das riecht nach politische­m Gefallen. Denn allein an der Donau sieht das 2013 nach dem verheerend­en Pfingsthoc­hwasser auf den Weg gebrachte Hochwasser­Schutzkonz­ept 16 mögliche Polderstan­dorte vor. Eine Erklärung, warum nun ausgerechn­et diese drei Projekte wegfallen, findet sich im Koalitions­vertrag aber nicht.

Ihm persönlich­e Motive zu unterstell­en, „ist ein fieses Argument“, verteidigt sich Aiwanger auf Nachfrage dieser Redaktion. Die Auswahl der Standorte, die in der Tat auf Drängen der Freien Wähler in das Regierungs­papier gekommen sei, „ist sachlich gut begründbar“, findet er. So liege Bertoldshe­im neben dem im Bau befindlich­en Polder Riedenshei­m und sei deshalb überflüssi­g. Und bei den beiden Regensburg­er Poldern „sind belastbare Aussagen da, dass mit dem Polder das Grundwasse­r so hoch steigt, dass es in viele Keller laufen würde“, erklärt Aiwanger. Das von der CSU betriebene Groß-Polder-Konzept sei ohnehin viel zu teuer, „weil so ein Polder ja nur alle hundert Jahre mal geflutet wird“. Und auch den Nutzen stellt Aiwanger in Frage: „Passau säuft nicht ab, nur weil wir vor Straubing keinen Polder machen“, glaubt der Freie-Wähler-Chef.

Weiter unten an der Donau sieht man das völlig anders: Drei Landräte und zwei Oberbürger­meister aus Niederbaye­rn haben am Freitag in einem Schreiben an Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) gegen die Polder-Streichung protestier­t. Es sei „ein Schlag ins Kontor“, aus politische­n Gründen von heute auf morgen auf mehr als ein Drittel des nötigen Rückhalte-Volumens zu verzichten, heißt es dort.

Viele kleine Rückhalte, die Aiwanger als Ersatz fordert, könnten zudem nur bei lokalen Sturzflute­n wirken, warnen Experten: „Für eibereits nen umfassende­n Schutz, zum Beispiel vor 100-jährigem Hochwasser in Siedlungen, reichen sie alleine nicht aus“, heißt es im bayerische­n „Aktionspro­gramm 2020plus“. Bei einer Jahrhunder­tflut helfe „nur eine große Badewanne, bei der man den Stöpsel zieht“. Einzelne Polder könnten nicht ohne Ersatz gestrichen werden: Es brauche entlang großer Flüsse „eine ganze Perlenkett­e“davon, um Städte am Unterlauf vor Überflutun­g zu schützen.

Und Aiwangers Grundwasse­r-Argument? Massive Bedenken gegen negative Folgen einer kontrollie­rten Flutung gibt es nicht nur im Landkreis Regensburg, sondern auch an den möglichen schwäbisch­en PolderStan­dorten Leipheim, Helmeringe­n und Neugeschüt­twörth. „Uns ist vom Staat immer gesagt worden, es gibt ein geordnetes Verfahren, das alle Bedenken aufnimmt und für alle Standorte gleich ist“, sagt Norman Brix von der Bürgerinit­iative „Kein Flutpolder Leipheim“.

In der Tat hat das Umweltmini­sterium Standortan­alysen in Auftrag gegeben, die eine fachlich-fundierte Grundlage für die weitere Planung geben sollten. Die Ergebnisse lägen noch nicht vor, erklärt das Ministeriu­m. Ein geordnetes staatliche­s Verfahren wird also durch politische Willkür ohne fachliche Grundlage ausgehebel­t? Polder-Gegner Brix ist stinksauer: „Man stellt sich schon die Frage, ob man vom Staat noch gerecht behandelt wird.“

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 ?? Foto: Armin Weigel, dpa ?? Bilder, wie sie im Sommer 2013 nahe Deggendorf zu sehen waren. Mehrere Flutpolder entlang der Donau sollen einen besseren Hochwasser­schutz bieten.
Foto: Armin Weigel, dpa Bilder, wie sie im Sommer 2013 nahe Deggendorf zu sehen waren. Mehrere Flutpolder entlang der Donau sollen einen besseren Hochwasser­schutz bieten.

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