Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Stadtteile ohne Mitte
Geschäfte und Einrichtungen ziehen sich zurück. Jüngstes Beispiel ist die Post in Hochzoll. Die Stadt steuert dagegen, doch das reicht wohl nicht. Das liegt auch an uns allen
Entfernung. Die Geschäfte auf der Grünen Wiese sind größer, Parkplätze sind vor der Tür. Hand aufs Herz: Wer heute in den Supermarkt gehen würde, wie er ihn vor 30 Jahren in der Nachbarschaft hatte, würde sich angesichts der Enge, des kleinen Sortiments und vielleicht auch der fehlenden Parkplätze erst einmal die Augen reiben. Und nicht anders ist es mit Mode- oder Schuhgeschäften, die sich im Stadtteil zunehmend schwertun – sie leben noch von der (älteren) Stammkundschaft, die mit Online-Handel nichts am Hut hat.
Die Entwicklung ist eine Folge eines geänderten Konsumverhaltens. Sich den Supermarkt vor der Tür zu wünschen, wo man jederzeit schnell die Tüte Milch holen kann, passt nicht, wenn man sich im Alltag den Zehner-Pack H-Milch im Discounter kauft. Ein Stück weit haben wir es alle selber in der Hand, wie der Einzelhandel im eigenen Stadtteil aussieht.
Aber natürlich ist es auch an der Stadt, die Dinge zu steuern. Sie hat die Planungshoheit – wo ein neues Gewerbegebiet entsteht und welche Einzelhandelssortimente sich dort ansiedeln dürfen, bestimmt sie. Auch, wie Stadtteil-Hauptstraßen auszusehen haben, regelt die Stadt. Wo die Hauptachsen sich als breite hochbelastete Straße darstellen (etwa Haunstetten), wird es schwierig, weil sich niemand dort gerne aufhält. Selbst der Rückbau von Straßen im Zuge von Tramlinien (Donauwörther und Friedberger Straße) macht, ungeachtet der Verkehrsfolgen, keine Wohlfühlstraße. Die Probleme in einigen Stadtteilen rühren – neben den Eigenheiten wie der Bevölkerungsstruktur und der Kaufkraft – aus Fehlern der Vergangenheit her.
Immerhin packt die Stadt die Probleme an. Stadtteilinitiativen werden gefördert, in etlichen Vierteln laufen Sanierungsprojekte und es werden städtebauliche Konzepte erstellt. Das Ziel ist überall, die Stadtteile und ihre Zentren zu stärken – sei es in Lechhausen, in Hochzoll (Zwölf-Apostel-Platz), in Haunstetten, Oberhausen, Jakobervorstadt und und und. Allerdings dauert es Jahre, bis aus Konzepten auch etwas wird. Bei all dem geht es um mehr als darum, dass jeder einen Bäcker in der Nähe hat. Angesichts des rasanten Wandels im Handel muss Stadtteilentwicklung künftig vielleicht auch stärker ohne Geschäfte gedacht werden. Es ist nicht wünschenswert, aber vielleicht nicht aufhaltbar, dass die Zahl der Stadtteilläden abnimmt.
Es geht eigentlich darum, dass Stadtteile eine Mitte haben müssen, wo soziales Leben stattfinden kann und wo man sich über den Weg läuft – öffentliche Plätze (am besten mit Wochenmarkt), Kirchen, Begegnungszentren, Schulen als Motoren von Stadtteilentwicklung, vielleicht auch Behörden wie die Bürgerbüros.
All das gibt dem Stadtteil ein Gesicht und gibt den Bewohnern eine Identität.
Es muss Orte geben, wo man sich treffen kann