Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Gipfelwest­ern und Gruselsinf­onie

Das Herbert Pixner Projekt bringt mit völlig neuen Klangwelte­n Zuhörer zum Toben

- VON THOMAS HACK

Gersthofen War das psychedeli­scher Flamenco-Rock? Hypnotisie­rende Weltmusik? Alpenländi­scher Grusel-Jazz? Wie man die innovative­n Klänge der Band Herbert Pixner Projekt auch beschreibe­n mag – ihr neuestes Programm in der Gersthofer Stadthalle hat wieder einmal alle Erwartunge­n übertroffe­n.

Im Foyer drängten sich hunderte Besucher aller Altersgrup­pen, auf der Bühne lauerte ein wundersame­s Ensemble aus Harfe, E-Gitarre und Saxofon als Vorboten eines berauschen­den Instrument­alinfernos. Doch die erste Klangwelle, die den Saal zum Vibrieren brachte, kam nicht von den Instrument­en, sondern vom Applaus des Publikums, als die düster gekleidete­n Musiker langsam auf die Bühne schritten.

Und dass dieses Konzert etwas außergewöh­nlicher werden würde, ließen bereits die ersten Akkorde der Kombo erahnen: drohende Bassklänge als unheimlich­e Ouvertüre, rockige Gitarrenlä­ufe im Mittelfeld, ein atemberaub­endes Ziehharmon­ikagewitte­r aus Heavy-Metal-Riffs als krönender Abschluss dieser gewaltigen Soundsinfo­nie. Und doch war dies erst der Anfang des Ganzen. Noch relativ harmlos, aber wunderschö­n die Schweizer Alpen-Ballade „Antoni Schnee“, eine zur Musik gewordenen Poesie einer verschneit­en Winterland­schaft, die sich unheimlich friedlich, aber auch unheimlich unheimlich im Geiste der Zuschauer manifestie­rte. Die Harfe sorgte für nostalgisc­he Nonchalanc­e, die Trompete für die passende Tristesse, die Gitarre für den sphärische­n Gedankenfl­ug, der jedem Besucher eigene Gefühlswel­ten zugestand. Doch beim regionalen Alpenmelod­ram blieb es an diesem Abend nicht, ging der Melodienra­usch doch ungebremst weiter zu fremden Kulturkrei­sen und in die tiefsten Abgründe der menschlich­en Seele: Bei einem spanisch inspiriert­en Flamenco-Feuerwerk, kombiniert mit der Fingerfert­igkeit des Gitarrengo­ttes Django Reinhardts, fühlte man sich fast schon in einen Film Noir hineinvers­etzt, in welchem sich jeden Moment Johnny Depp mit Detektivhu­t und BleistiftS­chnauzbart dazugesell­en würde.

Beim düsteren „Könige der Nacht“war dagegen schon gar kein deutlich abgrenzbar­es Genre mehr erkennbar: Klingt es etwa so, wenn hypnotisie­rende Karibikrhy­thmen mit portugiesi­schem Fado und einer bayerische­n Variante des MissionImp­ossible-Soundtrack­s miteinande­r verschmelz­en? Entspannen­d dagegen schon wieder das elegische Harfensolo, das die Besucher akustisch in die mystischen Unterwasse­rwelten der dunklen Tiefsee eintauchen ließ.

In „Lost Elysion“begaben sich die progressiv­en Musiker auf die Suche nach dem verlorenen Paradies der griechisch­en Götterwelt, in „Serpent“fingen sie mit berauschen­der Brillanz die falsche Schlange aus dem Garten Eden ein – vordergrün­dig nicht ganz ernst gemeint, hintergrün­dig eine zeitgemäße Anklage an alle, die bei Notsituati­onen einfach nur danebenste­hen und zuschauen, statt couragiert einzugreif­en.

Doch die wohl bemerkensw­ertesten Leistungen an diesem Abend waren jenseits inhaltlich­er Sujets angesiedel­t: zum einen stach hier die Perfektion an den Instrument­en hervor (Heavy-Metal-Läufe auf der Harmonika, seufzende Violinenst­riche auf der Trompete), zum anderen überzeugte die Souveränit­ät der Musiker auf der Bühne.

Deren Meisterstü­ck führte dann schließlic­h wieder in die allerdunke­lste Welt der Berge zurück: Drei Hirten haben Frivoles vor und erschaffen aus Heuballen und einem Besenstiel eine Puppe, um sich mit dieser ungezwunge­n zu vergnügen. Was sie nicht wissen: Ihr unheimlich­es Strohwesen erwacht nächtens zum Leben und hat ganz eigene Pläne mit seinen Schöpfern. Jeder schlurfend­e Schritt der untoten Sagengesta­lt kam mittels der Bassanschl­äge näher auf das Publikum zu, bis die verzerrten E-Gitarren-Riffs schließlic­h für eine grausame Erlösung sorgten und die schwelgend­en Trompetenk­länge dem schauerlic­hen Spuk endgültig ein Ende setzten.

Wenn Jean-Michel Jarre auf Jimi Hendrix treffen würde ... Nein, bei Herbert Pixner Projekt läuft einfach jeder Vergleich ins Leere.

Diese Band hat sich schlichtwe­g eine Art von Musik zur Mission gemacht, die man niemals vorher gehört hat und niemals vergisst.

 ?? Foto: Thomas Hack ?? Musik wie aus einer anderen Sphäre: Dem Herbert Pixner Projekt gelang es in Gersthofen, mit ungewöhnli­chen Instrument­enduellen die Zuschauer in andere Welten zu entführen.
Foto: Thomas Hack Musik wie aus einer anderen Sphäre: Dem Herbert Pixner Projekt gelang es in Gersthofen, mit ungewöhnli­chen Instrument­enduellen die Zuschauer in andere Welten zu entführen.

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