Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Gipfelwestern und Gruselsinfonie
Das Herbert Pixner Projekt bringt mit völlig neuen Klangwelten Zuhörer zum Toben
Gersthofen War das psychedelischer Flamenco-Rock? Hypnotisierende Weltmusik? Alpenländischer Grusel-Jazz? Wie man die innovativen Klänge der Band Herbert Pixner Projekt auch beschreiben mag – ihr neuestes Programm in der Gersthofer Stadthalle hat wieder einmal alle Erwartungen übertroffen.
Im Foyer drängten sich hunderte Besucher aller Altersgruppen, auf der Bühne lauerte ein wundersames Ensemble aus Harfe, E-Gitarre und Saxofon als Vorboten eines berauschenden Instrumentalinfernos. Doch die erste Klangwelle, die den Saal zum Vibrieren brachte, kam nicht von den Instrumenten, sondern vom Applaus des Publikums, als die düster gekleideten Musiker langsam auf die Bühne schritten.
Und dass dieses Konzert etwas außergewöhnlicher werden würde, ließen bereits die ersten Akkorde der Kombo erahnen: drohende Bassklänge als unheimliche Ouvertüre, rockige Gitarrenläufe im Mittelfeld, ein atemberaubendes Ziehharmonikagewitter aus Heavy-Metal-Riffs als krönender Abschluss dieser gewaltigen Soundsinfonie. Und doch war dies erst der Anfang des Ganzen. Noch relativ harmlos, aber wunderschön die Schweizer Alpen-Ballade „Antoni Schnee“, eine zur Musik gewordenen Poesie einer verschneiten Winterlandschaft, die sich unheimlich friedlich, aber auch unheimlich unheimlich im Geiste der Zuschauer manifestierte. Die Harfe sorgte für nostalgische Nonchalance, die Trompete für die passende Tristesse, die Gitarre für den sphärischen Gedankenflug, der jedem Besucher eigene Gefühlswelten zugestand. Doch beim regionalen Alpenmelodram blieb es an diesem Abend nicht, ging der Melodienrausch doch ungebremst weiter zu fremden Kulturkreisen und in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele: Bei einem spanisch inspirierten Flamenco-Feuerwerk, kombiniert mit der Fingerfertigkeit des Gitarrengottes Django Reinhardts, fühlte man sich fast schon in einen Film Noir hineinversetzt, in welchem sich jeden Moment Johnny Depp mit Detektivhut und BleistiftSchnauzbart dazugesellen würde.
Beim düsteren „Könige der Nacht“war dagegen schon gar kein deutlich abgrenzbares Genre mehr erkennbar: Klingt es etwa so, wenn hypnotisierende Karibikrhythmen mit portugiesischem Fado und einer bayerischen Variante des MissionImpossible-Soundtracks miteinander verschmelzen? Entspannend dagegen schon wieder das elegische Harfensolo, das die Besucher akustisch in die mystischen Unterwasserwelten der dunklen Tiefsee eintauchen ließ.
In „Lost Elysion“begaben sich die progressiven Musiker auf die Suche nach dem verlorenen Paradies der griechischen Götterwelt, in „Serpent“fingen sie mit berauschender Brillanz die falsche Schlange aus dem Garten Eden ein – vordergründig nicht ganz ernst gemeint, hintergründig eine zeitgemäße Anklage an alle, die bei Notsituationen einfach nur danebenstehen und zuschauen, statt couragiert einzugreifen.
Doch die wohl bemerkenswertesten Leistungen an diesem Abend waren jenseits inhaltlicher Sujets angesiedelt: zum einen stach hier die Perfektion an den Instrumenten hervor (Heavy-Metal-Läufe auf der Harmonika, seufzende Violinenstriche auf der Trompete), zum anderen überzeugte die Souveränität der Musiker auf der Bühne.
Deren Meisterstück führte dann schließlich wieder in die allerdunkelste Welt der Berge zurück: Drei Hirten haben Frivoles vor und erschaffen aus Heuballen und einem Besenstiel eine Puppe, um sich mit dieser ungezwungen zu vergnügen. Was sie nicht wissen: Ihr unheimliches Strohwesen erwacht nächtens zum Leben und hat ganz eigene Pläne mit seinen Schöpfern. Jeder schlurfende Schritt der untoten Sagengestalt kam mittels der Bassanschläge näher auf das Publikum zu, bis die verzerrten E-Gitarren-Riffs schließlich für eine grausame Erlösung sorgten und die schwelgenden Trompetenklänge dem schauerlichen Spuk endgültig ein Ende setzten.
Wenn Jean-Michel Jarre auf Jimi Hendrix treffen würde ... Nein, bei Herbert Pixner Projekt läuft einfach jeder Vergleich ins Leere.
Diese Band hat sich schlichtweg eine Art von Musik zur Mission gemacht, die man niemals vorher gehört hat und niemals vergisst.