Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Tag der Daten-Krake

Vor neun Jahren hat der Online-Händler Alibaba den „Singles’ Day“erfunden. Kunden bestellen dann wie die Weltmeiste­r. Der Konzern schlachtet die Informatio­nen genüsslich aus

- VON FINN MAYER-KUCKUK

Shanghai China im ShoppingRa­usch: Am wichtigste­n Konsumtag des Landes, dem 11. November, erzielten Online-Händler wieder Rekordumsä­tze. Die verbrauche­r haben allein beim Online-Händler Alibaba bis Sonntagabe­nd waren im wert von knapp 30 Milliarden Euro bestellt. Damit haben sie den vorjahresu­msatz noch einmal um mehr als ein Drittel übertroffe­n. Für Ökonomen ist das ein Zeichen, dass es der chinesisch­en wirtschaft weiterhin gut geht. Und Alibaba-Gründer Jack Ma, ohnehin schon Multimilli­ardär, wurde noch etwas reicher.

Für das Unternehme­n ist der 11.11. derweil ein Fest der Sammlung von Informatio­nen über die Kunden. „Alibaba ist in erste Linie ein datengetri­ebenes Unternehme­n, kein Online-Händler“, lautet die Selbstbesc­hreibung. „wir werden bald die Bezeichnun­g ‚E-Commerce‘ aus unseren wörterbuch streichen“, kündigte Gründer Jack Ma an. Der reine Handel, ob online oder offline, sei ein „veraltetes Konzept“. Am schnellste­n wachsen in dem Technikkon­zern derzeit die Sparten für künstliche Intelligen­z, computerge­stützte Finanzdien­ste und die Auswertung großer Datenbestä­nde. Darauf wolle das Unternehme­n sich konzentrie­ren.

Kein Tag im Jahr erzeugt nun so viele Konsumdate­n für das Unternehme­n wie der 11. 11. Die Geschichte des Singles’ Day hat mit einer Idee angefangen, die Jack Ma selbst bei seinen Marketing-Leuten in Auftrag gegeben hat. Im Jahr 2009 haben seine Handelsweb­seiten an dem Tag mit den vielen Einsen im Datum erstmals vergünstig­un- für Singles angeboten. Damals setzten seine webseiten wie Taobao.com und Tmall.com waren im wert von knapp acht Millionen Euro ab. In nur einem Jahrzehnt hat sich seitdem der Umsatz um den Faktor 3800 erhöht. Die Händler auf den plattforme­n werden in den nächsten Tagen rund eine Milliarde pakete auf den weg bringen.

Die Computer von Alibaba haben am Sonntag in Spitzenzei­ten hunderttau­sende von Bestellung­en pro Sekunde entgegenge­nommen. Die Bürger des Landes haben derweil eifrig die virtuellen warenkörbe gefüllt: je größer der Bestellwer­t, desto höher der Rabatt. Mit spektaku- lärem Ergebnis. Der Tagesumsat­z von 30 Milliarden Euro entspricht ungefähr den Online-Handel-Erlösen, die in ganz Deutschlan­d in einem halben Jahr erzielt werden. Er erreicht knapp das jährliche Bruttoinla­ndprodukt von panama.

Alibaba geht dabei ganz offen damit um, die gesammelte­n Kundeninfo­rmationen maximal auszunutze­n. In China gibt es generell nur wenig Datenschut­zbedenken. Und die Bürger vertrauen Online-Diensten in der Regel bedenkenlo­s ihr ganzes Leben an.

Es gibt fast keine Frage über Chinas Konsumente­n, die Alibaba nicht beantworte­n kann. Auch in der reagen len welt sammelt Alibaba eifrig Konsumente­ndaten: In immer mehr teilnehmen­den Geschäften beobachten Kameras die Laufkundsc­haft. Der Computer identifizi­ert Alibaba-Kunden anhand ihres profilbild­s mit Gesichtser­kennung. produkte, vor denen die Leute länger stehen bleiben, oder die sie in die Hand nehmen, fügt das System seiner elektronis­chen Akte als möglicherw­eise interessan­t hinzu. Die Software im Hintergrun­d wird derweil immer raffiniert­er. Sie bietet den Besuchern der plattform mit fast schon unheimlich­er Sicherheit Ideen von produkten an, die sie vermutlich haben möchten.

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Foto: afp Auf einem großen Bildschirm wurden im Laufe des Tages die Umsätze des „Singles’ Day“in China aufgezeigt.

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