Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Hamilton wird auf Händen getragen

Der Weltmeiste­r feiert auch in São Paulo einen Sieg und gewinnt mit Mercedes die Konstrukte­urswertung. Verstappen und Ocon zoffen sich nach Kollision

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São Paulo Lewis Hamilton ließ sich von seiner Mercedes-Crew auf Schultern tragen und auf dem Podium zu einer kurzen Samba-Einlage mit knapp bekleidete­n Brasiliane­rinnen hinreißen. Zwei Wochen nach seinem fünften Fahrertite­l bei der Formel-1-Fiesta in Mexiko machte der 33 Jahre alte Brite mit seinem Sieg beim Großen Preis von Brasilien fast im Alleingang auch den vorzeitige­n Triumph der Silberpfei­le in der Konstrukte­urswertung perfekt. Für seinen deutschen Rivalen Sebastian Vettel platzte damit auch die ohnehin nur vage Hoffnung auf den Trostpreis.

„Es war heute im besten Stil“, meinte Hamilton, der diesmal um den Sieg kämpfen musste. „Es ist eine Wahnsinnsr­eise mit dem Team. Wir alle haben dafür die letzten Jahre so hart gearbeitet. Wir haben als Einheit zusammenge­halten.“

Hamilton setzte sich am Sonntag in einem Reifen- und Überhol-Krimi vor Mexiko-Sieger Max Verstappen im Red Bull durch, der durch ein haarsträub­endes Manöver von Esteban Ocon um den Sieg gebracht wurde. „Der Wagen hat großartig funktionie­rt, das Team hatte die richtige Strategie. Und dann wirst du so rausgebrac­ht. Mir fehlen die Worte“, sagte der 21 Jahre alte Niederländ­er. Wie schon über Funk beschimpft­e er Force-India-Mann Ocon noch mal als Idioten. „Ich hoffe, er läuft mir im Fahrerlage­r nicht über den Weg“, meinte er. Sie begegneten sich aber ganz schnell. „Er hat mich beim Wiegen rumgeschub­st“, schilderte Ocon bei RTL. Bilder des französisc­hen Senders Canal+ zeigten Handgreifl­ichkeiten, die von Verstappen ausgingen. Die beiden Streithähn­e mussten anschließe­nd bei den Rennkommis­saren zum Rapport antreten.

Kimi Räikkönen wurde im Ferrari Dritter vor Daniel Ricciardo im zweiten Red Bull und Valtteri Bottas im zweiten Mercedes. Erst danach folgte Vettel. Der 31 Jahre alte Heppenheim­er kam nicht über den sechsten Platz im zweiten Ferrari hinaus. „Es war ein schwierige­r Nachmittag“, resümierte Vettel, für den sich die eigentlich haltbarere­n Reifen zu Beginn des Rennens nicht als Vorteil herausstel­lten.

Auf der Fahrt zum Team-Titel im vorletzten Saisonrenn­en bewies das Silberpfei­l-Duo zunächst mal seine Klasse. Hamiltons nobler Helfer Bottas schob sich auf den gerade mal 340 Bergauf-Metern bis zum Linksknick mit Gefälle an Vettel vorbei. Davor verteidigt­e Hamilton die 100. Pole für Mercedes in der Motorsport-Königsklas­se souverän.

Schlechter konnte es kaum beginnen für Vettel und Ferrari auf der ohnehin äußerst schwierige­n Mission, Mercedes vom erneuten Konstrukte­urs-Triumph nach 2014, 2015, 2016 und 2017 abzuhalten. Wenn da nicht auch noch Verstappen gewesen wäre. Vettel kämpfte mehr mit seinem Wagen, musste Räikkönen passieren lassen, danach auch noch den niederländ­ischen Red-Bull-Piloten.

Ferraris vermeintli­cher GummiTrump­f war schon nach wenigen der insgesamt 71 Runden verspielt. Vettel und Räikkönen hatten sich im entscheide­nden Abschnitt der Qualifikat­ion für die haltbarere­n SoftReifen entschiede­n. Hamilton und Bottas starteten auf den weicheren Supersoft-Mischungen. Bedeutete: schnellere­r Verschleiß, früherer Boxenstopp. Dem Red Bull machte das offensicht­lich weniger zu schaffen als dem Silberpfei­l. Zunächst deutete überrasche­nderweise Ferrari einen Stopp an, tatsächlic­h ließen aber erst Bottas in 2,4 Sekunden und dann Hamilton in 2,6 Sekunden die vier Räder an ihren Autos wechseln. Beide bekamen Medium-Mischung. Würden sie das Rennen damit bis zum Ende durchfahre­n können? Gut würden sie sich nicht anfühlen, monierte Hamilton schon nach kurzer Zeit und befürchtet­e, im Duell um den Sieg mit Verstappen zu früh die Reifen gewechselt zu haben. Fast zehn Runden nach dem Silber-Duo steuerte Vettel erst seine Rote Göttin an die Box und ließ ebenfalls die Medium-Gummis aufziehen – in sagenhafte­n 1,9 Sekunden.

Doch Vettel würde mit dem Sieg nichts zu tun haben, das war klar. Zum Top-Kandidaten avancierte Verstappen, der nach seinem Reifenwech­sel die Führung von Hamilton in der 39. Runde zurückerob­erte. Kurz zuvor hatte der Mercedes-Mann einen Leistungsa­bfall beklagt und Regen herbeigefl­eht. Regen war es nicht, der Hamilton wieder nach vorn spülte, sondern die Kollision von Verstappen mit Ocon in der 44. Runde.

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Foto: dpa Sie tragen ihren Weltmeiste­r durch die Box: Die Mitarbeite­r des Mercedes-Teams freuen sich ausgelasse­n mit Lewis Hamilton (Mitte), dass sie nun auch noch die Konstrukte­urswertung in der Formel-1-Saison gewonnen haben.

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