Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Einfach machen
Ihr rodet unseren Wald – wir wechseln den Stromanbieter: Das denken sich gerade viele Menschen und schaffen Fakten. Der Ökoenergieanbieter Greenpeace Energy berichtet aktuell von einem massiv gestiegenen Kundenzulauf. Viermal mehr Stromverbraucher wie üblich wechseln momentan. Dies stehe offenbar in direktem Zusammenhang mit den öffentlichkeitswirksamen Auseinandersetzungen um den Hambacher Forst und den dort geplanten Braunkohleabbau durch den Energiekonzern RWE.
Auch wir haben nun unsere Konsequenzen gezogen. Ab kommendem Januar beziehen wir 100 Prozent Ökostrom aus Bayern. Vor allem Wasserkraft vom Inn, aber auch regionale Solar- und Windkraftanlagen werden nun durch unser Geld gefördert. Und dass wir nun bei einem Zusammenschluss von genossenschaftlich organisierten Anbietern sind, ist uns eindeutig lieber als weiterhin bei einem aktiengesteuerten Großkonzern zu sein. Die Kosten sind übrigens sogar geringer als beim bisherigen Anbieter, der seinen Strom zwar zum Teil mit Wasserkraft vom Lech erzeugt, aber eben eine Mixtur mit Atomstrom und Kohle verkauft. Und so ist es zu der Entscheidung gekommen.
An einem ganz normalen Tag im September las ich meine Mails und schaute auf Facebook vorbei. Vor allem interessierten mich die Entwicklungen im Hambacher Forst. Ich entdeckte das Video eines etwa 14-jährigen Jungen, so alt wie meine Kinder, der bei der Demo gegen die Rodung dabei war.
Das Video hatte eine klare Botschaft: „Ich will später nicht in einer Welt leben, die total verschmutzt ist und nur noch aus Kratern besteht. Auch wenn wir hier verlieren, kann ich, wenn ich groß bin, einmal sagen, dass ich etwas getan habe. Ich habe etwas für meine Welt gevielen macht.“Mich berührten die Worte dieses Jungen sehr. Eine Mischung aus Bestürzung, Trauer, Zorn und Tatendrang kam zusammen. Schluss damit! Wir haben uns mit dem Thema auseinandergesetzt und herausgefunden, dass unser bisheriger Stromlieferant zu 100 Prozent einem Tochterunternehmen von RWE angehört.
Klar gibt es auch Ökoschienen bei Stromanbietern – aber für mich ist das nur linke Tasche, rechte Tasche. Also recherchierten wir alle möglichen Ökostromanbieter, und es begann ein engagierter Austausch über soziale Medien. Einige Bekannte nutzten bereits Ökostrom, andere wollen jetzt auch wechseln. Auch die Aktienpakte und Geldanlagen kommen nun unter die Lupe. Längst ist die Auseinandersetzung um den Hambacher Forst ein symbolischer Kampf gegen die schmutzige Kohleverstromung und weitere Klimaschädigungen geworden – zuletzt mit einem Waldspaziergang, an dem sich etwa 15000 Menschen für den Erhalt einsetzten. Um die politischen Ziele durchzusetzen, bediente sich die Landesregierung eines Tricks, um die Baumhäuser loszuwerden: Die Brandschutzvorschriften seien nicht erfüllt worden. Der soziale Frieden scheint egal zu sein, die Szenen erinnern an Gorleben und Wackersdorf. Es ist eine absurde Machtdemonstration auf dem Rücken der Polizei für eine Energiepolitik, die längst keine Zukunft mehr hat.
In der hoch mechanisierten deutschen Braunkohlewirtschaft gibt es laut einer Studie nur noch rund 20 000 Arbeitsplätze. Im ÖkostromSektor arbeiten laut dem Bundesverband Erneuerbare Energien etwa 330 000 Menschen. Tendenz: steigend! Wozu das Ganze also? Warum soll ein 12 000 Jahre alter Wald gerodet werden und damit ein wertvolles Ökogefüge mit allen Tieren und Pflanzen vernichtet werden? Kohle bringt dreckigen Strom, und Deutschland verfehlt seine CO2-Ziele erneut. Doch jeder kann im Kleinen die Weichen stellen und sich für Ökostrom entscheiden – so wie wir das jetzt machen.
Symbolfotos: Marcus Merk
Anja Dördelmann ist die Vorsitzende der Genossenschaft Herzstück Horgau und setzt jetzt auf Ökostrom.