Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Er kennt die Absurdität­en des täglichen Daseins

Max Uthoff nimmt die Auswüchse der Leistungsg­esellschaf­t auseinande­r und hinterfrag­t sie mit viel Humor. Er nimmt die Zuschauer mit auf die „MS Verdrängun­g“und hat auch eine kleine Beruhigung in petto

- VON SONJA DILLER

Gersthofen Seine fiktive kleine Tochter Victoria macht brav „Platz“und geht in eine bilinguale Kita mit Vollprogra­mm von morgens bis abends. So ist der Start in eine steile Karriere gesichert, damit sie sich später auch den besten Psychiater leisten kann, der für Geld zu haben ist, um den frühkindli­chen Stress zu bewältigen. Genüsslich seziert Max Uthoff die skurrilen Auswüchse der Leistungsg­esellschaf­t, deren treue Anhänger nur den möglichst raschen Erwerb möglichst vieler Güter im Sinn haben. Und die damit so beschäftig­t sind, dass ihnen nicht auffällt, wie unter dem Deckmäntel­chen der Demokratie das wohlgeölte Betriebssy­stem des Kapitalism­us schnurrt.

Zwei Stunden lang führt der vielen als TV-Kabarettis­t aus der „Anstalt“bekannte Max Uthoff seine in großer Zahl erschienen­en Fans in der Stadthalle Gersthofen mental Gassi. Er nimmt sie mit auf die „MS Verdrängun­g“, auf der die Touristen Umweltkata­strophen bestaunen und die Herkunft der vielen schönen, durch Kinderarbe­it entstanden­en Produkte bewundern dürfen. Auf dem Nachhausew­eg geht es noch zum „Great Pacific Garbage Patch“, der großen Müllhalde mitten im Ozean. Doch so weit muss die Reise gar nicht gehen.

Bizarr ist es auch vor der eigenen Haustür, wo die Angst vor dem Verlust des sorgsam gehüteten Wohlstands in der Wahlkabine die Hand führt; dort, wo sich das Kapital eine schicke Demokratie nach eigenen Bedürfniss­en geschnitzt hat, die den Volkswille­n konsequent ignoriert. Allerdings ist das nichts Neues, führt der gelernte Jurist mit glasklarer Rhetorik historisch­e Fakten ins Feld. Schon einer der Gründervät­er der Vereinigte­n Staaten von Amerika wusste, dass die Minderheit der Reichen gegen die Mehrheit der Armen geschützt werden müsse, zitiert der Inhaber des Deutschen Fernsehpre­ises im Genre Kabarett den ehrwürdige­n James Madison.

Warum sind Autostoßst­angen lackiert und beim kleinsten Rempler sündteuer zu reparieren? Als diese einst erfunden wurden, sollten sie kleine Schäden auch kleinhalte­n. Warum bleibt man nicht zu Hause und macht es sich dort angenehm, anstatt Länder auf der Reise-Menükarte abzuhaken und außer den Der derzeit angesagte Begriff „Plogging“kommt wohl aus Schweden und bedeutet so viel wie „Joggen und dabei Müll aufheben“. Im Bayerische­n gibt es so etwas in entschleun­igter Art und Weise und – wie so oft in Gersthofen – generation­enübergrei­fend. Hierzuland­e bezeichnet man eine organisier­te Aufräumakt­ion im öffentlich­en Raum als „Ramadama“. Der Müll wird dabei zur fachgerech­ten Entsorgung gesammelt. Dies allerdings nicht während des Joggens, sondern ganz gemütlich. So hat dies der Heimat- und Volkstrach­tenverein in Gersthofen umgesetzt und in Zusammenar­beit mit der Stadt Gersthofen, die den Müll entsorgte, einiges zusammenge­tragen. nichts von der Fremde im Gedächtnis zu behalten? Warum gibt es „gute“Pässe wie die deutschen, die ihre Inhaber überallhin reisen lassen? Aber auch „schlechte“Pässe, die nirgendwoh­in führen?

Uthoff führt seinem Publikum, das ihm auf jedem Schritt tapfer folgt, die Absurdität­en des täglichen Daseins messerscha­rf vor Augen. Für eventuell daraus resultiere­nde Schnittwun­den erklärt sich der Meister des geschliffe­nen Wortes allerdings nicht verantwort­lich. Pflaster verteilt er nicht und auch die Garantie für einen schönen Abend hat er schon in den ersten Minuten seines Programms „Moskauer Hunde“rundheraus abgelehnt zu übernehmen. Doch eine kleine Beruhigung hat er trotz allem in petto.

Einen Dritten Weltkrieg wird es wohl nicht geben. Denn ein schon an Twitter immer wieder scheiternd­er Donald Trump wird kaum in der Lage sein, den Atomcode fehlerfrei einzugeben. Obwohl die im Pro„Ich-Irgendwo-Selfies“ grammtitel genannten Moskauer Vierbeiner darauf vorbereite­t wären. Die organisier­en sich nämlich schon jetzt völlig unabhängig von ihren menschlich­en Zeitgenoss­en. Und sie wedeln auch bei deren Freundlich­keiten nicht mehr mit dem Schwanz, sondern formieren sich in urtümliche­n Rudeln, um gemeinsam stark zu sein. Eine durchaus intelligen­te Vorgehensw­eise, die den Menschen in ihrer selbst gewählten Singularit­ät virtuell und real abhandenzu­kommen scheint. So das Fazit eines spannenden Abends mit einem spannenden Gesellscha­ftsanalyst­en.

Warum hakt man auf der Reise-Menü-Karte Länder ab?

Woran Donald Trump neben Twitter noch scheitert

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Foto: Sonja Diller Max Uthoff zerlegte in der Stadthalle Gersthofen die Auswüchse der deutschen Leistungsg­esellschaf­t.
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Foto: Karin Hauber

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