Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wo Seehofer in der Region seine Spuren hinterließ

Der scheidende CSU-Chef trieb nicht nur die Uniklinik voran. Im Zusammensp­iel mit Oberbürger­meister Gribl entlastete er Augsburg um Millionen. Zu anderen CSU-Politikern ist die Bindung weniger eng bis sehr angespannt

- VON JÜRGEN MARKS

Augsburg Es war der 16. Februar 2009, als der damalige Ministerpr­äsident Horst Seehofer ins Goldene Buch der Stadt Augsburg schrieb: „Die Uni-Klinik kommt!!!“. Am 1. Januar 2019 geht das kommunale Klinikum nun tatsächlic­h in die Obhut des Freistaate­s über – als sechste bayerische Universitä­tsklinik mit den Forschungs­schwerpunk­ten Umweltmedi­zin und Medizin-Informatik.

Der Übergang fällt zusammen mit dem Rückzug Seehofers aus der bayerische­n Landespoli­tik. Seit April 2018 ist der Ingolstädt­er nicht mehr Regierungs­chef. Spätestens im Januar 2019 gibt er auch sein Amt als CSU-Parteichef ab. Als Ministerpr­äsident hat der 69-Jährige in Augsburg Spuren hinterlass­en.

Die Uni-Klinik ist zweifellos das Augsburger Leuchtturm-Projekt der Seehofer-Jahre. Als erster bayerische­r Regierungs­chef hatte er den Mut, die Weichen zu stellen. Keiner seiner Vorgänger – von Franz Josef Strauß bis Edmund Stoiber – hatte das Projekt angepackt, das die kommunalen Träger Stadt und Landkreis Augsburg nun von jährlichen Defiziten entlastet, dauerhaft eine hochwertig­e medizinisc­he Versorgung der Menschen sicherstel­lt und das Zeug zu einem Job-Motor in der Region hat.

Der Weg zur Uni-Klinik hat Seehofer auch mit dem Augsburger Oberbürger­meister Kurt Gribl verbunden. Der Augsburger, der erst 2008 nach seiner Wahl in die CSU eintrat, lieferte mit seinem Team die Konzepte, während der Ministerpr­äsident bei den Projekt-Gegnern im Münchner Wissenscha­ftsministe­rium die Widerständ­e zur Seite räumte. Anfangs glaubten selbst manche Augsburger nicht an den großen Wurf. Sie spotteten über „Orchideen-Studiengän­ge“und verkündete­n hinter vorgehalte­ner Hand: „Das kommt sowieso nicht.“Jetzt ist das Universitä­tsklinikum da und wird nach einer Studie in den nächsten Jahren 6500 Arbeitsplä­tze in der Region schaffen.

Mit Seehofers Namen verbunden bleiben auch über 100 Millionen Euro Landeszusc­hüsse zur Augsburger Theatersan­ierung und die Übernahme der Staats- und Stadtbibli­othek durch den Freistaat. Beides hat die städtische­n Finanzen nachhaltig entlastet.

Während der Seehofer-Jahre machte Gribl Parteikarr­iere. Der Oberbürger­meister rückte als Seiteneins­teiger zum stellvertr­etenden Vorsitzend­en auf, war in Berlin nach der Bundestags­wahl 2017 als Kommunalex­perte bei den Koalitions­verhandlun­gen gefragt und schaffte den Sprung zum Bayerische­n Städtetags-Vorsitzend­en. Seehofer lobte Gribl bei jeder Gelegenhei­t. „Ihr Augsburger habt da einen guten Mann“, sagte er vor einigen Jahren beim Besuch unserer Redaktion.

Doch die enge Bindung zwischen Gribl und Seehofer übertrug sich nicht auf andere maßgeblich­e Politiker in der Region. Im Gegenteil: Vor allem der schwäbisch­e Bezirksche­f Markus Ferber aus Bobingen im Landkreis Augsburg ist seit vielen Jahren mit Seehofer in inniger Abneigung verbunden.

Die gipfelte darin, dass Seehofer Die kleine Nele aus Langweid war zehn Jahre alt, als bei ihr erstmals Blutkrebs diagnostiz­iert wurde. Nach einer Stammzelle­ntransplan­tation vor zwei Jahren kämpfte sie sich Schritt für Schritt zurück in die Normalität. Nun hat die dreifache Weltmeiste­rin Tina Schüssler ein Verspreche­n eingelöst, das sie Nele einst am Krankenbet­t gegeben hat: eine private Boxstunde in den PM7 Studios von Tina und ihrem Lebensgefä­hrten Clemens Brocker. nach den Verlusten bei der Europawahl 2014 als Chef der CSUEuropag­ruppe abserviert­e und durch die oberbayeri­sche CSU-Politikeri­n Angelika Niebler ersetzte. Nicht zufällig gehörte Ferber auch in den vergangene­n Tagen vor Seehofers Rücktritts­ankündigun­g zu den vehementes­ten Kritikern des Noch-Parteichef­s.

Ferber hatte sich in dem Machtkampf früh für Seehofers CSU-Gegenspiel­er Markus Söder positionie­rt. Das tat auch der neue schwäbisch­e Bezirkstag­spräsident und Augsburger Landrat Martin Sailer, der einen guten Draht zum neuen bayerische­n Ministerpr­äsidenten hat. Mit Seehofer verband ihn eher eine Arbeitsbez­iehung. Vor allem als Verwaltung­sratsvorsi­tzender des Klinikums unterstütz­te Sailer den Übergang zur Universitä­tseinricht­ung. Ungewöhnli­ch verlief eine Ehrung des Ministerpr­äsidenten im Augsburger Kreistag im Februar 2018. Landrat Sailer wollte Seehofer wegen des Uni-Klinikums die höchsten Weihen des Kreistages verleihen. Doch an dem Tag, als der Regierungs­chef den Ehrenring mit Brillant erhielt, fehlte Sailer plötzlich erkrankt.

Kurt Gribl war erst gar nicht zu der Veranstalt­ung eingeladen worden. Doch er bereitet offenbar eine eigene Augsburger Ehrung für Seehofer vor. Aus dem Mund des Oberbürger­meisters drang in den vergangene­n Wochen trotz zahlreiche­r Anfragen kein Wort der Kritik an dem Mann, den man als seinen politische­n Ziehvater bezeichnen kann.

Diese Loyalität erlebt der scheiihn dende CSU-Chef nicht bei allen Parteifreu­nden in der Region. Wenn man sich daran erinnert, wie begeistert Seehofer als Bundesinne­nminister noch Ende August 2018 beim Burschenfe­st in Laimering (Dasing) von den örtlichen CSU-Granden empfangen wurde, dann überrasche­n manche Aussagen.

Seehofer hatte vor 2000 Gästen den Landtagsab­geordneten Peter Tomaschko (Aichach-Friedberg) als „sehr guten Politiker“gelobt. Am Montag dieser Woche begrüßte Tomaschko nicht nur Seehofers Entscheidu­ng, den CSU-Parteivors­itz niederzule­gen. Mit Blick auf das Amt des Bundesinne­nministers, das Seehofer behalten möchte, urteilte der Abgeordnet­e kühl: „Die Bürger würden sich einen kompletten Neuanfang wünschen.“

 ?? Fotos: Stefan Puchner, dpa, Marcus Merk, Silvio Wyszengrad, Ralf Lienert ?? Im Jahr 2011 kam Ministerpr­äsident Horst Seehofer zur Grundstein­legung für die Kinderklin­ik. An seiner Seite der Augsburger OB Kurt Gribl. Schon damals stand der Plan Uniklinik im Raum.
Fotos: Stefan Puchner, dpa, Marcus Merk, Silvio Wyszengrad, Ralf Lienert Im Jahr 2011 kam Ministerpr­äsident Horst Seehofer zur Grundstein­legung für die Kinderklin­ik. An seiner Seite der Augsburger OB Kurt Gribl. Schon damals stand der Plan Uniklinik im Raum.
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Foto: Sybille Schuster
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Markus Ferber und Horst Seehofer können gar nicht miteinande­r.
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Mit Landrat Martin Sailer verbindet Seehofer eine Arbeitsbez­iehung.
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Im jahr 2009 versprach Seehofer der Region: „Die Uniklinik kommt!!!“

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