Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Schon beim Bau machte der Boden Probleme

Ein Blick ins Archiv zeigt, dass das geräumte Haus am Oberen Graben nicht das einzige Altstadt-Gebäude ist, bei dem die Fundamente für Verdruss sorgten. Inzwischen hat der erste Ladenbesit­zer woanders Obdach gefunden

- VON STEFAN KROG

Nach der Räumung des Gebäudes am Oberen Graben 8 wegen Einsturzge­fahr gingen dort am Dienstag die Untersuchu­ngen weiter. Mittels weiterer Probebohru­ngen vom Keller aus soll festgestel­lt werden, wie tragfähig der Untergrund ist. Nachdem erste Bohrungen Ende vergangene­r Woche bis zu zwei Meter große Hohlräume zutage gefördert haben, hatte die Stadt das Haus mit einem Betreuten Wohnen und vier Geschäften zügig räumen lassen.

Unklar ist noch, wie es zu der Hohlraumbi­ldung kommen konnte. Ein Ansatzpunk­t ist, dass sich das Haus nicht auf gewachsene­m Boden befindet, sondern dort, wo früher der Stadtgrabe­n lag. Heute fließt der Innere Stadtgrabe­n als etwa drei Meter breiter Kanal gemächlich dahin und ist nur ein Relikt des früheren Gewässers, das durch seine größere Breite Feinde von der Stadt fernhalten sollte.

Schon beim Bau des 1899 fertiggest­ellten Gebäudes machten die Bodenverhä­ltnisse den Bauarbeite­rn und Planern zu schaffen. „Die Baukosten für den Neubau wurden durch tiefe Fundamenti­erungen in schlammige­m Untergrund wesentlich erhöht“, heißt es in einem Bericht zu den Bauarbeite­n, den Stadthisto­riker Franz Häußler in seinem Archiv hat. Die westliche Außenmauer, die auch die Einfassung des Stadtgrabe­ns bildet, wurde auf einem sogenannte­n Pfahlrost errichtet, um ihr genug Halt auf dem weichen Boden zu geben. Bei den Innenwände­n wurden hölzerne Grundpfeil­er benutzt, die inzwischen verfault sind. Möglicherw­eise, so die Stadt, hängt dies damit zusammen, dass sie mit gefallenem Grundwasse­rspiegel nicht mehr im Wasser standen und so vor Fäulnis geschützt waren, sondern nur in leicht feuchtem Erdreich.

Unkomplizi­ert ist der Boden in der Altstadt nicht. Auch beim Bau des 1903 errichtete­n Stadtbades einige hundert Meter weiter bereiteten die Bodenverhä­ltnisse den Planern wenig Vergnügen. Der Untergrund des einst vom Findelbach durchfloss­enen Grundstück­s musste für ein derart schweres Gebäude erst mit einem Pfahlrost tragfähig genug gemacht werden. Und auch Elias Holl plagte sich schon mit den Bodenverhä­ltnissen im Lechvierte­l ab.

Beim Bau der Stadtmetzg ließ Holl Stämme in den Morast rammen und verlegte darauf waagrechte Balken, die die Fundamente tragen sollten. Auch dort war der Boden weich, weil er durch Lechkanäle feucht gehalten wurde und vor Urzeiten dort ein Seitenarm des Lechs lief. In den 1950er-Jahren kam es bei der Stadtmetzg zu Rissen in den Mauern, nachdem die Stadt den früher unter dem Gebäude laufenden Lechkanal etwas verlegte. Das Holz begann ohne Wasserumsp­ülung zu faulen. 1960 musste die Stadt die Überreste des Hollschen Holzrostes durch Beton ersetzen, der bis in sechs Meter Tiefe ins Erdreich gespritzt wurde.

Bis Ende der Woche soll bei der Stadt ein Sanierungs- und Sicherungs­konzept für das Haus am Oberen Graben 8 vorliegen. Vermutlich es auch hier darauf hinauslauf­en, ein neues Fundament aus Beton für die Innenwände in den Boden einzusprit­zen.

Während 21 Bewohner des Betreuten Wohnens inzwischen in leer stehenden Wohnungen im AnnaHinter­mayr-Stift und im Servatiuss­tift sowie bei Verwandten untergekom­men sind, dauert die Suche für die Inhaber der Geschäfte im Erdgeschos­s noch an. Untergebra­cht sind dort eine Goldschmie­de, ein Waxing-Studio, ein Friseur und ein Perückenge­schäft.

„Derzeit prüfen wir mögliche Optionen und gleichen die Standortan­forderunge­n der Mieter mit möglichen Ausweichqu­artieren ab“, sagt Bürgermeis­terin Eva Weber. Seit Samstag sei man mit den Geschäftsl­euten in Kontakt. Es zeichneten sich bereits Lösungen ab.

Zumindest der Friseursal­on „Haarscharf“hat schon eine neue Bleibe. Er ist in den Räumen der Friseurinn­ung in der Stettenstr­aße 20 untergekom­men. Dort hat die Innung für Schulungen und Prüfungen zwei Räume, die als Friseursad­ürfte lon eingericht­et sind. „Es war keine Frage, dass wir helfen“, sagt Innungs-Chef Matteo Leggio. Auch „Haarscharf“-Chef Berndt Wagner fiel ein Stein vom Herzen, als er das Angebot bekam. „Das war Hilfe in einer echten Notsituati­on.“Er habe sich schon Sorgen gemacht, dass er im schlimmste­n Fall nicht alle 18 Leute aus seiner Belegschaf­t während der Schließung weiterbesc­häftigen können werde. Das sei nun vom Tisch. Auch die Stadt hatte Wagner zwei leer stehende Friseursal­ons genannt.

 ?? Foto: Sammlung Häußler ?? Ein Bild aus dem Jahr 1898 zeigt die Fundamenti­erungsarbe­iten für das Haus am Oberen Graben 8. Das Haus steht auf dem Areal links im Bild an der Böschung zur Fahrbahn. Rechts ist das Kanalbett des Inneren Stadtgrabe­ns zu sehen. Wegen des schlammige­n Untergrund­s verteuerte­n sich die Baukosten.
Foto: Sammlung Häußler Ein Bild aus dem Jahr 1898 zeigt die Fundamenti­erungsarbe­iten für das Haus am Oberen Graben 8. Das Haus steht auf dem Areal links im Bild an der Böschung zur Fahrbahn. Rechts ist das Kanalbett des Inneren Stadtgrabe­ns zu sehen. Wegen des schlammige­n Untergrund­s verteuerte­n sich die Baukosten.
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Berndt Wagner vom Friseur „Haarscharf“ist erleichter­t, in den Räumen der Friseurinn­ung in der Stettenstr­aße untergekom­men zu sein.
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Fotos: Silvio Wyszengrad Ein Blick auf die Rückseite des evakuierte­n Gebäudes am Oberen Graben 8. Direkt am Haus fließt der Stadtgrabe­n (durch die Brüstung verdeckt).

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