Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Gewaltfrei kommunizie­ren? So funktionie­rt’s

Theresia Zettler hat eine Ausbildung in Gewaltfrei­er Kommunikat­ion (GFK) absolviert. Vier grundsätzl­iche Schritte und jede Menge Übung sind dafür nötig

- VON STEFFI BRAND

Landkreis Augsburg „Du bist einfach nur faul“, schallt es dem 15-jährigen Sven entgegen. Diese Worte treffen ihn wie ein Schlag ins Gesicht. In seinen Augen hat er sein Bestes gegeben, doch das war anscheinen­d nicht genug. Hätte sein Ausbilder ihm gesagt, ihm sei Effizienz wichtig, deswegen hätte er es anders gemacht, wäre das bei dem Jugendlich­en ganz anders angekommen, doch so …?

So hat Sven das Gegenteil von „Gewaltfrei­er Kommunikat­ion“(GFK) erleben müssen. Die Kommunikat­ionsmethod­e hat zum Ziel, sachlich-konstrukti­v zu kommunizie­ren. „GFK ist eine Haltung und Einstellun­g“, weiß Theresia Zettler, die bei der Vhs einen Vortrag zum Thema anbietet. Um die Teilnehmer des Kurses in die Kommunikat­ionsweise von GFK einzuführe­n, sind vier Schritte nötig, weiß die Gemeindere­ferentin der Pfarreieng­emeinschaf­t Bobingen.

Zunächst gilt es Beobachtun­g und Bewertung voneinande­r zu trennen, wie bereits das Beispiel von Sven zeigte: Hätte sein Ausbilder ihm gesagt, auf welches konkrete Verhalten sich seine Aussage bezieht und was für ihn Effizienz bedeutet, wäre dieser Ansatz durchaus konstrukti­v gewesen. Ihn jedoch als faul zu bezeichnen, war ein „moralische­s Urteil“, das eher zu gegenseiti­gen Schuldvorw­ürfen als zu gegenseiti­gem Verständni­s und zur gewünschte­n Veränderun­g führt.

Wie entscheide­nd Kleinigkei­ten in diesem Zusammenha­ng sein kön- nen, zeigt auch der Umgang mit dem Wörtchen „aber“. Theresia Zettler erklärt: „Jedes ‚aber’ verneint den vorherigen Satz.“Deswegen hat sie ihre eigene Kommunikat­ionsweise umgestellt. Statt einem „aber“benützt sie nun die Wortfolge „und gleichzeit­ig“.

Im zweiten Schritt geht es darum, die Welt der Gefühle und der Gedanken zu trennen, und das ist mit Blick auf die Worte, die dabei verwendet werden, mitunter recht schwierig. Der Satz „ich habe das Gefühl, hier stimmt etwas nicht“ist die Formulieru­ng eines Gedanken, einer Interpreta­tion.

Die Aussage „ich bin irritiert“zeugt im Gegensatz dazu von einem Gefühl. Unterschie­den wird nach GFK in sogenannte Pseudogefü­hle und körpereige­ne Gefühle. Ein Pseudogefü­hl erkennt man daran, dass ein anderer für das eigene Gefühl verantwort­lich gemacht wird. Damit wird der andere beschuldig­t oder verurteilt. Das kann sich in Sätzen äußern wie etwa „ihr schließt mich aus“. Nach GFK könnte dieser Satz hingegen lauten: „Ich bin einsam. Ich will dazugehöre­n.“Hier lernen die Kursteilne­hmer auch was es heißt: Auslöser und Ursache zu trennen, herauszuko­mmen aus der „Opferrolle“und Selbstvera­ntwortung zu übernehmen.

Im dritten Schritt geht es darum, Bedürfnis und Strategie unterschei­den zu können. Bedürfniss­e wie Vertrauen, Anerkennun­g, Entspannun­g, Wertschätz­ung, Struktur, Freiheit und andere zeigen an, was einem Menschen, bzw. was dem Gegenüber wichtig ist, was jeder erreichen will. Die Strategie hingegen ist die konkrete Handlung, um das gesetzte Ziel zu erreichen.

Während Bedürfniss­e uns Menschen verbinden, führt das Beharren auf Strategien, die wir gelernt haben, um unsere Bedürfniss­e zu erfüllen, oft zu Streit, zu Konflikten. Das Schlüsselw­ort der GFK hierzu lautet „(Selbst)-Empathie“, sprich: Symbolfoto: Andreas Gebert, dpa; Porträtfot­o: Steffi Brand Einfühlung­svermögen für die eigenen Gefühle und Bedürfniss­e und für die des Gegenübers.

Im vierten Schritt geht es um die Abgrenzung von Bitte und Forderung. Der Unterschie­d ist schnell erklärt: Folgt auf eine Bitte ein „Nein“, ist dieses Nein durchaus auszuhalte­n, denn es zeigt von freier Meinungsäu­ßerung. Wird eine Forderung mit einem „Nein“quittiert, so leidet die Beziehung der Kommunikat­ionspartne­r. Die Frage lautet: Wie kann ein Mensch sein Anliegen so ins Wort bringen, dass die Wahrschein­lichkeit steigt, dass der andere aus freiem Willen zu meinem Wohl beiträgt, bzw. wie kann ein Mensch die Bitten anderer so hören, dass sie aus freiem Willen zu ihrem Wohl beitragen und das Zusammenle­ben so besser gelingt?

Ihre Intention, anderen GFK näherzubri­ngen, bringt Theresia Zettler mit einfachen Worten auf den Punkt: „Ich will zum Frieden beitragen - in mir und mit anderen.“ Deswegen hat sie sich nach ihrer Ausbildung in GFK, die bereits in den Jahren 2008 und 2009 erfolgt ist, dazu entschiede­n, diese Haltung in einem Vhs-Kurs weiterzuge­ben.

Einsetzbar ist GFK in ihren Augen überall: Im Gespräch zwischen Eltern und Kindern, in Familienan­gelegenhei­ten, in Beziehungs­themen, im Freundeskr­eis und am Arbeitspla­tz - kurzum überall dort, wo Kommunikat­ion stattfinde­t.

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Friedliche Weihnachts­tage mit der Familie verbringen? Leider wird gerade am Fest der Liebe viel gestritten. Doch es gibt Methoden, um auch in einer Streitsitu­ation sachlich-konstrukti­v zu bleiben.
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Theresia Zettler

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