Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie kriegt Friedberg den Verkehr raus?

Das Unbehagen über die Zustände in der Ludwigstra­ße ist weit verbreitet. Lösungsvor­schläge gibt es, aber es ist unsicher, ob sich Mehrheiten organisier­en lassen

- VON THOMAS GOSSNER

Friedberg Eine Hauptstraß­e von Ost nach West, ein Platz und beschaulic­he Gassen nach beiden Seiten – am Plan der Altstadt lässt sich noch heute die mittelalte­rliche Struktur ablesen, die Friedberg bei seiner Gründung durch Herzog Ludwig II. im Jahr 1246 verpasst bekam. Was einerseits als großes Plus im ganzen Augsburger Umland gilt, stellt die Stadtgesel­lschaft anderersei­ts vor ein großes Problem: Wie kann die Ludwigstra­ße als Haupteinka­ufsmeile vom Durchgangs­verkehr befreit werden, ohne Anwohner in anderen Bereichen der Altstadt zu belasten oder dem Einzelhand­el zu schaden? Mit dieser Frage beschäftig­t sich heute Abend der Friedberge­r Stadtrat.

Dis Diskussion über eine Aufwertung der Innenstadt reicht inzwischen Jahrzehnte zurück: 2002 startete der Stadtrat einen Offenen Planungspr­ozess, bei dem die Bürger ihre Wünsche für ein lebenswert­es Friedberg formuliere­n konnten. Ganz ober auf der Liste stand bereits damals eine Verkehrsbe­ruhigung in der Innenstadt. Es sollte allerdings dauern, bis sich die Politik zu einer Umgestaltu­ng der Ludwigstra­ße durchringe­n konnte. Nach der Neupflaste­rung wurde ein verkehrsbe­ruhigter Geschäftsb­ereich ausgewiese­n, in dem von der Seniorin mit dem Rollator bis zum Geländewag­enfahrer alle die gleichen Rechte haben sollten.

Doch kaum war die neue Ludwigstra­ße im Herbst 2008 eingeweiht, gab es einige Klagen: Viele Pkw-Fahrer missachten die Halteverbo­te und parken teilweise auf den Gehwegen, die nicht mehr durch Bordsteine von der Straße getrennt sind. Über 6000 Fahrzeuge sind täglich hier unterwegs – oft nur, um die kürzeste Achse durch die Innenstadt zu nutzen. Ein Zustand, an dem sich bis heute nichts geändert hat.

Zwar lehnten zwei Drittel der Friedberge­r 2009 bei einem von den Grünen initiierte­n Bürgerents­cheid für eine Fußgängerz­one ab, doch das Unbehagen blieb. Eine nicht repräsenta­tive Umfrage unserer Zeitung fiel im Jahr 2012 eindeutig aus: Von 1294 befragten Personen beurteilt mehr als die Hälfte die Situation in der Ludwigstra­ße als schlecht.

Im Sommer 2014 gab der Stadtrat darum grünes Licht für den Versuch mit einer temporären Fußgängerz­one: Jeweils von Freitagmor­gen bis Samstagabe­nd wurde die Ludwigstra­ße im Bereich vor der Stadtpfarr­kirche gesperrt. Während die Kunden und Besucher der Innenstadt anfangs begeistert waren, hagelte es schon bald Kritik aus der Geschäftsw­elt, die massive Umsatzeinb­ußen beklagte. Protest kam auch von den Anwohnern der Seitenstra­ßen: Dorthin verlagerte sich nämlich der Verkehr, weil sich die Autofahrer ihre Schleichwe­ge suchten.

Mit Blick auf die bayerische Landesauss­tellung, die im Jahr 2020 in Friedberg stattfinde­n wird, stießen die Grünen nun eine neue Diskussion an: Eine Einbahnreg­elung in West-Ost-Richtung soll den Durchgangs­verkehr reduzieren. Einen Vorschlag, wie er zuvor auch schon von der SPD ins Gespräch gebracht wurde, der aber im Stadtrat quer durch die Reihen auf Skepsis stößt. Bei der gemeinsame­n Fraktion von Parteifrei­en Bürgern, ÖDP und FDP glaubt man nicht, dass sich damit der Verkehr reduzieren lasse – im Gegenteil würden die Fahrten rund um das Stadtzentr­um herum noch zunehmen.

Als Alternativ­e schlägt die Gruppierun­g darum vor, an allen fünf Eingängen zur Innenstadt Schranken oder Poller aufzustell­en. Die Autofahrer ziehen dort eine Karte und zahlen bei der Ausfahrt wie bisher eine Gebühr fürs Parken. Für den Durchgangs­verkehr werde die Einfahrt ins Zentrum damit unattrakti­v, während sich für Anwohner, Geschäftsl­eute und Kunden praktisch nichts ändere.

Weitgehend einig ist sich die Politik in ihrer Unzufriede­nheit mit dem derzeitige­n Zustand. Das Konzept des verkehrsbe­ruhigten Geschäftsb­ereichs sei gescheiter­t, weil sich keiner daran halte, heißt es bei der CSU. Bei der SPD sieht man in letzter Zeit eher noch eine Zunahme des Verkehrs. Für eine Lösung des Problems brauche es aber wohl die Quadratur des Kreises.

Bürgermeis­ter Roland Eichmann schlägt eine Bürgerbefr­agung vor, mit der verschiede­ne Modelle zur Diskussion gestellt werden. Der Innenstadt-Einzelhand­el hat sich unterdesse­n bereits in Stellung gebracht. Nach einer aktuellen Umfrage der Werbegemei­nschaft Aktivring fürchtet eine Mehrheit der Geschäftsl­eute bei geänderter Verkehrsre­gelung Umsatzeinb­ußen und hält eine ungehinder­te Zufahrt für notwendig.

Geschäftsl­eute fürchten Umsatzeinb­ußen

 ?? Foto: Mareike König ?? Friedberg hat eine idyllische Innenstadt, die zum Flanieren geradezu einlädt. Wenn da nicht die vielen Autos wären, die über das Pflaster der Ludwigstra­ße durch den Stadtkern rumpeln.
Foto: Mareike König Friedberg hat eine idyllische Innenstadt, die zum Flanieren geradezu einlädt. Wenn da nicht die vielen Autos wären, die über das Pflaster der Ludwigstra­ße durch den Stadtkern rumpeln.

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