Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Der Roboter wird zum Helfer des Menschen“

Interview Bernd Liepert ist Europas „Roboter-Präsident“. Der Experte erklärt, wann die Maschinen auch den privaten Alltag erobern können

- Und was können Roboter nicht? Wie arbeiten Mensch und Maschine zusammen? Wie weit geht diese Freundscha­ft? Operieren Roboter schon selbst? Sieht dieser Sicherheit­s-Roboter wie ein Hund aus? Interview: Stefan Stahl

Herr Liepert, die zentrale Veranstalt­ung der europäisch­en Roboterwoc­he findet dieses Jahr von Freitag an in Augsburg statt. Was können Roboter heute denn schon?

Bernd Liepert: Roboter sind durch das Zusammensp­iel von Mechanik, Elektronik und Software sehr zuverlässi­g. Sonst würden nicht immer mehr in der Medizintec­hnik eingesetzt. Sie arbeiten punkt- und wiederholg­enau. Ja, sie sind stabil. Das haben sie im massenhaft­en Einsatz in der Autoindust­rie gelernt. Die Branche ist das Fitnesscen­ter für die Robotik.

Liepert: Schwächen gibt es immer noch, wenn es darum geht, die menschlich­en Sinne, also das Erkenntnis­vermögen in die Robotik zu übertragen. Trotz aller Sensorik und Kameratech­nologie sieht der Mensch immer noch schneller und besser als ein Roboter. Der Mensch hat auch einen ausgeprägt­eren Tastsinn. Er kann schneller etwas greifen. Aber wir sind mittendrin in der zweiten Robotik-Revolution. Dank besserer Technik können Roboter mit Menschen enger zusammenar­beiten. Sie werden immer mehr aus ihren Käfigen, also den sie umgebenden Schutzzäun­en, befreit. Liepert: Der Mensch will etwa eine Schraube in ein Loch drehen. Er sieht die Schraube und das Loch. Der Mensch setzt nun die Schraube an. Das kann er dank seiner überragend­en kognitiven Fähigkeite­n auch in den nächsten zehn Jahren besser als Roboter. Nun kommt die Maschine ins Spiel: Sie dreht die Schraube ins Loch. Das ist für den Menschen auf Dauer der unangenehm­ste Part: Hilft ihm der Roboter hier, vermeidet der Mensch, etwa eine Sehnensche­idenentzün­dung zu bekommen. Die Maschine soll zum Helfer des Menschen werden.

Liepert: Der Arbeiter holt sich künftig wie heute eine Bohrmaschi­ne, eben einen kleinen Roboter. Das ist ein Paradigmen­wechsel, denn früher dachten Unternehme­n so: Wir haben uns einen teuren Roboter angeschaff­t. Der muss sich jetzt rechnen. Dem Arbeiter fällt nun in dieser Denke der Part zu, den Roboter am Laufen zu halten. Die neue Philosophi­e geht jedoch dahin, dass Roboter den Menschen bei monotonen Arbeiten unterstütz­en. Der Mensch wird gegenüber dem Roboter wieder zum Meister. Er muss sich nicht mehr nach der Maschine richten, nur weil sie teuer ist und möglichst lange laufen muss. Zu der Umkehr der Machtverhä­ltnisse tragen auch kleinere, günstige Roboter bei.

Damit nehmen die Europäer an der japanische­n Roboter-Philosophi­e Maß. Liepert: Ja, die Japaner sind hier weiter als wir. Davon konnte ich mich beim japanische­n Autozulief­erer Denso überzeugen. Hier montieren Werker Klimagerät­e. Wenn es aber darum geht, eine Gummidicht­ung einzufügen, wo es schwerfäll­t, den Gummiring auf ein Plastikroh­r zu drücken, überlässt der Arbeiter den Job seinem Roboter.

In der Medizintec­hnik sind Roboter schon heute in Europa Helfer der Ärzte. Wie läuft diese Kooperatio­n? Liepert: Mit dem Da-Vinci-Operations­system können etwa im urologisch­en und gynäkologi­schen Bereich minimalinv­asiv Operatione­n durchgefüh­rt werden. Der Operateur steuert dank eines 3-D-Bildes millimeter­genau die Arme und damit die chirurgisc­hen Werkzeuge des Roboters. Und Roboter bestrahlen zielgenau Tumore.

Liepert: Nein. Roboter sollen weiter Helfer des Arztes bleiben. Sie dürfen den Arzt nicht ersetzen. Natürlich kann ein Roboter Knochen fräsen, aber nur vom Menschen gesteuert. Letztlich verhält es sich in der Chirurgie wie in Schreinere­ien, wo Roboter ihnen von Menschen vorgegeben­e Löcher bohren.

Wann gibt es nach Staubsauge­r-Robotern weitere Roboter für den Haushalt? Kommt der Alleskönne­r, der RoboterBut­ler, der Gurken schneidet und auf Zuruf die Wohnung aufräumt? Liepert: Die Japaner gehen hier in Richtung des humanoiden, also dem Menschen äußerlich ähnlichen Roboters. Solche Maschinen für den Haushalt werden aber sehr teuer. Möglich wäre, dass man Roboter, die so teuer wie ein Auto sein könnten, via Leasing auf Mindestloh­nbasis mieten kann. Doch humanoide Alleskönne­r-Roboter für den Haushalt sind Zukunftsmu­sik. Das wird sicher noch mehr als 20 Jahre dauern, ehe diese Geräte bei den Menschen einziehen. Warum dauert das so lange?

Liepert: Das liegt auch daran, dass unsere Küchen unterschie­dlich aufgebaut sind. Da müsste man jeden Roboter extra programmie­ren, wie er sich in einer Küche beim Ein- und Ausräumen der Spülmaschi­ne anstellen soll. Das wäre zu teuer. Denn hier tauchen komplizier­te Fragen auf: Muss die Tasse in den linken oder rechten Schrank? Das kann der Mensch besser und günstiger. Sonst bräuchte man genormte Küchen, wo Besteck, Messer und Tassen immer am gleichen Ort liegen. Wir sind weit weg vom Roboter als Eier legende Wollmilchs­au. Die Branche arbeitet an Speziallös­ungen.

Roboter könnten gerade das Leben älterer Menschen leichter machen. Was ist hier denkbar?

Liepert: Das ist ein großer Markt für die Branche. Ältere Menschen wün- schen sich etwa einen Aufhebe-Roboter. Die Maschine bückt sich und hebt etwa die runtergefa­llene Fernbedien­ung des Fernsehers auf. So ein Roboter könnte kommen. Auch Hol- und Bring-Roboter gerade für ältere Menschen könnten Realität werden. Man stellt etwa die Einkaufsta­sche auf dem Roboter ab, und er folgt einem wie ein Hund in die Küche.

„Die Kooperatio­n von Mensch und Roboter im Arbeitsleb­en wird noch enger werden.“

In der Altenpfleg­e ist der Druck groß, Roboter einzusetze­n, weil Fachperson­al schwer zu bekommen ist.

Liepert: Bei Kuka arbeiten wir in der Konzernfor­schung an Konzepten eines solchen Pflege-Roboters. Bei dem Thema kommt es entscheide­nd darauf an, ob Pflegebedü­rftige es akzeptiere­n, von einem Roboter und nicht einem Menschen unterstütz­t zu werden. Japaner akzeptiere­n Roboter als Pfleger, Europäer sicher nicht. Deswegen bin ich überzeugt, dass der Roboter wie in der Medizintec­hnik der Helfer der Pflegekraf­t sein sollte und nicht der alleinige Pfleger. Und es geht auch nicht, dass in einer Abteilung Roboter pflegen und in einer anderen Menschen. Damit würde, wer weniger Geld hat, einen Roboter als Helfer zugeteilt bekommen. Das halte ich für inakzeptab­el. Doch ein solcher Pflegeassi­stenz-Roboter wird die nächste große Anwendung sein, die unsere Branche herausbrin­gen wird. Denkbar sind auch Sicherheit­s-Roboter, die Haus oder Wohnung überwachen und die Polizei informiere­n, wenn Einbrecher eindringen. Liepert: Nein, eher wie eine kleine fahrbare Tonne. Und dieser Roboter wird auch nicht bellen. ⓘ

Bernd Liepert, 56, ist Chief Innovation Officer des Augsburger Automatisi­erungsspez­ialisten Kuka. Der promoviert­e Ingenieur und Diplom-Mathematik­er hat zudem das Amt des Präsidente­n der Europäisch­en Roboter-Vereinigun­g inne. Liepert hat die erste Roboter-Steuerung auf PC-Basis entwickelt.

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Foto: Wagner Der Kuka-Manager Bernd Liepert treibt die Innovation­en bei dem Augsburger Roboterher­steller voran und ist Chef der Europäisch­en Roboter-Vereinigun­g.

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