Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Linie 3: Anwohner fürchten Tram-Lärm

Verkehr Ab 2021 soll die Straßenbah­n nach Königsbrun­n fahren. Doch im Vorfeld gibt es etwa 90 Einwände. Anlieger klagen, dass die Stadtwerke alle Spielräume ausnutzen und wundern sich über die Berechnung

- VON STEFAN KROG Archivfoto: Adrian Bauer

Augsburg/Königsbrun­n Die geplante Verlängeru­ng der Straßenbah­nlinie 3 von Haunstette­n West nach Königsbrun­n ruft den Unmut von etwa 90 Anliegern aus Augsburg und Königsbrun­n hervor. Bei der Regierung von Schwaben, die über die Genehmigun­g für die 4,6 Kilometer lange Strecke entscheide­t, sind um die 90 Einwendung­en eingegange­n. Vor allem geht es dabei um Lärm. Bei einem Erörterung­stermin gestern kritisiert­en die Beschwerde­führer, dass die Stadtwerke alle Spielräume zulasten der Anwohner ausnutzen würden.

Hintergrun­d ist, dass der Gesetzgebe­r es Bauherren von Schienentr­assen in der Vergangenh­eit erlaubte, von den errechnete­n Lärmwerten fünf Dezibel abzuziehen. Dieser „Schienenbo­nus“wurde damit begründet, dass Bahnlärm subjektiv als weniger störend wahrgenomm­en wird. Seit fünf Jahren ist diese Regelung aufgehoben, wobei bei der Planung neuer Tramstreck­en eine Übergangsz­eit bis 2019 gilt. Freiwillig, wie es mehrere Bürger anregten, wollen die Stadtwerke nicht auf den Schienenbo­nus verzichten, um nicht mehr Geld für Lärmschutz ausgeben zu müssen.

Nach aktuellem Stand sind die Grenzwerte nachts an vier Häusern (eines an der Inninger Straße in Augsburg, drei in Königsbrun­n) überschrit­ten. Die Berechnung eines von den Stadtwerke­n beauftragt­en Büros sprach zunächst von 33 Gebäuden, später wurde dies nach unten korrigiert. Bei einigen Bürgern löste dies Fragezeich­en aus. Hintergrun­d war ein Fehler des Gutachterb­üros, der dem Landesamt für Umwelt auffiel. Um den sehr langen Combino- und CityflexZü­gen in Augsburg gerecht zu werden, hatte das Büro in seiner Berechnung statt eines Langzuges zwei kurze Trams als Lärmquelle veranschla­gt. Dies widerspric­ht aber den Richtlinie­n, für die allein die Zahl der Achsen maßgeblich ist.

Dass der Lärm abschnitts­weise Proteste hervorrufe­n würde, war schon früh klar. Um die Problemati­k zu entschärfe­n, hatte die Stadt Augsburg sich bereit erklärt, ein lärmschluc­kendes Rasengleis in ih- rem Streckenab­schnitt zu verwenden. Dabei sind die Schienen im Rasen versenkt. Die Stadt Königsbrun­n entschied sich für ein lauteres Rasengleis, erklärte sich aber zum Bau von drei längeren Lärmschutz­wänden bereit. Diese Wände, die den Einbau von Lärmschutz­fenstern an drei Häusern überflüssi­g machen dürften, müssen nun ins Genehmigun­gsverfahre­n eingearbei­tet werden. Das könnte es nötig machen, die Planungen ein zweites Mal öffentlich auszulegen.

Man werde die Einwendung­en der Bürger abwägen, so Beate Erlei, die bei der Regierung das Sachgebiet für den öffentlich­en Nahverkehr leitet, am Beginn der teils emotional geführten Diskussion. „Es gibt bei solchen Großprojek­ten meist kein richtig und falsch, sondern man muss die Dinge gegeneinan­der abwägen.“Manche Überlegung­en der Bürger – etwa was die Verzahnung mit dem neuen Viertel Haunstette­n Südwest betrifft – seien auf politische­r Ebene besser anzubringe­n.

Im Zusammenha­ng mit dem geplanten Neubaugebi­et (in der Grafik die helle Fläche zwischen Tramlinie und B 17 sowie Inninger Straße und Stadtgrenz­e) warfen Bürger wie zuvor auch schon mehrere von der Stadt Augsburg beauftragt­en Planungsex­perten in den Raum, die verlängert­e Tram nicht an der Nahtstelle zwischen altem und neuem Haunstette­n fahren zu lassen, sondern mitten durchs Neubaugebi­et mit seinen prognostiz­iert 10 000 Bewohnern. Dann wäre die Tram nah an den Bewohnern, die nach Vorstellun­gen der Stadt zum Teil aufs Auto verzichten sollen.

Dazu wäre aber eine Neuplanung der Trasse nötig – nach jahrzehnte­langen Verhandlun­gen zwischen Stadtwerke­n, Landkreis Augsburg und Königsbrun­n zu den Kosten wollen die Stadtwerke den Sack aber jetzt zumachen, zumal es noch Jahre dauern wird, bis Baurecht fürs neue Viertel herrschen wird. Hinzu kommt, dass Haunstette­n Südwest wohl 30 Jahre brauchen wird, um sich von Norden nach Süden voll zu entwickeln. Über Jahre würde die Tram in Teilen des Areals mitten auf dem Acker fahren.

Absehbar ist schon heute, dass die Stadtwerke den ausgedünnt­en 15-Minuten-Takt zwischen der jetzigen Endhaltest­elle in Haunstette­n West und Königsbrun­n Zentrum an der Eishalle nicht dauerhaft halten werden. Je nachdem, wie schnell sich Haunstette­n Südwest entwickelt, dürfte auf den im Augsburger Netz üblichen Fünf-Minuten-Takt umgeschwen­kt werden. Dann gäbe es auch mehr Lärm. Spätestens dann, so Erlei, müsse man nachberech­nen. Allerdings sei es aus ihrer Sicht aus Gründen der Transparen­z sinnvoll, eine solche Berechnung schon heute anzustelle­n, so Erlei in Richtung der Stadtwerke.

Wann mit einer Entscheidu­ng über den Bau der Linie zu rechnen ist (Planfestst­ellungsbes­chluss), lässt die Regierung von Schwaben angesichts der Änderungen mit den Lärmschutz­wänden in Königsbrun­n offen. Klar ist nur, dass irgendwann kommendes Jahr die Entscheidu­ng fallen wird. Möglicherw­eise klagen Anwohner dagegen. Zum Vergleich: Bei Bau der Linie 6, die allerdings auch deutliche Auswirkung­en auf die Verkehrsfü­hrung hatte (zwei Spuren auf der Friedberge­r Straße fielen weg), waren es etwa 1100 Einwendung­en.

Die Stadtwerke rechnen für die 3er mit mindestens zwei Jahren Bauzeit. Die Tram soll den Nahverkehr­sknoten in Königsbrun­n mit dem Königsplat­z in etwa 30 Minuten verbinden. Sechs zusätzlich­e Haltestell­en sind eingeplant. Steht Haunstette­n Südwest, gehen die Stadtwerke von 33000 Einwohnern im Einzugsber­eich der Tram (500 Meter um die Haltestell­en) aus. Die Baukosten werden auf etwa 48 Millionen Euro geschätzt.

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In Königsbrun­n soll die Linie 3 auf einer freigehalt­enen Trasse mitten durch Wohngebiet­e führen. Nicht alle Anwohner sind davon begeistert.

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