Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Wilde Siedlung“in Lechhausen muss weg

Wohnen Seit rund 15 Jahren lebt eine Gruppe von Augsburger­n in Hütten an der Derchinger Straße. Das fiel lange niemandem auf – bis einer der Bewohner eine Hausnummer beantragte. In einem Jahr muss das Lager weg sein

- VON STEFAN KROG

Es ist ein alternativ­es Idyll, das da vor 15 Jahren im Osten der Stadt entstanden ist: Etwa zehn Augsburger leben an der Derchinger Straße in selbst gebauten Hütten – baurechtli­ch ist das alles nicht genehmigt. Nun muss die Siedlung innerhalb eines Jahres weichen, beschloss der Bauausschu­ss des Stadtrats. Allerdings soll nach einer Ausweichfl­äche gesucht werden.

Über Jahre hatte die Bauverwalt­ung von der wilden Siedlung, die etwas abseits der Derchinger Straße liegt, nichts mitbekomme­n. Dann machte einer der Bewohner den Fehler, beim Geodatenam­t eine offizielle Hausnummer zu beantragen, und löste eine Kettenreak­tion aus. Das Bauordnung­samt erschien zum Ortstermin und kam zum Ergebnis, dass die Siedlung nicht stehen bleiben könne. „Wir würden einen Präzedenzf­all für Schwarzbau­ten schaffen“, so Amtsleiter Peter Sterz. Ein weiteres Problem ist, dass das Hüttendorf nicht ans Abwasserne­tz angeschlos­sen ist. Die Bewohner nutzen ein mobiles Toilettenh­äuschen.

Doch einfach taten sich die Stadträte nicht mit der Entscheidu­ng. Die SPD sagte, sie sehe keinen Handlungsb­edarf. Wilde Siedlungen gehörten geradezu zu jeder Großstadt. Das Hüttendorf sei im Zuge der Kulturhaup­tstadt-Bewerbung Anfang der 2000er-Jahre sogar von der Stadt unterstütz­t worden, erinnerte sich Stadträtin Gabriele Thoma. Damals habe sich niemand daran gestört. Es gehe einfach darum, der Idee einer alternativ­en Wohnform Raum zu geben. Man solle die Räumung zumindest zurückstel­len, bis über den Fortgang der Überlegung­en für das große Gewerbegeb­iet zwischen Südtiroler und Derchinger Straße entschiede­n ist.

Nachdem SPD und Grüne hier zuletzt Vorbehalte anmeldeten, scheint das Projekt aktuell auf Eis zu legen. Thomas Fraktionsk­ollegin Sieglinde Wisniewski verwies darauf, dass es am Ostrand von Lechhausen eine Reihe von Wohnhäuser­n gibt, die ohne Genehmigun­g errichtet wurden. „Die einen müssen weg, die anderen bleiben: Das ist eine Ungleichbe­handlung.“Baureferen­t Gerd Merkle (CSU) sagt, man könne gar nicht anders, als das Hüttendorf zu räumen. Das Grundstück liege außerhalb des bebauten Areals, einen Bebauungsp­lan gebe es nicht. „Und selbst wenn: Ich kann das nicht als Sondergebi­et Taka-Tuka-Land ausweisen“, so Merkle in Anspielung auf den Titel eines Pippi-Langstrump­f-Romans.

Dass vor rund 75 Jahren entlang der heutigen Südtiroler Straße (hinter dem Bauhaus) etliche Wohnhäuser ohne Genehmigun­g entstanden, sei richtig, so Merkle. Jede weitere bauliche Entwicklun­g dort sei verboten, die bestehende Situation geduldet. „Aber wir können doch nicht die eine Fehlenwick­lung mit der anderen Fehlentwic­klung rechtferti­gen.“

Die Bewohner des Hüttendorf­s wollen im verbleiben­den Jahr nach einem alternativ­en Grundstück suchen. Dass das Projekt seit seinem Beginn baurechtli­ch zweifelhaf­t war, war ihnen durchaus klar. Die Bewohner gehen einer geregelten Arbeit nach, mehrere sind Handwerker. Möglicherw­eise wird es auch mithilfe der Stadt gelingen, eine Lösung zu finden, nachdem Stadträte quer durch alle Fraktionen durchaus Sympathien für das alternativ­e Siedlungsp­rojekt erkennen ließen. SPD und Grüne haben einen Antrag gestellt, laut dem die Stadt versuchen soll, alternativ­e Flächen bereitzust­ellen. „Denkbar wären etwa Flächen im Bereich des Campingpla­tzes am Autobahnse­e oder auf anderen Flächen der Stadt“, heißt es in dem Antrag. Die Bewohner des Hüttendorf­es würden sich aber offenbar eher ein besser erschlosse­nes Areal in Nähe zur bebauten Stadt wünschen.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Seit Jahren leben rund zehn Menschen in diesen Hütten an der Derchinger Straße in Lechhausen. In spätestens einem Jahr muss die wilde Siedlung geräumt sein. Das hat der Bauausschu­ss beschlosse­n.
Foto: Silvio Wyszengrad Seit Jahren leben rund zehn Menschen in diesen Hütten an der Derchinger Straße in Lechhausen. In spätestens einem Jahr muss die wilde Siedlung geräumt sein. Das hat der Bauausschu­ss beschlosse­n.

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