Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Wilde Siedlung“in Lechhausen muss weg
Wohnen Seit rund 15 Jahren lebt eine Gruppe von Augsburgern in Hütten an der Derchinger Straße. Das fiel lange niemandem auf – bis einer der Bewohner eine Hausnummer beantragte. In einem Jahr muss das Lager weg sein
Es ist ein alternatives Idyll, das da vor 15 Jahren im Osten der Stadt entstanden ist: Etwa zehn Augsburger leben an der Derchinger Straße in selbst gebauten Hütten – baurechtlich ist das alles nicht genehmigt. Nun muss die Siedlung innerhalb eines Jahres weichen, beschloss der Bauausschuss des Stadtrats. Allerdings soll nach einer Ausweichfläche gesucht werden.
Über Jahre hatte die Bauverwaltung von der wilden Siedlung, die etwas abseits der Derchinger Straße liegt, nichts mitbekommen. Dann machte einer der Bewohner den Fehler, beim Geodatenamt eine offizielle Hausnummer zu beantragen, und löste eine Kettenreaktion aus. Das Bauordnungsamt erschien zum Ortstermin und kam zum Ergebnis, dass die Siedlung nicht stehen bleiben könne. „Wir würden einen Präzedenzfall für Schwarzbauten schaffen“, so Amtsleiter Peter Sterz. Ein weiteres Problem ist, dass das Hüttendorf nicht ans Abwassernetz angeschlossen ist. Die Bewohner nutzen ein mobiles Toilettenhäuschen.
Doch einfach taten sich die Stadträte nicht mit der Entscheidung. Die SPD sagte, sie sehe keinen Handlungsbedarf. Wilde Siedlungen gehörten geradezu zu jeder Großstadt. Das Hüttendorf sei im Zuge der Kulturhauptstadt-Bewerbung Anfang der 2000er-Jahre sogar von der Stadt unterstützt worden, erinnerte sich Stadträtin Gabriele Thoma. Damals habe sich niemand daran gestört. Es gehe einfach darum, der Idee einer alternativen Wohnform Raum zu geben. Man solle die Räumung zumindest zurückstellen, bis über den Fortgang der Überlegungen für das große Gewerbegebiet zwischen Südtiroler und Derchinger Straße entschieden ist.
Nachdem SPD und Grüne hier zuletzt Vorbehalte anmeldeten, scheint das Projekt aktuell auf Eis zu legen. Thomas Fraktionskollegin Sieglinde Wisniewski verwies darauf, dass es am Ostrand von Lechhausen eine Reihe von Wohnhäusern gibt, die ohne Genehmigung errichtet wurden. „Die einen müssen weg, die anderen bleiben: Das ist eine Ungleichbehandlung.“Baureferent Gerd Merkle (CSU) sagt, man könne gar nicht anders, als das Hüttendorf zu räumen. Das Grundstück liege außerhalb des bebauten Areals, einen Bebauungsplan gebe es nicht. „Und selbst wenn: Ich kann das nicht als Sondergebiet Taka-Tuka-Land ausweisen“, so Merkle in Anspielung auf den Titel eines Pippi-Langstrumpf-Romans.
Dass vor rund 75 Jahren entlang der heutigen Südtiroler Straße (hinter dem Bauhaus) etliche Wohnhäuser ohne Genehmigung entstanden, sei richtig, so Merkle. Jede weitere bauliche Entwicklung dort sei verboten, die bestehende Situation geduldet. „Aber wir können doch nicht die eine Fehlenwicklung mit der anderen Fehlentwicklung rechtfertigen.“
Die Bewohner des Hüttendorfs wollen im verbleibenden Jahr nach einem alternativen Grundstück suchen. Dass das Projekt seit seinem Beginn baurechtlich zweifelhaft war, war ihnen durchaus klar. Die Bewohner gehen einer geregelten Arbeit nach, mehrere sind Handwerker. Möglicherweise wird es auch mithilfe der Stadt gelingen, eine Lösung zu finden, nachdem Stadträte quer durch alle Fraktionen durchaus Sympathien für das alternative Siedlungsprojekt erkennen ließen. SPD und Grüne haben einen Antrag gestellt, laut dem die Stadt versuchen soll, alternative Flächen bereitzustellen. „Denkbar wären etwa Flächen im Bereich des Campingplatzes am Autobahnsee oder auf anderen Flächen der Stadt“, heißt es in dem Antrag. Die Bewohner des Hüttendorfes würden sich aber offenbar eher ein besser erschlossenes Areal in Nähe zur bebauten Stadt wünschen.