Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Auf den Friedhöfen wächst der Ärger
Seit die Kommunen auf die chemische Keule verzichten, sprießt rund um die Gräber so manches, was Bürgern ein Dorn im Auge ist. Aber: Ist der Wildwuchs wirklich so schlimm?
Weil auf Friedhöfen chemische Unkrautvernichter verboten sind, sind jetzt Alternativen gefragt. Mehr dazu auf
Landkreis Augsburg Friedhöfe sind Orte des Gedenkens, in manchen Gemeinden in der Region wird ihnen sogar ein parkähnlicher Charakter zugesprochen. Kein Wunder also, dass sich die Verwaltungen intensiv um die Pflege bemühen. Doch seit einiger Zeit fällt den Bürgern auf: Entlang der Wege sprießt das Unkraut.
Ein Beispiel ist die Stadt Neusäß. In der aktuellen Heimatstimme versucht die Stadtverwaltung, die Situation der „Wildkrautregulierung“zu erklären. Michael Vogt vom Tiefbauamt der Stadt kennt das Problem. Seit vielen Jahren sucht die Stadt schon nach Alternativen zu Spritzmitteln. Auch der Unkrautvernichter Glyphosat ist nicht mehr im öffentlichen Raum zugelassen. Das Unkraut falle immer mehr Bürgern auf, sagt Vogt.
In Neusäß hat die Stadtverwaltung schon die verschiedensten Methoden der Bekämpfung ausprobiert. Abflammgeräte hätten sich bisher als am effektivsten erwiesen. Das Problem laut Vogt: „Die brauchen eine Menge Gas.“Auch heißes Wasser und heißer Schaum wurden in Neusäß schon getestet. Alles in allem betont Michael Vogt: „Die neuen Techniken sind sehr kostenintensiv und wenig nachhaltig im Vergleich zum Spritzen.“
Zum Gift will Neusäß allerdings auf keinen Fall zurückkehren. „Das lässt das Gesetz nicht zu. Außerdem wäre es unverantwortlich, wenn man bedenkt, dass manche Stoffe, die man vor 20 Jahren eingesetzt hat, noch heute im Grundwasser nachweisbar sind“, betont der Mitarbeiter des Bauamts.
Neusäß ist allerdings nicht die einzige Gemeinde, die vor allem auf dem Friedhof Probleme mit Wildwuchs hat. Auch die Verwaltung in Gablingen sucht nach neuen Möglichkeiten. „Wir haben verschiedene Produkte getestet und tendieren jetzt dazu, ein Abflammgerät zu nutzen“, sagt Bürgermeister Karl Hörmann. Das Gerät habe sich als effektivste Art erwiesen, Unkraut zu beseitigen. Der Einsatz soll im Gemeinderat besprochen werden, erklärt Hörmann.
Seit dem Verbot chemischer Mittel wurde das Unkraut auf dem Friedhof in Gablingen per Hand und
mithilfe der Testgeräte bekämpft. Die Geräte kamen zum Teil von Herstellern, zum Teil von Nachbargemeinden, die schon eines der alternativen Verfahren anwenden.
Auch in Diedorf bekämpft der Bauhof das Unkraut mechanisch. Entlang der Straßen wird eine Unkrautbürste eingesetzt, deren Rotation das Unkraut aus dem Boden ziehen soll. Man sei noch immer in der Testphase, erklärt Bauhofsleiter Günter Nachtrub. Das neue Verfahren sei allerdings deutlich aufwendiger als das Spritzen. Auch das Heißdampfverfahren habe man sich angeschaut. Da der Aufwand etwa gleich geblieben wäre, „kam das für uns nicht infrage“, sagt Nachtrub.
Ähnlich stellt sich die Situation in Gersthofen dar. Auf den Friedhöfen setzt die Stadtverwaltung ein Wegepflegegerät ein, das den Boden auflockert und das Unkraut so freilegt. Ansonsten kommen vor allem Harken und Freischneider zum Einsatz. „Das ist sehr zeitintensiv“, erklärt Bernhard Schinzel, der Geschäftsführer der Gersthofer Stadtwerke.
Alles in allem betont er: „Unkraut ist ein Thema, an dem sich viele Gemeinden die Zähne ausbeißen.“Gersthofen will im kommenden Jahr auch ein Heißwassergerät testen. Dass auch dieses Verfahren Zeit braucht, weiß Schinzel. In seinen Augen liegt die Entscheidung bei der Politik: Entweder müsse die Stadt mehr Leute anstellen, „das hängt aber von Etat ab“, oder man akzeptiere Wildwuchs an einigen Stellen. Mittelfristig sieht er außerdem die Möglichkeit, an der Bauweise von Straßen etwas zu ändern. Weniger Fugen bedeuteten auch weniger Unkraut.
Für mehr Akzeptanz plädiert auch Michael Vogt von der Stadt Neusäß. Er versteht zwar, dass sich die Bürger saubere Wege wünschen, wirtschaftlich und ökologisch sei es allerdings am sinnvollsten, „grüne Wege und auch mal blühende Kräuter an der Seite zu akzeptieren“, so sein Appell. Das Unkraut sei außerdem wichtig für Insekten. „Biodiversität funktioniert wie ein Getriebe“, erklärt er. Wenn man auch nur ein kleines Rädchen entferne, habe das Auswirkungen auf das gesamte System.