Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Auf den Friedhöfen wächst der Ärger

Seit die Kommunen auf die chemische Keule verzichten, sprießt rund um die Gräber so manches, was Bürgern ein Dorn im Auge ist. Aber: Ist der Wildwuchs wirklich so schlimm?

- VON TOBIAS KARRER

Weil auf Friedhöfen chemische Unkrautver­nichter verboten sind, sind jetzt Alternativ­en gefragt. Mehr dazu auf

Landkreis Augsburg Friedhöfe sind Orte des Gedenkens, in manchen Gemeinden in der Region wird ihnen sogar ein parkähnlic­her Charakter zugesproch­en. Kein Wunder also, dass sich die Verwaltung­en intensiv um die Pflege bemühen. Doch seit einiger Zeit fällt den Bürgern auf: Entlang der Wege sprießt das Unkraut.

Ein Beispiel ist die Stadt Neusäß. In der aktuellen Heimatstim­me versucht die Stadtverwa­ltung, die Situation der „Wildkrautr­egulierung“zu erklären. Michael Vogt vom Tiefbauamt der Stadt kennt das Problem. Seit vielen Jahren sucht die Stadt schon nach Alternativ­en zu Spritzmitt­eln. Auch der Unkrautver­nichter Glyphosat ist nicht mehr im öffentlich­en Raum zugelassen. Das Unkraut falle immer mehr Bürgern auf, sagt Vogt.

In Neusäß hat die Stadtverwa­ltung schon die verschiede­nsten Methoden der Bekämpfung ausprobier­t. Abflammger­äte hätten sich bisher als am effektivst­en erwiesen. Das Problem laut Vogt: „Die brauchen eine Menge Gas.“Auch heißes Wasser und heißer Schaum wurden in Neusäß schon getestet. Alles in allem betont Michael Vogt: „Die neuen Techniken sind sehr kosteninte­nsiv und wenig nachhaltig im Vergleich zum Spritzen.“

Zum Gift will Neusäß allerdings auf keinen Fall zurückkehr­en. „Das lässt das Gesetz nicht zu. Außerdem wäre es unverantwo­rtlich, wenn man bedenkt, dass manche Stoffe, die man vor 20 Jahren eingesetzt hat, noch heute im Grundwasse­r nachweisba­r sind“, betont der Mitarbeite­r des Bauamts.

Neusäß ist allerdings nicht die einzige Gemeinde, die vor allem auf dem Friedhof Probleme mit Wildwuchs hat. Auch die Verwaltung in Gablingen sucht nach neuen Möglichkei­ten. „Wir haben verschiede­ne Produkte getestet und tendieren jetzt dazu, ein Abflammger­ät zu nutzen“, sagt Bürgermeis­ter Karl Hörmann. Das Gerät habe sich als effektivst­e Art erwiesen, Unkraut zu beseitigen. Der Einsatz soll im Gemeindera­t besprochen werden, erklärt Hörmann.

Seit dem Verbot chemischer Mittel wurde das Unkraut auf dem Friedhof in Gablingen per Hand und

mithilfe der Testgeräte bekämpft. Die Geräte kamen zum Teil von Hersteller­n, zum Teil von Nachbargem­einden, die schon eines der alternativ­en Verfahren anwenden.

Auch in Diedorf bekämpft der Bauhof das Unkraut mechanisch. Entlang der Straßen wird eine Unkrautbür­ste eingesetzt, deren Rotation das Unkraut aus dem Boden ziehen soll. Man sei noch immer in der Testphase, erklärt Bauhofslei­ter Günter Nachtrub. Das neue Verfahren sei allerdings deutlich aufwendige­r als das Spritzen. Auch das Heißdampfv­erfahren habe man sich angeschaut. Da der Aufwand etwa gleich geblieben wäre, „kam das für uns nicht infrage“, sagt Nachtrub.

Ähnlich stellt sich die Situation in Gersthofen dar. Auf den Friedhöfen setzt die Stadtverwa­ltung ein Wegepflege­gerät ein, das den Boden auflockert und das Unkraut so freilegt. Ansonsten kommen vor allem Harken und Freischnei­der zum Einsatz. „Das ist sehr zeitintens­iv“, erklärt Bernhard Schinzel, der Geschäftsf­ührer der Gersthofer Stadtwerke.

Alles in allem betont er: „Unkraut ist ein Thema, an dem sich viele Gemeinden die Zähne ausbeißen.“Gersthofen will im kommenden Jahr auch ein Heißwasser­gerät testen. Dass auch dieses Verfahren Zeit braucht, weiß Schinzel. In seinen Augen liegt die Entscheidu­ng bei der Politik: Entweder müsse die Stadt mehr Leute anstellen, „das hängt aber von Etat ab“, oder man akzeptiere Wildwuchs an einigen Stellen. Mittelfris­tig sieht er außerdem die Möglichkei­t, an der Bauweise von Straßen etwas zu ändern. Weniger Fugen bedeuteten auch weniger Unkraut.

Für mehr Akzeptanz plädiert auch Michael Vogt von der Stadt Neusäß. Er versteht zwar, dass sich die Bürger saubere Wege wünschen, wirtschaft­lich und ökologisch sei es allerdings am sinnvollst­en, „grüne Wege und auch mal blühende Kräuter an der Seite zu akzeptiere­n“, so sein Appell. Das Unkraut sei außerdem wichtig für Insekten. „Biodiversi­tät funktionie­rt wie ein Getriebe“, erklärt er. Wenn man auch nur ein kleines Rädchen entferne, habe das Auswirkung­en auf das gesamte System.

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Michael Vogt vom Tiefbauamt der Stadt Neusäß begutachte­t den Rasen auf dem Friedhof. Hier sind chemische Unkrautver­nichter verboten, daher sind bei der Pflege des Grüns Alternativ­en gefragt.
Fotos: Marcus Merk Michael Vogt vom Tiefbauamt der Stadt Neusäß begutachte­t den Rasen auf dem Friedhof. Hier sind chemische Unkrautver­nichter verboten, daher sind bei der Pflege des Grüns Alternativ­en gefragt.
 ??  ?? Mit einem Wegepflege­gerät entfernt Udo Winter auf dem Friedhof in Gersthofen das Unkraut.
Mit einem Wegepflege­gerät entfernt Udo Winter auf dem Friedhof in Gersthofen das Unkraut.

Newspapers in German

Newspapers from Germany