Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Funkloch
Wie hat Kolumbus das eigentlich ausgehalten? Leonardo da Vinci? Kant? Goethe? Jeanne d’ Arc? Ihnen allen war die Welt ein einziges Funkloch. Kompass ja, Zirkel, Tinte. Aber kein drahtloser Empfang, nirgends! In den Käffern und Dörfern, Wäldern und Einöden nicht, aber eben auch nicht in den Weltstädten. London, Paris, New York: jeder Ort ein Funkloch, vom Zentrum bis an die Ränder.
Mag man noch so gut vernetzt gewesen sein in seinem Herrenklub, seiner Loge, seiner Zunft: Wo immer man war, eines war immer schon da – das Funkloch. Größer als jeder Höllenschlund, allgegenwärtig wie Tag und Nacht, maximale Ausdehnung, unsichtbar wie das Jenseits und das Nichts. Weites Land überall, aber kein WLAN.
Jetzt aber ein Zeitsprung vom schwarzen Loch der Vorzeit in die Provinz, zu Andreas Scheuer, zu seinem Kampf gegen die letzten Funklöcher. Es gibt sie immer noch, aber sie sind jetzt eingekreist, markiert, gebrandmarkt, lokalisiert: Schwachstellen im smarten System der lückenlosen Kommunikation. Vermutlich schließt sich das Ozonloch schneller, als es die allerletzten Funklöcher tun, die Telefonierende zum Schweigen bringen und navigierende Förster ins Straucheln. Schlagzeilen, die wehtun: „Deutsche Bauern leben im Funkloch.“
Deutschland ist voll vernetzt, aber nicht total! Da sind noch Leerstellen in einem maximal angefüllten Datenraum, klitzekleine Löcher im absoluten Käse. Sie zu stopfen, hat höchste Priorität. Der zuständige Minister Scheuer, der sicher schon zum Frühstück 5G einwirft, sagt es immer wieder: Funklöcher sind untragbar. Verspätungen sind untragbar. Ausfälle unerträglich. Jetzt schwärmen die User aus, melden Funklöcher, lahmarschige Zonen, underperformende Gegenden. Ausbaustufen, Abdeckung, Antennen. Offensive statt Löcher in die Luft zu starren!
In der Zukunft soll es nie mehr solche Tragödien geben wie die, von der Vodafone berichtet: Entlang deutscher ICE-Strecken „brechen pro Tag durchschnittlich 52 000 Gespräche ab“! Sie versenden sich in Funklöchern, die wir uns als gewaltige Gräber vorstellen müssen, in denen Geschwätz verwest wie ausgerupftes Unkraut auf dem Komposthaufen. Letzte, monströse Erfahrung des modernen Menschen: Funkstille.