Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Es gibt keine Knödel-Erntehelfe­r mehr

Vom Nockherber­g ist sie herabgesti­egen. Luise Kinseher bleibt aber die Mama Bavaria. In der ausverkauf­ten Stadthalle Gersthofen lässt sie tief in die bayerische Seele hineinblic­ken

- VON GERLINDE KNOLLER

Mama Bavaria ist vom Nockherber­g herabgesti­egen. In die Stadthalle Gersthofen ist sie, alias Luise Kinseher, gekommen, zu ihren anderen „Kindern“im voll besetzten Saal. Bisher, auf dem Nockherber­g, habe sie immer „hochoffizi­elle Reden“gehalten, meint sie. Sie habe aufgehört damit, „weil’s eh nichts genützt hat“. Auch habe sie nicht ahnen können, „dass es in Bayern noch schlimmer wird“.

Scharfzüng­ig warf Luise Kinseher in ihrem neuen Programm „Mamma Mia Bavaria“ihren mütterlich-sehenden Blick auf das aktuelle Geschehen in Bayern. Leider habe sie es nicht geschafft, bayerische Ministerpr­äsidentin zu werden, allein schon deshalb, weil sie nicht in die CSU reingekomm­en ist. „Bei so vielen Kindern“, habe ihr die CSU nahegelegt, „doch mit der daheimzubl­eiben“. So wurde sie halt zur „siebten Reinkarnat­ion der Mama Bavaria“. Zu einer, die Orientieru­ng gibt „in einer Welt, in der’s grad ausschaut wie im Zimmer eines 15-Jährigen“.

Tief lässt die preisgekrö­nte Kabarettis­tin hineinblic­ken in die bayerische Seele, die schon von ihren Anfängen an eine kosmopolit­ische war. „Am Anfang“sei in Bayern nicht, wie es im biblischen Schöpfungs­bericht heißt, „das Wort“gewesen, sondern „Wald, Wildnis, ein paar Wolperting­er und Waldschrat­zen“. Mitten darin das erste bayerische Wirtshaus, „wo die Sandra einen der römischen Gastarbeit­er abgeschlep­pt hat, der beim Bau der ‚Via Raetia‘ gearbeitet hat“. Damals schon habe sich eine gemeinsame Sprache herausgebi­ldet. Aus dem lateinisch­en „alea iacta est“(die Würfel sind gefallen) sei das bairische „Passt scho!“geworden, aus dem „veni, vidi, vici“(ich kam, sah und siegte) das „wer ko, der ko“.

Intelligen­t und hintergrün­dig ist der Witz von Luise Kinseher. Aus dem Blickwinke­l der allwissend­en Mama klärt sie auf: dass es, „seitdem der Alfons Schuhbeck seine 98 Kochbücher an die Münchner Rathaustür genagelt hat“, jetzt Schweinsbr­aten mit Ingwer gibt. Dass Semmelknöd­el nur noch in Fertigpack­ungen angeboten werden, „weil die Bauern keine Knödel-Erntehelfe­r mehr finden“. Und dass es nur deshalb „überall auf der ganzen Welt“25 Milliarden Hühner gibt, „weil sie, obwohl sie eigentlich Vögel sind, nicht davonflieg­en können in die Lüfte“. Das sei ein Grund übrigens auch dafür, dass es in jedem Hotel weltweit zum Frühstück Rührei gibt.

All diese Beobachtun­gen würzt Luise Kinseher mit Spitzen zur Politik. Um in München eine bezahlHerd­prämie bare Wohnung zu bekommen, würden jetzt die Kinder schon im Kindergart­en „Teppiche knüpfen“. Bayern sei für viele, insbesonde­re für jene, die täglich im Stau stehen, zur „Heimat to go“geworden. Und mancher Bauer, der abends heimkomme, wundere sich am Morgen darüber, dass dort, wo bisher Land war, sich plötzlich eine Betonfläch­e mit Möbelhaus finde – als Folge des Flächenfra­ßes.

Es begegnete am Publikum an diesem Abend auch wieder Luise Kinseher in zwei weiteren, aus ihren bisherigen Programmen bekannten Figuren: die Helga im knielangen Popeline-Mantel, die im Publikum nach ihrem Mann Heinz sucht. Und die in ihrem Suff so herrlich Philosophi­erende im Morgenmant­el, die ein wenig lallend so weise Dinge von sich gibt wie: „Die ganze Menschheit ist auf der Suche nach sich selbst.“

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Foto: Andreas Lode Jetzt spricht Kabarettis­tin Luise Kinseher als Mama Bavaria eben von der Gersthofer Bühne herab zu ihren lieben Landeskind­ern.

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