Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein Fugger im Liebesrausch
Mitarbeiter des fürstlichen Archivs präsentieren im Liliom alte Fundstücke. Sie erzählen von grausamer Folter, üblem Hexenwahn und heißblütigen Liebesbeziehungen
Mit seinem eigenen Blut schrieb Johann Nepomuk Fugger einen Brief an seine geliebte Leopoldine von Gumppenberg. Darin schwor er ihr seine ewige Liebe und Treue. Der Brief stammt aus dem Jahr 1748. Normalerweise liegt das Schriftstück gut verwahrt im Fugger-Archiv. Doch bei den „FundstückeGeschichten“am Donnerstagabend im Liliom bekommen ihn 160 Besucher zu Gesicht und erfahren nicht nur, wie die Liebesgeschichte von Johann und Leopoldine ausging.
Wie der History-Slam, die Expertendebatten und der Zeitzeugentalk „Fugger auf der Couch“sind die Fundstücke-Geschichten Teil des Fugger-Forums der Fuggerschen Stiftungen. Durch die Veranstaltungsreihe soll die Welt der Fugger in Augsburg präsentiert werden – unterhaltsam und kontrovers. „Das Format hat seine Liebhaber gefunden. Es zeigt: Geschichte ist nicht verstaubt. Sie kann lebendig sein“, sagt Maria Theresia Gräfin Fugger von Glött. Durch abwechslungsreiche Präsentationen, untermalt mit Musik, Geräuschen klappernder Pferdehufe, schwingender Schwerter oder menschlicher Schreie veranschaulichen Historiker die Geschichte, machen sie erlebbar.
Im gemütlichen Ambiente des Liliom-Kinos erzählt Prof. Dietmar Schiersner, wissenschaftlicher Leiter des Fugger-Archivs, zum Beispiel von der Heldentat Anton Fuggers. Wie ein Märchenerzähler spricht Schiersner über den Sieg des katholischen Kaisers Karl V. gegen das Verteidigungsbündnis protestantischer Fürsten. Durch den verlorenen Krieg hatte das evangelische Augsburg einen Rachefeldzug des Kaisers gefürchtet. In dieser heiklen Situation seien die Beziehungen Anton Fuggers ein Glücksfall für Augsburg gewesen, erzählt der Experte. Der Katholik förderte die Verhandlungen mit dem Kaiser und fiel im Januar 1547 vor ihm auf die Knie. Anton Fugger rettete seine Vaterstadt. Eine Fotografie aus dem Jahr 1903 zeigt die nachgestellte Szene. Sie ist im Fuggerarchiv verwahrt und hält den bedeutenden Kniefall fest. „Es ist ein Fundstück, das zeigt, wie Geschichte lebende Gegenwart werden kann“, sagt Schiersner.
Erlebbar wird auch der Bericht eines fuggerischen Spitalmeisters. Historikerin Claudia Gutstein offenbart dem Publikum, wie dieser nach Überfällen Folter und Gefangenschaft ertragen musste. Bilder entlarven die qualvollen Foltermethoden der damaligen Zeit. Der akustische Effekt schreiender Bürger untermalt die Dramatik zusätzlich. Unterhaltsam wird es dafür bei Franz Karg, Leiter des Archivs. Ihm gelingt es, das Leben eines rebellischen Fuggers Revue passieren zu lassen. Ein verschuldeter Luftikus, der Spielen und Frauen im Kopf hatte und nie die Kurve kriegte.
Bei der Präsentation von Ottmar Seuffert vom Donauwörther Stadtarchiv wird es wieder blutrünstiger. Es geht um den dramatischen Hexenwahn in der Reichspflege Donauwörth. Brennende oder am Strick aufgehängte Menschen bekommen die Zuschauer zu sehen. Und die Liebesgeschichte zwischen Johann Nepomuk und Leopoldine, wie geht die aus? Stefan Birkle, Mitarbeiter des Fuggerarchivs, weiß es. Auf der Leinwand im Hintergrund erscheint eine Kirchturmspitze. Das Läuten der Kirchenglocken schallt durch die Boxen. Doch wo gerade noch der Himmel blau strahlt, ziehen jetzt dichte Wolken und Gewitter auf. Einen Monat nach dem heißblütigen Liebesgeständnis des jungen Fuggers zweifelt der an seinen Gefühlen für Leopoldine. Johann Nepomuk will seine Freiheit zurück. Dank eines Vergleichs und der finanziellen Hilfe seines Vaters bekommt er sie. Kurze Zeit später heiratet er eine andere Frau.