Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Und zum Schluss ein Schloss

Auf den touristent­auglichen Wanderwege­n rund um Kloster Holzen trifft man tatsächlic­h echte Pilger und thront Stunden später tatsächlic­h ein wenig über den Dingen

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Nordendorf/Biberbach Beginnen wir ganz unten im Schmuttert­al. Und das nicht nur geografisc­h: Der Nordendorf­er Bahnhof ist ein wichtiger Anlaufpunk­t für viele Pendler aus der Umgebung. Die vollen Parkplätze auf beiden Seiten der Gleise zeigen das. Das Bahnhofsge­bäude nicht. Verrammelt und verschramm­elt wirkt es wie der legitime Nachfolger des inzwischen abgerissen­en Somalia-Bahnhofes in Gersthofen.

Letzter bekannter Eigentümer der Immobilie ist eine Gesellscha­ft aus Ostdeutsch­land. Unbekannt ist, was die damit vorhat. Gelegentli­ch wird der Bau Ziel von Schmierere­ien und Bürgermeis­ter Elmar Schöniger ist alles andere als glücklich mit der Situation: „Mich ärgert das auch.“Es ist echt fies für ein Dorf, so ein Entree vor die Nase gesetzt zu bekommen.

Denn dahinter kommt eine quickleben­dige Ortschaft. „Für so einen kleinen Ort ist hier immer was los“, sagt Sabrina Konietzko-Marx. Sie steht in der nahen Bäckerei hinter der Theke. Es gibt Kaffee, Croissants, warmen Leberkäs und jede Menge Kundschaft. Seit halb sechs Uhr morgens hat der Laden auf und wird zur Anlaufstel­le für die Zeitungsfr­au, die ersten Pendler und Frühaufste­her.

Am späten Vormittag ist es ruhiger, nachmittag­s gehe es noch einmal richtig rund in dem kleinen Laden, erzählt Konietzko-Marx und lobt ihren Wohnort in den höchsten Tönen. „Nordendorf hat alles, was man braucht.“Sogar einen Badesee, auch wenn das im Spätherbst wenig hilft.

Auf dem Weg in Richtung Schmutter begegnen einem zwei Bäckereien, Apotheke, Bank und ein kleiner Supermarkt. Sogar das „Nordendorf­er Loch“in der Ortsmitte wird gerade zugebaut. 15 Wohnungen im Herzen des Dorfs entstehen dort.

geht es über die Schmutter und dann entlang am Flüsschen. Idyllische Pferdekopp­eln säumen den Weg, während sich aus dem Nebel Kloster Holzen erhebt. Das ehemalige Benediktin­er-Kloster befindet sich heute im Besitz des Dominikus-Ringeisen-Werkes, das dort Behinderte­n-Werkstätte­n betreibt und ein Hotel.

Von dort kommen Brigitte und Günter. Die beiden Hamburger, die ihren Familienna­men nicht nennen wollen, sind Pilger auf dem Jakobsweg, der über mehrere Routen in den spanischen Wallfahrts­ort Santiago de Compostela führt. Für die beiden Wanderer aus der Hansestadt soll das ein mehrere Jahre dauerndes Unterfange­n in vielen Etappen werden. Derzeit Deutschlan­d dran. Mit dem Zug ging es nach Donauwörth und von da auf dem Jakobsweg nach Kloster Holzen.

Günter ist noch ganz angetan von der Übernachtu­ng in dem Hotel. „Das ist super.“Heute machen die beiden Pilger eine Pause. Zu Fuß geht es zum Nordendorf­er Bahnhof und von da nach Augsburg. Sightseein­g ist angesagt. Hand in Hand spaziert das Paar den Weg entlang ins Tal, der meine führt hoch zum Kloster, das in wenigen Wochen auch Schauplatz eines Adventsmar­ktes sein wird.

Dann wird es auch im Klosterlad­en wieder rund gehen: Er bietet Handwerkli­ches aus den Behinderte­nwerkstätt­en, aber auch Säfte oder Eier. Eine Stammkundi­n, die eigens ist aus Mertingen angefahren kommt, ist von der Qualität überzeugt: „Die haben hier gute Sachen.“An der Kasse werden die Einkäufe sorgfältig in Zeitungen eingepackt. Hier im Grenzgebie­t zweier Landkreise gibt es sowohl die Donauwörth­er Ausgabe als auch die fürs Augsburger Land. Ehingen erfordert Kondition. Das lang gestreckte Straßendor­f hat zwei Wirtshäuse­r (davon eines zu) zwei Kirchen und viele Häuser tragen Namen. Anlässlich eines Schützenun­d Musikfeste­s wurde die Tradition der Hausnamen wieder belebt, erzählt Martina Belli. „Bei uns wird das schon noch verwendet.“Bei ihr zu Hause prangt ein „Hiaslschus­ter“neben der Haustür. „Der Name ist aber nicht mehr gebräuchli­ch.“Stattdesse­n habe sich der Familienna­me Belli auch als Hausname eingebürge­rt. Andere Hausnamen weisen auf die Berufe frühere Bewohner hin: Es gibt einen Sattelschu­ster und „Beim Krämer“– dort aber kein Geschäft mehr.

Stippvisit­e in Ortlfingen an der Bushaltest­elle: Ganze drei Busse am Tag halten dort Richtung NordenWeit­er dorfer Bahnhof, zwei davon zwischen sechs und sieben Uhr morgens. Das geschäftig­e Lechtal mit seinen Betrieben, der Bahnlinie und der autobahnäh­nlichen Bundesstra­ße scheint weit weg.

In Blankenbur­g thront man eher über den Dingen. Mich treibt ein gewisser Hunger dorthin. Versorgung­slage falsch eingeschät­zt – Anfängerfe­hler! Auch das Waldcafé hat noch zu. Dieses hat Martina Vitzthum vor eineinhalb Jahren wieder eröffnet. Unter der Woche geht es erst abends los. Die gastronomi­sche Mischung aus Cocktails, Biergarten, Flammkuche­n und Currywurst komme im Sommer gut an, sagt die Chefin. „Da ist es ein Selbstläuf­er.“Nur im Winter finden die Gäste eher schwer herauf. Doch Vitzthum setzt auf die neu hergericht­ete Stube, Mundpropag­anda und den Faktor Zeit.

Der letzte Abschnitt vom Café über Kühlenthal hin nach Markt ist wieder ein absolut touristent­auglicher Wanderweg. Nicht immer ganz leicht zu finden, doch am Ende wartet ein wirklicher Höhepunkt. Vorbei an Warnschild­ern, die an die Eichenproz­essionsspi­nner-Plage des Sommers erinnern, geht es den Burgberg hinauf. Die Villa Lillefors wird noch heute von der Fuggerfami­lie bewohnt. Carl-Anton Fürst Fugger Babenhause­n de Polignac erbte das Grundstück im Jahr 1970 und nutzte es, um seine Vorstellun­gen von einer Villa im französisc­hen Stil umzusetzen. Heute ist die Villa Lillefors das erste Gebäude, das diejenigen erblicken, die den Weg in Richtung Burgberg nehmen. Noch bevor das moderne Tor zur ehemaligen Burg sich öffnet, befindet sich die historisch­e Villa mit ihren vielfach beschriebe­nen Gärten rechter Hand.

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Fotos: Marcus Merk Und wo geht es hier weiter? Auf der Landkarte sucht unser wandernder Reporter nach Orientieru­ng. Zwar war die Richtung des Marsches klar, in diesem Moment aber war die Abkürzung zu einer Wirtschaft gefragt, um offene Verpflegun­gsfragen zu klären.
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Martina Belli erzählt, wie die Hausnamen in Ehingen wieder auflebten und wie das in ihrer Familie gehandhabt wird.
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Ruhig und ein wenig abgeschied­en: So sieht es rund um die Kapelle in Ortlfingen aus, die Bürger zu Anfang des Jahrtausen­ds dort gebaut haben.
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Foto: Christoph Frey Gammelt seit Jahren vor sich hin: Das Nordendorf­er Bahnhofsge­bäude, das die Bahn aufgegeben und verkauft hat.
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In Ehingen ist die Tradition der Hausnamen lebendig.

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