Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Sie stehen treu zu ihrem Unternehmen
In vielen Betrieben gibt es Mitarbeiter, die 30, 40 Jahre und mehr bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt sind. Auch Augsburg macht hier keine Ausnahme. Dieses Phänomen ist nicht überall bekannt, hat seine Gründe und Vorteile
Für Christine Kornischka war die vergangene Woche ein Wechselbad der Gefühle. Die 63-Jährige hatte am Donnerstag ihren letzten Arbeitstag, seither ist sie ganz offiziell Rentnerin. „Einerseits freue ich mich auf den neuen Lebensabschnitt, aber andererseits fällt mir dieser Schritt auch sehr schwer“, sagt sie. Kein Wunder. Kornischka war 41 Jahre lang bei ihrem Arbeitgeber, der Wohnbaugruppe Augsburg, beschäftigt – in verschiedenen Positionen. Zuletzt als Chefsekretärin der Geschäftsleitung. „Die WBG war mein Leben. Sie war wie eine zweite Familie für mich“, erzählt Kornischka. Viele der langjährigen Kollegen seien mit den Jahren zu Freunden geworden, die Chefetage habe immer ein offenes Ohr gehabt, auch für private Sorgen. Sich von all dem zu verabschieden sei nicht leicht.
Dass Kornischka der Wohnbaugruppe so viele Jahre die Treue gehalten hat, hat ganz simple Gründe. „Ich habe mich hier immer wohl gefühlt, ich hatte ein abwechslungsreiches Aufgabengebiet, einen sicheren Job und war stolz, ein Teil dieses Unternehmens zu sein. Warum sollte ich also wechseln?“
Alles Gründe, die Erik Lehmann, Professor an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg, nachvollziehen kann. „Immer wenn ein Arbeitsplatzwechsel mit einem gewissen Aufwand verbunden ist, aber keine wesentlichen Vorteile bringt, bleiben die Menschen lieber in ihrem aktuellen Job“, erzählt der Wissenschaftler von seinen Beobachtungen.
Ein „Job-Hopping“von einem Arbeitgeber zum nächsten für einen geringen Aufschlag in der Lohntüte sei selten – eine lange Loyalität zum Arbeitgeber dafür typisch für kleine und mittelständische Unternehmen und ein Spezifikum in Deutschland.
Auch Angelika Glogger ist ihrem Unternehmen seit vielen Jahren treu. Die 56-jährige Mutter von zwei Kindern leitet das Regionalzentrum Mitte bei der Mediengruppe Pressedruck. Sie hatte im September diesen Jahres ihr 40-jähriges Betriebsjubiläum. Langweilig ist ihr in all den Jahren nie geworden. „Ich habe damals beim Heimatverleger Landsberger Tagblatt angefangen und seither immer wieder neue Auf- und Positionen innerhalb des Unternehmens ausprobieren und kennen lernen dürfen. Im Schnitt alle fünf bis sechs Jahre habe ich die Position oder Abteilung gewechselt. Es gab immer wieder neue Herausforderungen“, sagt sie. Einen Grund, sich einen neuen Arbeitgeber zu suchen, hatte sie nie.
Christine Kornischka und Angelika Glogger sind keine Ausnahmen. „Es ist durchaus üblich, oft sogar die Regel, dass Mitarbeiter lange bei ,ihrem‘ Unternehmen bleiben. Für viele Großunternehmen galt dies früher auch, als ganze Generationen einer Familie bei einem Arbeitgeber beschäftigt waren. Dazu gehören zum Beispiel die Siemensianer“, so Wissenschaftler Lehmann. Auch in Augsburg gibt es einige solcher Beispiele quer durch alle Branchen und Betriebsgrößen. Die bekanntesten dürften aber namhafte Unternehmen wie der Lampenhersteller Ledvance (früher Osram), oder auch die MAN sei.
Apropos MAN. Franz Gumpp ist Geschäftsführer bei Manroland web production und ist seit ziemlich genau 30 Jahren bei dem Unternehmen, das einst ein Teil der MAN war und nun zu 100 Prozent zur Lübecker Possehl Gruppe gehört. Trotz dieser Veränderungen fühlt er sich noch immer als Teil einer grogaben ßen Familie: „Gestern war es die MAN, heute ist es Possehl“, sagt er. Dass er der MAN und der von ihr abgespaltenen Firma Manroland auch in schwierigen Zeiten die Treue gehalten hat, ist schnell erklärt. „Es herrscht ein tolles Betriebsklima, ich hatte über die Jahre stets die Chance mich weiterzuentwickeln und die Identifikation mit dem Produkt ist extrem hoch. Ich bin schlicht stolz, für dieses Unternehmen tätig sein zu dürfen“, sagt er.
Das geht offenbar auch den Kollegen so. Zwei Drittel der Belegschaft, also 175 der 260 Beschäftigten, sind 30 Jahre und länger bei Manroland und sehen keine Veranlassung, daran etwas zu ändern. Ist dies eine veraltete Denkweise? Verschwindet die Loyalität von Mitarbeitern ihrem Unternehmen gegenüber mit der nächsten Generation?
Schließlich scheint es heute moderner zu sein, regelmäßig den Arbeitgeber zu wechseln. Erik Lehmann sieht das nicht so. Zwar würden neue Geschäftsmodelle dazu führen, dass große Konzerne neue Unternehmen dazukaufen und andere Teile abspalten und damit lange Betriebszugehörigkeiten seltener werden, aber gerade kleine und mittelständische Unternehmen wüssten um die Vorteile langjähriger Mitarbeiter und seien daher bestrebt, diese langfristig an sich zu binden. Oft gelinge das auch.
Eine Argumentation, die auch Manroland-Geschäftsführer Franz Gumpp und Werner Müller, Personalleiter bei der Mediengruppe Pressedruck, bestätigen. „Langjährige, erfahrene Mitarbeiter und deren gebündeltes Wissen ist das höchste Gut des Unternehmens“, argumentiert Gumpp. Eine langjährige Zusammenarbeit stärke auch das Vertrauen der Kollegen untereinander und schaffe eine gute Leistungsbereitschaft aufgrund eines guten Betriebsklimas. Bei der Mediengruppe Pressedruck weiß man die Fähigkeiten langjähriger Mitarbeiter ebenfalls zu schätzen.
„Hochloyale Mitarbeiter sind stabiler und tragen Entscheidungen eines Unternehmens, aber auch Veränderungen gut mit“, so Werner Müller. Dennoch kommt es aus seiner Sicht auf eine gute Mischung an. „Langjährige Mitarbeiter kennen die Abläufe, die Entwicklungen und die Zusammenhänge im Unternehmen und bilden das Rückgrat des Hauses. Die jungen Kollegen sorgen für frischen Wind.“Bei der Mediengruppe Pressedruck sind 202 der 1843 Beschäftigten länger als 30 Jahre im Betrieb.
„Ich bin stolz, ein Teil dieses Unternehmens zu sein“