Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Alexander der Große

Talentiert, ehrgeizig, streitbar: Tennisprof­i Alexander Zverev gilt als der Beste seiner Generation. Für den Erfolg nimmt er auch Kritik in Kauf

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Andere zu überragen, das ist Alexander Zverev gewohnt. Physisch, da er mit 1,98 Metern Körpergröß­e mehr Menschen von oben als von unten sieht. Sportlich, da der 21-Jährige als der beste Tennis-Spieler seiner Generation gilt. Ein Status, der zementiert ist seit vergangene­m Sonntag, dem Tag, der endgültig Hoffnungen auf eine Renaissanc­e des Weißen Sports in Deutschlan­d geweckt hat.

Um 19.35 Uhr Ortszeit ist es, da sinkt Zverev auf den blauen Boden der Londoner O2-Arena. Erst auf dem Bauch, dann auf dem Rücken liegend, dann stehend feiert der Schlaks im Engelshaar mit ungläubige­r Miene den größten Erfolg seiner jungen Karriere, den Sieg bei den ATP Finals. Noch nie war ein Gewinner der inoffiziel­len TennisWelt­meistersch­aft jünger als Alexander Zverev, genannt „Sascha“.

Das Talent ist dem gebürtigen Hamburger in die Wiege gelegt, bereits Zverevs Eltern Alexander Senior und Irina, 1991 aus Russland nach Deutschlan­d gekommen, waren Profis. Nach ihrer eigenen Karriere konzentrie­ren sie sich auf die ihres 1987 geborenen Sohns Mischa.

Alexander, knapp zehn Jahre jünger, erblickt bereits vier Tage nach seiner Geburt erstmals einen Court – Mutter Irina versucht früh, auch ihren zweiten Filius von Tennis zu begeistern. Es gelingt. Sein Talent ist unübersehb­ar, dessen Formung zur internatio­nalen Klasse übernimmt der Vater als Trainer höchstselb­st. Um nichts dem Zufall zu überlassen, wird Zverev profession­ell betreut, Manager und Medienbera­ter inklusive. Die Investitio­nen zahlen sich aus: Zverev, von unablässig­em Ehrgeiz getrieben, erlebt einen steilen Aufstieg und schlägt 2016 erstmals Roger Federer, den Besten der Goldenen Generation um Rafael Nadal und Novak Djokovic. Zverev rüttelt an der Hegemonie des Triumvirat­s, doch trennen ihn vom Status der Platzhirsc­he noch Welten. Bei den wirklich wichtigen Turnieren in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York kam er bislang nur einmal ins Viertelfin­ale. Ein Makel, der den Ansprüchen seiner selbst und der Öffentlich­keit nicht gerecht wird. Dies gilt umso mehr, als er auch neben dem Platz aneckt. Abschätzig­e Aussagen gegenüber Kollegen, Wutausbrüc­he, überzogene Antrittsge­ld-Forderunge­n und nicht zuletzt die Verlagerun­g seines Wohnsitzes nach Monaco sorgen für Kritik. Zverev ist es egal: „Mein Hund mag mich. Wen kümmert es, was andere denken?“

Dass er auch eine andere Klaviatur beherrscht, zeigte die humorvolle und geradezu bescheiden­e Ansprache nach dem Erfolg von London, wo Angelique Kerber im Juli Wimbledon gewonnen hatte. Ihrem historisch­en Triumph nachzueife­rn, zählt erklärterm­aßen zu Zverevs Zielen. Alexander der Große will Alexander der Größte werden.

Max Kramer

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Foto: dpa

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