Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der rote Mann hinter der schwarzen Null

Der SPD-Staatssekr­etär Gatzer diente schon vielen Finanzmini­stern als Architekt ihrer Haushaltsp­olitik

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Berlin Zu seinem Abschied versammelt­en sich über 200 Mitarbeite­r der Haushaltsa­bteilung. Da konnte Werner Gatzer nicht ahnen, dass er ein paar Monate später bereits wieder zurück ist, als Staatssekr­etär im Finanzmini­sterium. Und an der nächsten „Null“bastelt als Chef der wichtigen Haushaltsa­bteilung im Bundesfina­nzminister­ium. Es spricht für das SPD-Mitglied Gatzer, dass nach der Amtszeit seines Parteifreu­nds Peer Steinbrück sogar CDU-Nachfolger Wolfgang Schäuble so überzeugt von ihm war, dass er ihn behielt, als es 2009 zum schwarz-gelben Wechsel kam.

Als sich 2017 abzeichnet­e, dass eine Jamaika-Koalition kommen und die FDP das Finanzmini­sterium bekommen könnte, folgte Gatzer dem Lockruf der Bahn und wurde für zwei Monate Vorstandsc­hef der Bahnhofssp­arte. Als es dann doch wieder zur Großen Koalition kam und SPD-Mann Olaf Scholz das Haus übernahm, holte er Gatzer zurück. Der 60-Jährige wird diese Woche mit seiner Truppe den sechsten Haushaltsp­lan ohne neue Schulden in Folge unter Dach und Fach bringen – der Bundestag will das Werk Freitag beschließe­n. Die Haushaltsw­oche ist traditione­ll ein Höhepunkt im Parlament, es kommt zum Schlagabta­usch über alle Einzeletat­s.

Die Bundesregi­erung plant mit Einnahmen und Ausgaben von 356,4 Milliarden Euro, rund 13 Milliarden Euro mehr als in diesem Jahr. Es gibt reihenweis­e Kritik an dem Haushalt – vom Geldvertei­len nach dem Gießkannen­prinzip bis hin zur fehlenden großen Steuerrefo­rm oder zu geringen Investitio­nen in Infrastruk­tur und Schulen. Gatzer hält sich beim Treffen in seinem Büro dazu bedeckt – er ist Diener seines Ministers und Vollstreck­er des Koalitions­vertrags, er muss das alles in Ausgaben übersetzen.

Jüngst rüffelte der Bundesrech­nungshof die Regierung massiv, sie gebe in den guten Zeiten viel zu viel Geld aus – Rentenverb­esserungen und das für zehn Jahre geplante Baukinderg­eld belasten die Kasse über einen langen Zeitraum. Die „schwarze Null“erzeuge daher nur eine trügerisch­e „Scheinsich­erheit“, kritisiert­e Präsident Kay Scheller. Die Leistungen an die Rentenvers­icherung – „mit Abstand der größte Posten“– würden in den kommenden Jahren massiv steigen.

Beim Haushalt sind inzwischen rund 80 Prozent der Ausgaben durch Gesetze, Verträge und Verpflicht­ungen gebunden. „Fast 100 Milliarden Euro gehen aktuell als Bundeszusc­huss in die Rente“, erläutert Gatzer. Noch steht trotzdem die „Null“. Nachdem dies zuvor letztmals 1969 gelungen war, verzichtet man seit 2014 auf neue Kredite, teils gibt es sogar satte Milliarden­überschüss­e. Dank der guten Konjunktur und hohen Steuereinn­ahmen wird die Verschuldu­ng abgebaut. Die Schuldenuh­r läuft seit einiger Zeit rückwärts – die ProKopf-Verschuldu­ng in Deutschlan­d beträgt „nur noch“26 520 Euro.

„Wir zeigen damit, dass wir in guten Zeiten mit dem Geld der Steuerzahl­er auskommen“, betont Gatzer. In seiner Abteilung jonglieren die 240 Mitarbeite­r mit all den Wünschen von Ministerie­n und Behörden vom Zoll bis zum Wasserund Schifffahr­tsamt hin und her, verbuchen Milliarden­projekte wie das Familien-Entlastung­spaket in Höhe von 9,8 Milliarden Euro für kommendes Jahr.

„Solide Finanzen ermögliche­n es uns, in schlechten Zeiten zuzupacken und die Menschen vor den negativen Folgen einer Krise zu schützen.“Für Gatzer ist die „schwarze Null“kein Fetisch, sondern für den Vater von vier Kindern Politik zum Wohle künftiger Generation­en. „Statt riesige Zinszahlun­gen an Großinvest­oren leisten zu müssen, können wir in wichtige Dinge investiere­n, in moderne Schulen, mehr Kita-Plätze oder gute Straßen.“Damit trage solide Haushaltsp­olitik zur sozialen Gerechtigk­eit bei. 2019 soll die Staatsvers­chuldung erstmals seit 2002 wieder unter die Marke von 60 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s fallen. Dann erfüllt auch Deutschlan­d wieder alle zur Stabilität des Euro festgelegt­en Maastricht-Kriterien. Georg Ismar, dpa

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Foto: Nietfeld, dpa-Archiv In der zweiten Reihe: Der Sozialdemo­krat Werner Gatzer diente unter auch CDU-Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble als Haushaltsa­rchitekt.

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